Forschung- und Innovationsprojekt (abgeschlossen)
Die Grüne Rebzikade Empoasca vitis und ihre biologische Bekämpfung

Rotweinblätter mit deutlich abgegrenzter, roter Verfärbung durch Saugtätigkeit

Schaden durch Grüne Rebzikade

Biologische Bekämpfung der Rebzikade (Empoasca vitis) durch Förderung antagonistischer Zwergwespenarten (Mymaridae)

Alle Entwicklungsstadien der Grünen Rebzikade Empoasca vitis (auch: Hebata vitis) verursachen durch ihre Saugtätigkeit Schäden an den Rebblättern, was bei stärkerem Befall zu eine Reduzierung der Fotosyntheseleistung führen kann.
Die Grüne Rebzikade hat eine Vielzahl verschiedenartiger natürlicher Feinde; unauffällig sind dabei die Prasitoide, die einen Teil ihrer Entwicklung in den Eiern, den Larven oder den Adulten der Grünen Rebzikade durchlaufen. Besonders effektiv sind dabei einige Zwergwespen, die Mymariden, die Zikadeneier parasitieren.
Das Projekt beabsichtigt die Ansiedlung und Populationsstärke der Mymariden über Zwischenanpflanzungen von Rosaceen in den Weinbergen zu fördern und ihre Ausbreitung bis ins Zentrum der Weinberge voranzutreiben.

Hintergrund
Die Rebzikade war in südlichen Weinbaugebieten (Frankreich, Italien, Tessin) schon immer als einflussreicher Schädling gefürchtet, während sie in deutschen Anbaugebieten bestenfalls als Gelegenheitsschädling galt. Mit Beginn der 1990er Jahre wurde auch hier eine deutliche Zunahme der Rebzikade mit einer wachsenden Anzahl von bis zu drei Generationszyklen beobachtet. Da alle Larvenstadien und die Adulttiere an den Rebblättern saugen, hat die Häufigkeit zikadenbedingter Blattschäden entsprechend zugenommen.

Die Ursachen für das verstärkte Auftreten der Rebzikade sind weitgehend unbekannt. Vermutet wird, dass veränderte klimatische Bedingungen eine Rolle spielen, aber auch, dass der unkritische Einsatz von Breitbandinsektiziden in den 1990er Jahren zu einem zu starken Rückgang wichtiger, regulativer Nützlingsarten geführt hat, wie es beispielsweise für Raubmilben belegt ist.

Bedingt durch die zunehmenden Schäden wuchs das Interesse, die Ökologie und Populationsdynamik der Rebzikade und ihrer Gegenspieler näher zu untersuchen. Ausgangs war bekannt, dass es ein breites Spektrum an Antagonisten, sowohl Räubern als auch Parasiten und Parasitoiden gibt. Vor allem bestimmte Mymariden (Zwergwespen), die die in den Blattadern abgelegten Eier der Rebzikade parasitieren und Parasitierungsgrade von bis zu 80 Prozent erreichen, sollten untersucht und gefördert werden.

Mymaridenarten

Eigene Untersuchungen zeigen, dass im fränkischen Weinbaugebiet neben den ursprünglich bekannten zwei Mymaridenarten Anagrus atomus und Stethynium triclavatum noch eine dritte (Anagrus avalae) häufig auftritt, die, wie Schlupfversuche zeigen, ebenfalls ein hohes Parasitierungspotenzial aufweist. Zwei der drei Mymaridenarten überwintern als Larven in Zwergzikadeneiern, die den Winter in Hecken unter der Rinde von Rosaceen überdauern, während über das Überwinterungsverhalten der dritten Art bisher nichts bekannt war.

Wirkungsbereich der Mymariden

Der Aktionsradius der am besten untersuchten Art Anagrus atomus nimmt mit zunehmender Entfernung von umgebenden Hecken im Weinberg deutlich ab, ihr Einfluss auf die Populationsdynamik der Rebzikade im Zentrum großer Weinbergslagen dürfte daher gering sein.
Flurbereinigungsverfahren und moderne Anbau- und Bewirtschaftungstechniken führten auch im Weinbau zu immer großflächigeren Parzellen mit immer geringerem naturbelassenen oder naturnahen Umfeld. Moderne Bewirtschaftung heißt aber auch, dass die Winzer integrierten Pflanzenschutz betreiben und entsprechend – schon aus Kostengründen – um einen möglichst geringen und zugleich nützlingsschonenden Pflanzenschutzmitteleinsatz bemüht sind. Somit sind die Winzer an einfach umzusetzenden Maßnahmen zur Nützlingsförderung interessiert.

