Versuchsergebnisse aus der Praxis
Frühjahrsschnittblumen aus kühler Eigenproduktion
Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim beschäftigt sich seit 2022 in einem neuen Versuchsprogramm mit der Frage, wie sich Schnittblumen möglichst energiesparenden produzieren lassen. Vor allem in den Wintermonaten stellt dies eine Herausforderung dar und setzt das Wissen um ein geeignetes Sortiment energieextensiver Kulturen voraus. Im Winterhaltjahr 2022/2023 wurde daher eine Auswahl an Frühjahrsschnittblumen getestet und deren Eignung für eine kühle Produktion bei einer Heiztemperatur von 8 °C/6 °C (Tag/Nacht) überprüft. Produktionsziel waren qualitativ hochwertige Schnittblumen für den regionalen Absatz von Valentinstag bis Ostern.
Ergebnisse 2023
Die Sortimentssichtung sollte nicht auf herkömmliche Schnittblumenbetriebe abzielen, sondern auf Betriebe, die direkt Topfpflanzen verkaufen und zudem eine eigene Floristikabteilung haben. Einige dieser Betriebe erzeugen im Sommer bereits Schnittblumen im Freien. Mit der überprüften Produktauswahl könnten sie ihre eigene, regionale Schnittblumenproduktion sogar auf die Wintermonate ausweiten.
Baustahlmatten als provisorische Stützgitter
Matthiola-Sorten
Sorte | Erntezeitraum [KW] | Stiellängen [cm] | Anteil gefüllter Stiele [%] | Vasenhaltbarkeit [Tage] |
---|---|---|---|---|
'Noble Cream Yellow' | 12 bis 15 | 50 bis > 60 | 94 | 10 bis 13 |
'Noble White' | 12 bis 15 | > 60 | 90 | 8 bis 10 |
'Canneto White' | 12 bis 15 | > 60 | 93 | 11 bis 14 |
'Iron Rose' | 12 bis 15 | 40 bis > 60 | 52 | 11 bis 17 |
'Iron Cherry Blossom' | 12 bis 15 | 50 bis 60 | 62 | 10 bis 14 |
'Iron White' | 12 bis 15 | 40 bis > 60 | 70 | 10 bis 15 |
'Iron Yellow' | 13 bis 15 | 50 bis > 60 | 68 | 17 |
'Iron Marine' | 13 bis 15 | 50 bis > 60 | 73 | 14 |
'Iron Purple' | 13 bis 15 | 50 bis > 60 | 63 | 14 |
'Iron Apricot' | 12 bis 15 | 50 bis > 60 | 54 | 12 |
'Noble Cream Yellow'
'Iron'-Serie
Aussaat | 07.10.2022 bei 16 °C mit Substrat Orange VM Tray (Einheitserdenwerk Patzer, Sinntal) wenn Keimblätter entfaltet dann Kältebehandlung zur Selektion 7 Tage bei 8 °C anschließend 16 °C |
Pikieren | 21.10.2022 bei 16 °C mit Substrat Orange Pikier (Einheitserdenwerk Patzer, Sinntal) |
Belichtung | Assimilationsbelichtung von Jungpflanzenanzucht bis Topfen 100 μmol/m2s (6 bis 20 Uhr), wenn Außeneinstrahlung kleiner als 500 μmol/m2s |
Schattierung | ab 40 klx |
Heiztemperatur (HT) 8 °C/6 °C (Tag/Nacht); 10 °C Lüftungstemperatur (LT)
Topfen | 14.11.22 (KW 46) in 13-cm-Topf, 56 Pflanzen/m2 |
Substrat | Blue Topf grob (torfreduziert) 2 g/l Salz, pH 5,4 (Einheitserdewerk Patzer, Sinntal) |
