Rebschutz
Grüne Rebzikade Empoasca vitis (auch: Hebata vitis)
Die Grüne Rebzikade, auch Rebblattzikade genannt, lebt schon seit vielen Jahren in den Weinbergen (z.B. 1928 Stellwag). In früheren Jahren trat sie nur in außergewöhnlich warmen und trockenen Sommermonaten und dann vornehmlich an einzelnen, oftmals schwächeren Rebstöcken in Erscheinung.
In den 1990er Jahren war sie jedoch deutschlandweit weit verbreitet und in nahezu allen Rebflächen zu finden. Sie trat in dieser Zeit außergewöhnlich früh und in großer Zahl auf. Welche Gründe hierfür verantwortlich waren, ist nicht bekannt.
Viele Winzer hatten das massenhafte Auffliegen der Zikaden vor allem im Frühjahr bei den Laub- und Stockarbeiten beobachtet und waren verständlicherweise ob der möglichen Schadwirkungen und der weiteren Entwicklung sehr besorgt.
Seit Mitte der 1990er Jahren wird die Grüne Rebzikade im Weinbaugebiet Franken an den Monitoringstandorten des F.R.I.S. (Fränkisches.Rebschutz.Informations.System) erfasst. Dies gewährt einen guten Überblick über den Zeitpunkt des Einfluges der Rebzikaden in die Weinberge, das erste Auftreten der Larven sowie den Flugbeginn der neuen Generation.
Die Grüne Rebzikade oder Rebenblattzikade hatte bereits viele lateinische Namen ...u. a.
- Hebata vitis Göthe, 1875
- Empoasca vitis Goethe, 1875
- Empoasca (Empoasca) vitis Dworakowska, 1982
- Chlorita flavescens subvaria Rey, 1894
- Chlorita flavescens punctata Kato, 1933
- Chlorita pirisuga Matsumura, 1931
- Chlorita pyrisuga Matsumura, 1931
- Chlorita vitis Puton, 1886
- Empoasca flavescens Cerrutti, 1939
- Empoasca flavescens petiolata Cerutti, 1939
- Empoasca vitis Ribaut, 1936
- Empoasca vitium Paoli, 1931
- Typhlocyba flavescens Flor, 1861
- Typhlocyba flavescens Löw, 1885
- Typhlocyba vitis Goethe, 1875
Systematik
Die eindeutige Zuordnung der in Franken gefundenen Zwergzikaden zur Art Empoasca vitis erfolgte über Genitalpräparate.
Im Jahreslauf
Aussehen und Verhalten
Sie fliegen bei Erschütterung der Reben kurz auf, um sich in geringer Distanz wieder niederzulassen.
Die Zikaden ernähren sich vom zuckerhaltigen Saft in den Blattadern (Phloem) und besaugen deshalb als Larven und jüngere Nymphen die kleinen Blattadern, später die Hauptadern und sogar die Blattstiele.
Die Rebblattzikade überwintert als begattetes Weibchen an immergrünen Gehölzen, wie z. B. Fichte, Kiefer, Eibe, Wacholder, Brombeere u.a.
Vom Ei zum erwachsenen Tier
Nach etwa drei Wochen ist die Entwicklung über zwei Larven- und drei Nymphenstadien zur ausgewachsenen Zikade abgeschlossen. Der Wechsel von einem Entwicklungsstadium zum anderen geschieht dadurch, dass die Jungtiere regelrecht aus ihrer alten „Haut“ schlüpfen, die dann als ein eingetrocknetes, weißlich-silbriges, spinnenartiges Gebilde noch lange Zeit auf den Blättern verbleibt. Diese sogenannten Exuvien sind ein sicherer Hinweis auf Rebzikaden, selbst dann, wenn die Rebzikaden das Blatt schon wieder verlassen haben. Die Nymphen zeichnen sich durch zwei seitliche Taschen aus, in denen sich die Flügel entwickeln. .
