Versuchsergebnisse aus der Praxis
Bewurzelung von Mandevilla in der Mehrlagenkultur gelingt

Pflanze mit guter Bewurzelung

Die Bewurzelung von Mandevilla im mitteleuropäischen Winter ist aufgrund des Heiz- und Lichterbedarfs energieintensiv. Die Ausfälle sind mitunter hoch und die Bewurzelungsdauer lange. Zudem kann es zu einem unerwünschten Streckungswachstum kommen. Die spektrale Zusammensetzung der Belichtung kann sich positiv auf den Bewurzelungserfolg und die Triebstreckung auswirken, wodurch Bewurzelungshormone und Hemmstoffe eingespart werden könnten. So konnte die Wurzelqualität bei Chrysanthemen durch die Zugabe von fernrotem Licht gesteigert werden [1]. Wobei fernrotes Licht im Allgemeinen eine Triebstreckung hervorruft und blaues Licht das Streckungswachstum hemmen kann [2], [3]. In einem geschlossenen Innenraum können Stecklinge mit einem genau definiertem Lichtspektrum ohne den Einfluss des Sonnenspektrums auf hohen Hygieneniveau bewurzelt werden. Zudem verspricht die Bewurzelung im Innenraum eine Einsparung von Heizenergie.

Mandevilla-Stecklinge von fünf Sorten unterschiedlicher Herkünfte wurden in Anzuchtplatten ohne den Einsatz von Bewurzelungshormonen abgesteckt. Die Bewurzelung fand für insgesamt sechs Wochen in einem Mehrlagenregalsystem (GND Solutions, Berlin) mit unterschiedlich komplexen LED-Lichtspektren und zum Vergleich einem Gewächshaus aus Natriumdampfhochdrucklampen (HPS) in vierfacher Wiederholung statt (siehe Tabelle 1).

Anzuchtkasten in Regalen auf mehreren Ebenen unter LED-Belichtung

Mehrlagensystem

Bildlich dargestellte Spektren der Bewurzelung von Mandevilla

LED-Lichtspektren

Vier geteilte Abbildung mit WurzelentwicklungZoombild vorhanden

Wurzelqualität

Die Anzuchtplatten waren für die ersten vier Wochen mit Plastikhauben abgedeckt, um eine hohe Luftfeuchtigkeit zu gewährleisten. Der photosynthetisch aktive Photonenstrom (PPFD) im Mehrlagenregalsystem betrug 200 +/-25 μmol/m2s und die HPS-Belichtung 80 μmol/m2s. Ein LED-Lichtspektrum war in der Verteilung der Spektralbanden von 400 bis 780 nm dem Sonnenlicht nachempfunden und enthielt zusätzlich UV-A Strahlung (UV-W-R-FR). Ein breitbandiges weißes Spektrum (W) wurde mit blauem Licht (B-W) sowie blauem und fernrotem Licht (B-W-FR) kombiniert. Die einfachsten Spektren bestanden aus blauem und rotem (B-R) sowie blauem, rotem und fernrotem Licht (B-R-FR). Der Versuch wurde an fünf Sorten durchgeführt (siehe Tabelle 2). Am Ende des Versuchszeitraums wurde die Wurzelqualität klassifiziert sowie die Triebe vermessen.
Tabelle 1: Wellenlängenbereiche

Relativer Anteil und absolute Photonenstromdichte für verschiedene Wellenlängenbereiche sowie die Tageslichtsumme (DLI) bei einer Belichtung von 16 Stunden pro Tag mit LEDs im Mehrlagenkulturraum und Natriumdampfhochdrucklampe (HPS) im Gewächshaus.