Düngung | • Topfsubstrat: 2 g/l Osmocote 5; 5-6 M (ICL Deutschland Vertriebs GmbH; Nordhorn) • 2 Wochen nach Topfen: 0,08 bis 0,1 %ige Bewässerungsdüngung mit Ferty 3 Mega (Planta Düngemittel GmbH, Regenstauf) |
Temperatur | • nach Topfen: 16 °C, 2 bis 3 Wochen nach dem Pflanzen schrittweise absenken • HT 8/6 °C (Tag/Nacht), LT 2 °C über HT • ab 10.03.23 LT 6 ° über HT |
Schnitt | sobald 4 bis 5 Einzelblüten/Rispe geöffnet |
Papaver-Sorten
Art | Sorte | Erntezeitraum [KW] | Erntemengen [pro m2] | Vasenhaltbarkeit [Tage] |
---|---|---|---|---|
Papaver nudicaule 'Champagne Bubbles F1' | 'Scarlet' | 8 bis 21 | 441 | 5 bis 10 |
Papaver nudicaule 'Champagne Bubbles F1' | 'Pink' | 8 bis 12 | 451 | 5 bis 10 |
Papaver nudicaule 'Champagne Bubbles F1' | 'Yellow' | 9 bis 21 | 455 | 5 bis 10 |
'Champagne Bubbles F1'-Serie
Die Vasenhaltbarkeit war mit fünf bis zehn Tagen kurz und vom Erntestadium abhängig. Wurden die Blüten im voll geöffneten Zustand geschnitten, sank ihre Haltbarkeit in der Vase deutlich. Das optimale Erntestadium ist eine gerade aufbrechende Knospe. Der Mohn wurde zwei Mal täglich geerntet, um dieses Erntestadium zu gewährleisten.
Aussaat | 07.10.2022 bei 18 °C mit Substrat Orange VM Tray (Einheitserdenwerk Patzer, Sinntal) |
Pikieren | 25.10.2022 bei 16 °C mit Substrat Orange Pikier (Einheitserdenwerk Patzer, Sinntal) |
Belichtung | Assimilationsbelichtung von Jungpflanzenanzucht bis Topfen 100 μmol/m2s (6 bis 20 Uhr), wenn Außeneinstrahlung kleiner als 500 μmol/m2s |
Schattierung | ab 40 klx |
Heiztemperatur (HT) 8 °C/6 °C (Tag/Nacht); 10 °C Lüftungstemperatur (LT)
Topfen | 28.11.22 (KW 48) in 13-cm-Topf, 25 Pflanzen/m2 |
Substrat | Blue Topf grob (torfreduziert) 2 g/l Salz, pH 5,4 (Einheitserdewerk Patzer, Sinntal) |
Düngung | • Topfsubstrat: 2 g/l Osmocote 5; 5-6 M (ICL Deutschland Vertriebs GmbH; Nordhorn) • 2 Wochen nach Topfen: 0,08 bis 0,1 %ige Bewässerungsdüngung mit Ferty 3 Mega (Planta Düngemittel GmbH, Regenstauf) |
Temperatur | • nach Topfen: 16 °C, 2 bis 3 Wochen nach dem Pflanzen schrittweise absenken • HT 8/6 °C (Tag/Nacht), LT 2 °C über HT • ab 10.03.23 LT 6 ° über HT |
Pflanzenschutz | 10.01.23: Switch 1 kg/ha mit 100 l/m2 H2O |
Schnitt | Farbe zeigende Knospe |
Ranunculus-Sorten
Art | Sorte | Erntezeitraum [KW] | Erntemengen [pro m2] | Vasenhaltbarkeit [Tage] |
---|---|---|---|---|
Ranunculus asiaticus | 'Aazur Deep Rose' | 9 bis 17 | 97 | 14 |
Ranunculus 'Butterfly' | 'Artemis' | 9 bis 17 | 113 | 10 |
Ranunculus 'Butterfly' | 'Hades' | 9 bis 17 | 83 | 10 |
Ranunculus 'Butterfly' | 'Phytalos' | 10 bis 17 | 87 | 18 |
'Aazur Deep Rose' - acht Tage nach der Ernte
'Aazur Deep Rose' begeisterte mit ihrem Aufblühverhalten. Die Farbe zeigenden Knospen entwickelten sich in der Vase zu großen, gefüllten Blütenbällen in leuchtendem Pink, die 14 Tage hielten.