Wirtspflanzen neben der Rebe (Vitis vinifera) laut Literatur
Ahorne (Acer), Äpfel (Malus), Birken (Betula), Birne (Pyrus), Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa), Bohne (Phaseolus), Brom- und Himbeeren (Rubus), Buchen (Fagus), Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria), Eichen (Quercus), Erlen (Alnus), Eschen (Fraxinus), Hainbuchen (Carpinus), Haseln (Corylus), Heckenkirschen (Lonicera), Hopfen (Humulus), Kartoffeln (Solanum tuberosum), Kreuzdorn (Rhamnus), Linden (Tilia), Mehlbeeren (Sorbus), Pappeln (Populus), Rosen (Rosa), Rosskastanie (Aesculus), Steinobst (Prunus), Teepflanze (Camellia sinensis), Ulmen (Ulmus), Weiden (Salix), Weinreben (Vitis), Weißdorne (Crataegus)
Eibe (Taxus), Fichte (Picea), Kiefer (Pinus), Wacholder (Juniperus), wintergrüne Brombeeren (Rubus)
Schadbild
Bei zunehmendem Befall breiten sich die Symptome ins Blattinnere aus, wobei die Hauptadern lange intakt bleiben. Oft rollt sich der Blattrand leicht ein. Stark betroffene Blätter rollen sich deutlich ein, sind auffällig verformt, blasenartig aufgewölbt und trocknen vom Blattrand her ein, es kommt zum vorzeitigen Blattfall.
Diese starken Symptome sind in Franken bisher nur sehr selten in Erscheinung getreten.
Schadschwelle
Verwechslungsgefahr
Schadwirkung
Ein Zikadenbefall kann somit sehr lange toleriert werden. In Abhängigkeit von der Rebsorte und den lokalen Bedingungen wurde ein Besatz von 3-5 juvenilen Zikaden (Häutungsreste nicht mitzählen!) je Rebblatt als Schadschwelle festgelegt, eine Situation, die wie oben dargelegt, in den fränkischen Rebflächen nur sehr selten auftritt.
Überwachung mittels Monitoring
Weinbauliche Maßnahmen
Natürliche Gegenspieler
Viel unbekannter, weil unauffälliger, sind die sogenannten Parasitoide, die einen Teil ihrer Entwicklung in den Eiern, den Larven und den Adulten der Grünen Rebzikade „absolvieren“. Im fränkischen Weinbaugebiet trifft man relativ häufig auf zwei Gruppen von solchen Parasitoiden, die sehr klein und unscheinbar sind und zu den Hymenopteren, den Hautflüglern, gehören.
Die Dryinidae, die Zikadenwespen, besitzen zu pinzettenartigen Greiforganen umgebildete Vorderbeine, mit denen sie die Zikadenlarven umfassen und mit dem Legebohrer durch die Hinterleibsflanke ein Ei in den Wirt hineinschieben. Die Wespenlarve lebt zunächst als Innenparasit, tritt aber alsbald, bedeckt von den alten Häuten durch die Intersegmentalhaut der juvenilen oder inzwischen adulten Zikaden bruchsackartig nach außen, wobei das Vorderende im Wirt verbleibt. Die Verpuppung erfolgt außerhalb des abgestorbenen Wirtes in einem Kokon. Bei der Untersuchung von Klopfproben aus dem Reblaub wurden während des Sommers relativ häufig Grüne Rebzikaden gefunden, die durch Zikadenwespen parasitiert waren.
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Mymariden, die sich auf die Parasitierung der Zwergzikadeneier spezialisiert haben.
Wie unsere Untersuchungen in den 1990ern ergaben, tritt im fränkischen Weinbaugebiet neben den beiden genannten Arten noch eine weitere Zwergwespenart, Anagrus avalae, auf, deren Bedeutung als Gegenspieler der Rebzikade bis dahin nicht bekannt war.
Mit dem Austrieb der Rebe fliegen die Zwergwespen und Rebzikaden im Frühjahr zeitgleich in die Weinberge ein. Vier bis sechs Wochen nach der Parasitierung der in den Blattadern abgelegten Rebzikadeneier erfolgt der Schlupf der neuen Zwergwespengeneration.
Zwergwespen überwintern als Larven in den Eiern anderer Zikadenarten, die unter der jungen Rinde von Gehölzpflanzen, bevorzugt Rosen, abgelegt werden.
In fränkischen Rebflächen finden wir beständig eine hohe Anzahl von Mymariden. Eine natürliche Regulation der Rebzikade durch die Zwergwespen zeigt sich in einer praktisch nicht vorhandenen zweiten Generation. Entsprechend muss darauf geachtet werden, dass wichtige Lebensräume und Überwinterungsquartiere der Zwergwespen, wie Heckenriegel und vor allem Wildrosen, erhalten und gefördert werden.
Bekämpfung
Langfristig sind jedoch die ökologischen Parameter zur Förderung der Gegenspieler zu optimieren.