Rebschutz
Ungewöhnliche Kristallbildungen bei der Grünen Rebzikade Empoasca vitis
Im Rahmen der Artbestimmung der in der Rebfläche auftretenden Zikadenarten wurden ungewöhnliche Kristallbildungen im Hinterleib der Grünen Rebzikade Empoasca vitis (auch: Hebata vitis) festgestellt. Um das Auftreten und die Funktion der Kristallbildung im Darmtrakt der Rebzikade näher zu untersuchen, wurden Klopfproben durchgeführt und die Rebzikaden auf Kristalle untersucht..
Methodik
Die Rebzikaden wurden entsprechend ihres Lebenszyklus an Reben (Vegetationsperiode) oder an immergrünen Gehölzen (Überwinterungsphase) geklopft. Die gefangenen Rebzikaden wurden mit CO2 oder durch Tiefgefrieren getötet. Unter dem Binokular wurden Hinterleibspräparationen durchgeführt und, soweit vorhanden, die Anzahl der Kristalle bestimmt.
Ergebnis
Anteil Zikaden mit Kristallen
Mit weiter zunehmenden Weinsäurekonzentrationen in den Blättern nimmt sowohl der Prozentsatz der Rebzikaden mit Kristallen als auch die Anzahl der Kristalle pro Rebzikade zu, die bis zu 150 Kristalle pro Tier betragen kann (Böll et al. 2005).
Mit Beginn der Blattseneszenz, wenn die Weinsäurekonzentrationen abnehmen, geht auch der Prozentsatz der Zikaden deutlich zurück, die Kristalle aufweisen.
Nach dem Verlassen der Weinberge und während der Überwinterung treten keine Kristalle auf. Da auch keine gelöste Weinsäure in überwinternden Tieren gefunden wird, dient das Calciumtartrat nicht, wie anfänglich vermutet, als Gefrierpunkt erniedrigendes „Frostschutzmittel“, sondern wahrscheinlich in erster Linie dazu, größere Mengen an Weinsäure im aufgenommenen Pflanzensaft osmotisch zu inaktivieren (Böll et al. 2005), was besonders für die flugunfähigen Zikadenlarven von Bedeutung ist:
Dieser bisher unbekannte und einzigartige Vorgang erlaubt es den Rebzikaden, die Rebe nachhaltig als Wirtspflanze zu nutzen.
Analysierte Kristalle / Rebzikade | Kristalllänge [µm] Mittel + SD | Kristallbreite [µm] Mittel + SD |
---|---|---|
8 | 186 ± 144 | 72 ± 34 |
14 | 163 ± 40 | 83 ± 24 |
11 | 155 ± 69 | 71 ± 24 |
12 | 188 ± 81 | 74 ± 27 |
18 | 185 ± 100 | 68 ± 45 |
37 | 114 ± 74 | 56 ± 33 |
Größen-Spannbreite | 50 – 563 [µm] | 25 – 225 [µm] |
Der Hinterleib der Grünen Rebzikade ist | 1168 ±158 µm lang | und 568 ± 62 µm breit |
Ökophysiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Grünen Rebzikaden während der Vegetationsperiode parallel zum Anstieg der Weinsäure in den Rebblättern zunehmend Weinsteinkristalle im Darmtrakt akkumulieren, ein bei Insekten bisher einmaliges, unbekanntes Phänomen. Dieser Mechanismus ist wahrscheinlich maßgeblich dafür verantwortlich, dass, insbesondere die flugunfähigen Zikadenlarven, durch Neutralisation der Weinsäure die Rebe nachhaltig als Wirtspflanze nutzen können.
- Böll, S.; Schmitt, T.; Burschka, C.; Schreier, P.; Schwappach, P.; Herrmann, J.V. (2005) Calcium Tartrate crystals in the midgut of the grape leafhopper, Journal of Chemical Ecology 31, 12, 2847 - 2856