Ausgangsmaterial für diese Serie waren Krallen, die nach ihrer Ankunft aufgeteilt wurden. Die Hälfte der Krallen einer Sorte wurden nach Variante 1 präpariert, anschließend in 10-cm-Töpfe getopft und dann direkt im Gewächshaus aufgestellt. Die andere Hälfte der Krallen wurden ebenfalls 10-cm-Töpfe getopft und im Anschluss daran nach Variante 2 präpariert, ihr Austreiben wurde durch Kühlung gefördert. Die Krallen, die ohne Kühlung Ende September ins Gewächshaus getopft wurden, fielen zu 100 Prozent aus. Durch pytophatologische Untersuchung der verfaulenden Krallen auf phytopathogene Pilze wurde ein Befall mit Fusarium solani und Pythium ultimum nachgewiesen. Im Substrat waren bei einem Köderversuch keine phytopathogenen Pilze nachweisbar. Es wird vermutet, dass die Ranunkelkrallen bedingt durch hohe, spätsommerliche Temperaturen im Gewächshaus nicht austrieben und sich die latent vorhandenen bodenbürtigen Pilze trotzt Behandlung mit PROPLANT ausbreiteten. Das Antreiben der Ranunkelkrallen im Kühlraum bei 8 °C, bis zum Sichtbarwerden der ersten Triebspitzen war unter den heißen Witterungsbedingungen im Herbst 2022 von großem Vorteil für die Entwicklung der Pflanzen.
Es wurden drei Farben getestet. 'Artemis' und 'Phytalos' jeweils mit gelben Schalenblüte sowie 'Hades' deren gefüllte Blüte in einem warmen Rot leuchten. Als die Ranunkeln die 10-cm-Töpfe durchwurzelt hatten, wurden sie in KW 48 in 17-cm-Container umgetopft. Der Endstand belief sich auf neun Container pro m2, Stützgitter waren nicht erforderlich. Bei allen drei Sorten konnten Anfang März die ersten Blütenstiele geerntet werden, wobei die Sorte 'Artemis' im Gegensatz zu den anderen beiden Sorten mit einer frühen Haupternte überraschte. Bei dieser Sorte konnten bereits am 06.03.2023, fünf Tage nach der ersten Ernte, 18 Stiele/m2 geschnitten werden. Die Blütenstiellänge bewegte sich bei allen drei Sorten zwischen 30 bis 60 cm. Der größte Anteil wurde in den Maßen 40 bis 60 cm geerntet, der Quadratmeterertrag lag zwischen 83 bis 113 Stielen.
Auch die 'Butterfly'-Serie überzeugte mit guter Vasenhaltbarkeit von 10 bis 18 Tagen. Geerntet wurde zwei Mal pro Woche, wenn die Hauptknospe eines Stiels voll erblüht war und die Nebenknospen Farbe zeigten. Dann öffneten sich auch die Nebenknospen voll, sodass wenige Stiele einen üppigen Strauß bildeten. Die Sorte 'Hades' spielte beim Abblühen mit der Farbe.
Präparation der Krallen
Variante 1 | Behandlung mit GA3: 24 h ('Butterfly'-Serie) eingelegt anschließend 15 Minuten in 0,15 % PROPLANT getaucht |
Variante 2 (Kühlbehandlung) | Krallen über Nacht in 0,15 % PROPLANT getaucht, getopft und 3 Wochen in die Kühlung bei 8 °C bis Austrieb |
Heiztemperatur (HT) 8 °C/6 °C (Tag/Nacht); 10 °C Lüftungstemperatur (LT)
Topfen | • 'Aazur Deep Rose' am 19.10.22 (KW 42) in 13-cm-Topf, 25 Pflanzen/m2 • 'Butterfly' am 30.09.22 (KW 39) in 12-cm-Topf in Kühlraum bis KW 42, Umtopfen am 29.11.22 (KW 48) in 17-cm-Container, 9 Pflanzen/m2 |
Substrat | Blue Topf grob (torfreduziert) 2 g/l Salz, pH 5,4 (Einheitserdewerk Patzer, Sinntal) |
Düngung | • Topfsubstrat: 2 g/l Osmocote 5; 5-6 M (ICL Deutschland Vertriebs GmbH; Nordhorn) • 2 Wochen nach Topfen: 0,08 bis 0,1 %ige Bewässerungsdüngung mit Ferty 3 Mega (Planta Düngemittel GmbH, Regenstauf) |