SpektrumUV-A (%) 315-399 nmBlau (%) 400-499 nmGrün/Gelb (%) 500-599 nmRot (%) 600-699 nmFernrot (%) 700-780 nmPPFD1 (µmol/m2s)Fernrot (µmol/m2s)DLI1 (mol/m2d)
LED UV-Weiß-Rot-Fernrot120,729,631,417,32004011,5
LED Weiß0,624,435,233,86200011,5
LED Blau-Weiß0,5382927,64,9200011,5
LED Blau-Weiß-Fernrot0,324,518,520,73620010011,5
LED Blau-Rot025,60,373,60,5200011,5
LED Blau-Rot-Fernrot015,60,347,136,920010011,5
HPS0,45,247,440,9680411,1 2

1 400 bis 700 nm auf Höhe der Anzuchtplatten, 10 % höhere Lichtstärke an 5 cm Laubdachhöhe
2 Dabei entfallen 4,6 mol/m2d auf die HPS und im Mittel 6,5 mol/m2d auf die Außenstrahlung bei der eine Dämpfung von 60 % angenommen wurde.

Tabelle 2: Sortenübersicht
SorteBezugsquelleFirmenangaben zur Bewurzelungsvermögen
'Red Sundaville'Moerheim New Plant BVEinfache Bewurzelung
'Velvet Red Sundaville'Moerheim New Plant BVLangsame Bewurzelung
'Dundee'Selecta Klemm GmbH & Co. KGGute Bewurzelung
'Magnetica Dark Red'Selecta Klemm GmbH & Co. KGSchlechtere Bewurzelung
'Rio Grande Pink'Syngenta Seeds GmbH---

Ergebnisse 2020

Zwei geteilte Abbildung mit dem Wachstum der WurzelnZoombild vorhanden

'Velvet Red Sundaville' mit der Wurzelqualität

Auch ohne den Einsatz von Bewurzelungshormonen konnten mitunter gute Wurzelqualitäten erzielt werden. Die Bonitur aller Parameter fand sechs Wochen nach dem Stecken statt. Bei 'Red Sundaville' und 'Velvet Red Sundaville' lag der Anteil der Stecklinge mit mindestens guter Bewurzelung zwischen 74 und 92 Prozent und zwischen 84 und 93 Prozent. 'Rio Grande Pink' hatte in 67 bis 93 Prozent der Stecklinge eine mindestens gute Wurzelqualität gebildet. 'Dundee' und 'Magnetica Dark Red' bewurzelten in 42 bis 82 Prozent und 23 bis 67 Prozent der Fälle mindestens gut. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Belichtungsvarianten ließen sich nicht feststellen. Der Unterschied zwischen den Sorten muss nicht ihr absolutes Bewurzelungspotential widerspiegeln, sondern kann stark der jeweiligen Stecklingsqualität bedingt durch Witterungsbedingungen am Ort der Mutterpflanzenhaltung und Nacherntebedingungen abhängen.

Bei einer detaillierten Betrachtung der Wurzelqualitäten konnte bei 'Velvet Red Sundaville' eine Verbesserung der Wurzelqualität, eine Verringerung der Ausfallquote und eine Steigerung der Anzahl an Stecklingen mit der höchsten Wurzelqualität durch fernrotes Licht festgestellt werden. Im Gewächshaus mit HPS hatte 'Rio Grande Pink' den höchsten Anteil in der besten Bewurzelungsklasse, wohingegen 'Magnetica Dark Red' die meisten Ausfälle im Vergleich zur Mehrlagenkultur hatte. Fernrotes LED-Licht führte tendenziell zu einer Internodien- und Triebstreckung von je bis zu 0,5 und 1,2 Zentimeter. Hierbei waren die Internodien- und Trieblängen mit denen der Stecklinge im Gewächshaus vergleichbar.

Diagrammbalken mit Anteil der Stecklinge pro Parzelle mit guter Bewurzelung und Trieblänge

Bewurzelung

Diagrammbalken mit Anteil der Stecklinge pro Parzelle in verschiedenen Bewurzelungsklasse