Ziel

Das Projekt hat das Ziel mehr über die Lebensweise der verschiedenen Antagonisten der Grünen Rebzikade zu erfahren und Ansätze zu finden, wie die antagonistischen Zwergwespen gefördert werden und in den Weinbergen gehalten werden können, um einer weiteren Ausbreitung der Grünen Rebzikade entgegen zu wirken.

Methode

Da immer weniger natürliche Überwinterungsquartiere für Zwergwespen in erreichbarer Nähe von Weinbergen vorhanden sind, sollte versucht werden, die Ansiedlung und Populationsstärke der Mymariden über Zwischenanpflanzungen von Rosaceen in den Weinbergen zu fördern und bis ins Zentrum der Weinberge voranzutreiben.
Zumindest für die bekannteste Art Anagrus atomus ist aus einer Schweizer Studie bekannt, dass sie entsprechende Überwinterungsquartiere nicht nur in Hecken, sondern auch innerhalb von Weinbergen nutzt. Von Vorteil wäre hier, dass die erste Nützlingspopulation bereits präsent ist, wenn die Rebzikaden mit Beginn des Austriebs der Reben in die Weinberge einfliegen. Dies sollte zu einer Erhöhung der Parasitierungsrate führen.
Eine zusätzliche Sommerbegrünung der Rebgassen könnte darüber hinaus eine ganzjährige Etablierung der Mymariden begünstigen, da zumindest für Anagrus atomus ein breites Wirtsspektrum anderer Zwerg­zikaden­arten bekannt ist.
Daneben sollten detaillierte Untersuchungen zur Winterökologie der Mymariden­arten durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob auch andere Pflanzenarten als Überwinterungs­quartiere genutzt werden.
Auch über die Überwinterung der Rebzikaden und insbesondere ihr Migrationsverhalten bis zum Einflug in die Weinberge ist bis dahin nur wenig bekannt und sollte näher untersucht werden.
Hintergrund zu den Versuchsflächen

Als Versuchsflächen wurden zu Beginn der Untersuchung neben zwei Standorten mit integriertem Pflanzenschutz (Sulzfeld, Dorfprozelten) eine kontrolliert biologisch bewirtschaftet Fläche gewählt (Nordheim), die aufgrund sehr geringer Zikadendichten aufgegeben werden musste. Stattdessen wurde eine integriert bewirtschaftete Versuchsfläche in Hausen im Heilbronner Raum hinzugenommen, in der nicht nur starke Zikadenschäden, sondern wie in den meisten deutschen Weinbaugebieten auch zwei Zikadengenerationen im Jahr auftraten. In Dorfprozelten wurde, anders als erwartet, im Zentrum der Rebfläche ein wesentlich höheres Aufkommen der Rebzikaden als in Waldnähe beobachtet, so dass der Schwerpunkt der Untersuchungen hierher verlegt wurde.
In allen drei Versuchsflächen wurden jeweils 13 Rebzeilen am Anfang und am Ende mit starkwüchsigen Heckenrosen (Rosa canina) bepflanzt. Als Zeilenanfang ist jeweils der hangfußnähere Teil der Rebzeile definiert, der in allen Versuchsflächen an einem Wirtschaftsweg gelegen ist. In Sulzfeld liegen auf der gegenüberliegendenden Seite des Wirtschaftsweges Heckengehölze und landwirtschaftliche Flächen, in Dorfprozelten unbefestigte Zufahrtswege mit Saumstrukturen und in Hausen eine extensiv bewirtschaftete Wiese, die an eine mit Weiden bewachsene, nasse Senke grenzt. Zusätzlich wird in Sulzfeld die südwestliche Seite der Rebfläche von einer dichten Hecke begrenzt. Das hangaufwärts gelegene Zeilenende liegt ebenfalls in allen Flächen an einem Wirtschaftsweg, an den sich weitere Rebflächen anschließen.
Der ungewöhnlich heiße und trockene Sommer 2003 führte dazu, dass die Rosen der Heilbronner und Dorfprozeltener Rebflächen, die sich jeweils im zweiten Standjahr befanden, bis Versuchsende nur einen geringen Zuwachs zeigten (mittlere Höhe: Heilbronn: 0.8 ± 0.3 m, Dorfprozelten: 1.0 ± 0.3 m), während die Rosen in Sulzfeld im dritten Standjahr Heckenhöhe (2.1 ± 0.5 m) erreichten. Entsprechend wurde der Schwerpunkt der Auswertung auf diesen Standort gelegt.

Ergebnisse...