Temperatur | • nach Topfen: 16 °C, 2 bis 3 Wochen nach dem Pflanzen schrittweise absenken • HT 8/6 °C (Tag/Nacht), LT 2 °C über HT • ab 10.03.23 LT 6 ° über HT |
Pflanzenschutz | • 30.09.22: PROPLANT 0,15 % Einweichen der Krallen • 23.11.22: 0,15 % gegossen • 10.01.23: Switch 1 kg/ha mit 100 l/m2 H2O |
Schnitt | • 'Aazur Deep Rose': 1. Knospe voll ausgefärbt, beginnt sich zu öffnen • 'Butterfly': 1. Knospe voll aufgeblüht, Nebenknospen Farbe zeigend |
Vasenhaltbarkeit
Pro und Contra der Schnittblumenproduktion
Ist es sinnvoll Schnittblumen wieder selbst zu produzieren? Diese Frage muss jeder Inhaberin und Inhaber eines Endverkaufsbetriebes betriebsindividuell betrachten. In Gesprächen mit Gärtnern und Beratern wird häufig der hohe Arbeitsaufwand während der Ernte als erstes Ausschlusskriterium genannt. Im vorliegenden Versuch fiel die Haupternte in den Monaten März und April an, zugegeben, zu dieser Zeit haben Endverkaufsbetriebe bereits anderweitig alle Hände voll zu tun. Hinzu kommt eine lange Flächenbelegung, im Versuch von Oktober bis April/Mai, was bedingt durch hohe Gemeinkosten, die Erzeugungskosten steigen lässt. Auch können Schnittblumen unter improvisierten Produktionsbedingungen in einem Topfpflanzenbetrieb nicht so arbeitswirtschaftlich produziert, geerntet und aufbereitet werden, wie dies in einem klassischen Schnittblumenbetrieb möglich ist. Die Eigenproduktion von Schnittblumen sollte daher unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten genau mit Alternativkulturen verglichen werden. Dennoch bietet sich womöglich genau hier die Chance für den Schnittblumenanbau im eigenen Betrieb. Denn die Preise für Primeln, Violen und Co. machen die Eigenproduktion dieser Massenware für den einen oder anderen Endverkaufsbetrieb unattraktiv. Des Weiteren ist unklar, wie sich die Preise und die Verfügbarkeiten von zugekauften Schnittblumen, beeinflusst durch Staus, Streiks und stetig steigenden Transportkosten zukünftig entwickeln werden.
Auch der Aspekt regional produzierter Schnittblumen als Alleinstellungsmerkmal darf nicht außer Acht gelassen werden. Bei den Themen, die international importierte Schnittblumen, beim Endkunden in Verruf bringen, können selbst produzierte Schnittblumen punkten. Denn „frischer geht's nicht“, als direkt nebenan in der Gärtnerei produziert.
Je nach räumlichen Gegebenheiten können die Kunden die Floristinnen eventuell sogar beim Ernten beobachten („gläserne Produktion“). Es fallen keine kostspieligen, CO2 intensive und Frische raubende Transportwege an. Die Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter kann jeder Betriebsinhaberin und Betriebsinhaber eigenverantwortlich gestalten, ohne auf formale Zertifizierungen angewiesen zu sein.
Auch die Belastung mit chemischen Pflanzenschutzmitteln, die mindestens einmal jährlich im Fokus der Öffentlichkeit steht, können Sie als Produzent durch vorausschauende Sortenwahl und optimale Kulturbedingungen geringhalten beziehungsweise ganz vermeiden. Letztendlich gelingt die, aus unternehmerischer Sicht erfolgreiche Vermarktung nur, wenn die Mitarbeiter am Point of Sale mit ins Boot geholt werden, indem das Schnittblumensortiment hinsichtlich Arten und Sorten, Farben und Formen mit den Vorstellungen der Floristinnen und Floristen abgestimmt wird. Denn sie sind diejenigen, welche die selbst produzierten Schnittblumen beim Kundenbewerben und in ihren Werkstücken verarbeiten sollten.