Bewurzelungsklasse

Kulturdaten
SteckenEnde Woche 8
Bewurzelungshormonekeine
KulturdauerWoche 9 bis 14
Abdeckung• zunächst mit Haube
• Gewöhnung durch stundenweise ohne Haube
• ab 21.03.2020 ganz ohne Haube
SubstratCocopeat
Düngerab Woche 10: 1-mal pro Woche 0,05 % Foliar Feed (27-15-12+TE, ICL)
Hemmstoffekeine
Photonenflussdichte• LED 200 μmol/m2s (+100 μmol/m2s Fernrot) bzw. HPS 80 μmol/m2s auf Höhe Oberkante Anzuchtplatte
• spektrale Zusammensetzung, siehe Tabelle 1
Temperatur
(im Bestand)
• Mehrlagenkulturraum Zeitraum mit Haube: 24 °C/22 °C (Tag/Nacht)
• Gewächshaus Zeitraum mit Haube: 25 °C/20 °C (Tag/Nacht)
• Mehrlagenkulturraum Zeitraum ohne Haube: 27 °C/24 °C (Tag/Nacht)
• Gewächshaus Zeitraum ohne Haube: 24 °C/20 °C (Tag/Nacht)
Lüftfeuchtigkeit
(über Regalen bzw. Tischen, nicht unter Haube)
• Mehrlagenkulturraum Zeitraum mit Haube: 42 %/44 % (Tag/Nacht)
• Gewächshaus Zeitraum mit Haube: 44 %/48 % (Tag/Nacht)
• Mehrlagenkulturraum Zeitraum ohne Haube: 59 %/62 % (Tag/Nacht)
• Gewächshaus Zeitraum ohne Haube: 31 %/35 % (Tag/Nacht)
Temperatursumme• Mehrlagenkulturraum: 1007 °C
• Gewächshaus: 888 °C
Wiederholungen4

Kritische Anmerkungen

Mandevilla bewurzelt generell langsam (5 bis 8 Wochen), weshalb in Kulturanweisungen der Züchtungsfirmen ein Einsatz von Bewurzelungshormonen empfohlen wird. In dieser Untersuchung war bei den schnellen bewurzelnden Sorten auch ohne den Einsatz von Wurzelhormonen eine gute Bewurzelung von über 90 Prozent möglich. In den meisten Fällen ließen sich die Stecklinge im flächeneffizienten Mehrlagesystem genauso gut bewurzeln wie im Gewächshaus mit HPS. Es ist nicht auszuschließen, dass die Sorten mit schlechteren Wurzelqualitäten nach einem längeren Zeitraum und oder dem Einsatz von Bewurzelungshormonen ähnlich Wurzelqualitäten gezeigt hätten. Zudem können wir nicht ausschließen, dass schlechte Witterungsbedingungen am Ort der Mutterpflanzenhaltung in Afrika sowie die Nacherntebehandlung der Stecklinge und Versandbedingungen einen Einfluss auf den Bewurzelungserfolg hatten. Die Sorten sind daher nicht direkt miteinander vergleichbar, sehr wohl aber die Belichtungsvarianten zu diesem Zeitpunkt.

Um das tatsächliche Bewurzelungspotential der einzelnen Sorten beurteilen zu können, müssen Stecklinge der gleichen Sorte sowie Genetik aus unterschiedlichen Herkünften bewurzelt werden, wie von einem Mitarbeiter einer Züchterfirma vorgeschlagen. Zusätzlich ist ein Versuch in größerem Maßstab oder einer reduzierten Auswahl an Lichtspektren sinnvoll, um die Möglichkeit einer Kulturzeitverkürzung durch den Einsatz von fernrotem Licht zu untersuchen.

Die Bewurzelung im Mehrlagensystem kam gänzlich ohne zusätzliche Heizung aus. Der Raum musste im Gegenteil sogar gekühlt werden, da die LED-Belichtung so viel Abwärme erzeugte. Anschließend an die Bewurzelung wurden die Sorten 'Red Sundaville', 'Velvet Red Sundaville' und 'Rio Grande Pink' getopft und im Gewächshaus sowie im Mehrlagensystem kultiviert.

Literatur

[1] Christiaens, A., et al. (2019). Adventitious rooting of Chrysanthemum is stimulated by a low red:far-red ratio. Journal of plant physiology, 236, 117-123.

[2] Demotes-Mainard, S. et al. (2016). Plant responses to red and far-red lights, applications in horticulture. Environmental and Experimental Botany, 121, 4-21.

[3] Huché-Thélier, L., et al. (2016). Light signaling and plant responses to blue and UV radiations-Perspectives for applications in horticulture. Environmental and Experimental Botany, 121, 22-38.