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Veröffentlichungen
  • BÖLL, S.; SCHMITT, T.; BURSCHKA, C.; SCHREIER, P.; SCHWAPPACH, P.; HERRMANN, J. V. (2005): Calcium tartrate crystals in the midgut of the grape leafhopper; Journal of Chemical Ecology, 31 (12), 2847 - 2856
  • BÖLL, S., SCHWAPPACH, P. (2004): Sind antagonistische Eiparasitoide (Mymaridae) in der Lage, die zweite Generation der Rebzikade (Empoasca vitis) im fränkischen Weinbaugebiet zu unterbinden?; Mitteilungen der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft e.V., 34. Jhg., Nr.1, 34-35
  • BÖLL, S., HERRMANN, J.V (2004): A long-term study on the population dynamics of the grape leafhopper (Empoasca vitis) and antagonistic mymarid species; Journal of Pest Science, 77, 33-42
  • BÖLL, S., SCHWAPPACH, P. (2003): Biologische Bekämpfung der Rebzikade (Empoasca vitis) durch Förderung antagonistischer Zwergwespenarten (Mymaridae); Phytomedizin, Mitteilungen der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft e.V., 33. Jahrgang, Nr. 1, 40
  • BÖLL, S., SCHWAPPACH, P. (2003): Species spectrum, dominance relationships and population dynamics of egg parasitoids (Mymaridae) of the Grape Leafhopper (Empoasca vitis GOETHE) in the Frankonian wine region; „Integrated Protection and Production in Viticulture”, IOBC/wrps Bulletin, Vol 26 (8), 173–180
  • BÖLL, S., HERRMANN, J.V. (2002): Artenspektrum, Dominanzverhältnisse und Populationsdynamik von Eiparasitodien (Mymaridae) der Grünen Rebzikade (Empoasca vitis); Mitt. Biol. Bundesanst. Land-Forstwirtschaft 390, 53. Pflanzenschutztagung, Bonn
  • BÖLL, S., HERRMANN, J.V. (2001): Eine neue Untersuchungsmethode zur Bonitur der Eier der Rebzikade (Empoasca vitis) in Rebblättern; Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz 108 (1), 77-81
  • BÖLL, S., HERRMANN, J.V. (2001): Erste quantitative Boniturergebnisse von Zikadeneiern und Eiparasitoiden der Grünen Rebzikade (Empoasca vitis); Mittl. Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft 31. Jhg, Nr. 1, 30-31
  • BÖLL, S., HERRMANN, J.V., EICHLER, P., BRAUNS, C. (2000): Kritische Anmerkungen zum Eiparasitoidenkomplex der Grünen Rebzikade (Empoasca vitis); Mittl. Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft 30, Jhg, Nr. 1, 30-31
  • HERRMANN, J.V., BÖLL, S. (2002): Ein einfaches Verfahren zur Erkennung von Eiern der Grünen Rebzikade (Empoasca vitits) in Rebblättern; Mitt. Biol. Bundesanst. Land-Forstwirtschaft 390, 53. Pflanzenschutztagung, Bonn
  • HERRMANN, J.V., BÖLL, S. (2001): Validation of a new method for monitoring eggs of the Grape Leafhopper(Empoasca vitis) in grapevine leaves; IOBC-WPRS Bulletin (24) 7
  • HERRMANN, J.V., BRAUNS, C., EICHLER, P., BÖLL, S. (2000): Erhebungen zur Populationsdynamik der Grünen Rebzikade (Empoasca vitis GOETHE) und ihrer Antagonisten; Mittl. Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft 30, Jhg, Nr. 1, 29-30
  • HERRMANN, J.V., EICHLER, P., GUEDOVA, K. (1999): Erfahrungen mit der Grünen Rebzikade im fränkischen Weinbaugebiet; Rebe und Wein Nr. 7, 240-243
  • HERRMANN, J.V., EICHLER, P., GUEDOVA, K. (1999): Die grüne Rebzikade: Natürlichen Feinden auf der Spur; Das Deutsche Weinmagazin Nr. 11 (Mai), 33-36
  • HERRMANN, J.V., EICHLER, P. (1999): Epidemiological studies of the Grape Leafhopper Empoasca vitis GOETHE and its antagonistic egg parasitoids in the Franconian wine growing region (Germany); IOBC/OILB Working Group “Integrated Control in Viticulture” Florenz (Italien), 01.-04. März 1999

Projektinformationen
Projektleitung: Peter Schwappach
Projektbearbeiter: Dr. Susanne Böll
Laufzeit: 1.4.2002 - 31.12.2004
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)
Förderkennzeichen: A / 02 / 08