Sortentestung von Bäumen im Zeichen des Klimawandels
... und wenn ich wüßte, daß morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch einen Baum pflanzen - aber welchen?
In den letzten Jahren sind verstärkt Probleme im Krankheitsbereich bei einzelnen Hauptbaumarten (Aesculus, Acer, Fraxinus, Platanus, Tilia, Quercus, Crataegus ...) aber auch insgesamt mit mehr oder weniger breit wirkenden Erregern (Verticillium, Phytophtora, Pseudomonas, Feuerbrand, Citrusbockkäfer, Splintkäfer, Prozessionsspinner, Maulbeerschildlaus ...) aufgetreten, die zum einen Teil auf die Erderwärmung und zum anderen Teil auf die Globalisierung im Handel mit Gehölzen zurückzuführen sind.
Das Eschensterben ist europaweit ein sehr ernst zu nehmendes Problem
Und: Der Klimawandel findet weiterhin statt, wir sind mittendrin, aber noch lange nicht am Ende der möglichen Veränderungen angekommen. Die beiden letzten kalten Winter dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hitze und Sommertrockenheit in den letzten Jahren enorm zugenommen haben. Es gibt Prognosen, nach denen der Rekordsommer 2003 am Ende des 21. Jahrhunderts als ganz normaler Sommer eingeordnet werden wird.
Trockengestresste Pflanzen aber sind wesentlich anfälliger gegenüber Krankheiten und Schädlingen, was man zum Beispiel bei Verticillium, Massaria, aber auch bei der Vielzahl der in den letzten Jahren verstärkt aufgetretenen Splintkäfern eindeutig belegen kann.
Auswahlkriterien für die Bäume
Der Kaukasus birgt dendrologische Schätze
Ähnliche Klimaräume mit potentiellen Klimakandidaten gibt es aber auch in Nordamerika und Asien. Es gilt, die Herkunft eines Gehölzes in zukünftigen Überlegungen stärker mit einzubeziehen.
Das zweite Kriterium bei der Auswahl von Gehölzen war deren derzeitiger Gesundheitsstatus. Die Pflanzen, die bis jetzt kaum von Schaderregern befallen werden, sind natürlich keine Garantie für die Zukunft, aber mit Sicherheit besser als der Einsatz von Pflanzen, von denen man heute schon weiß, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit krank werden.
Ziel muss es sein, die Baumartenvielfalt in der Stadt zu erhöhen. Nur eine breite Basis an geeigneten Pflanzenarten und Sorten mindert das Risiko, dass weitere neue Krankheiten und Schädlinge die uns zur Verfügung stehende Palette noch verringern. Wir brauchen im übertragenen Sinn die Idee des gesunden Mischwaldes auch bei der Pflanzenauswahl im urbanen Raum.
Denn der Extremstandort Stadt wird noch extremer. Es zählt nicht, was früher bei uns gewachsen ist, sondern was in Zukunft überhaupt noch in unseren Städten wachsen kann. Wenn man so will: die Globalisierung in der Pflanzenverwendung!
Der Auswahl der Bäume kommt bei einem Versuch, der weit über 10 Jahre laufen soll, eine entscheidende Bedeutung zu. Darüber hinaus muss die Verfügbarkeit auf dem europäischen Baumschulmarkt zumindest in etwas größeren Stückzahlen gegeben sein, davon ausgehend, dass es ungefähr 10 Kulturjahre dauert, bis ein für die Stadt ausreichend großer Baum herangezogen wird. Ein zweites Kriterium aus Sicht der produzierenden Baumschulen ist die Eignung der betreffenden Pflanzen zur Anzucht für einen Alleebaum.
Vorgehensweise
In einem ersten Schritt wurden anerkannte Dendrologen befragt und zahlreiche Botanische Gärten bzw. auch private dendrologische Sammlungen besucht, um abzuklären, welche Baumarten in Frage kommen könnten. Der Park in Pruhonice bei Prag, die forstbotanischen Gärten in Tharandt bei Dresden, Eberswalde an der polnischen Grenze, Grafrath in der Nähe von München, die botanischen Gärten in Hamburg, Berlin, Göttingen, München, Posen, Gimborn in den Niederlanden, immer mit dem Ziel verknüpft, was wächst gesund an unterschiedlichen Standorten, wobei bewusst auch Standorte gewählt wurden, die sehr kalte Winter aufweisen, denn stärkere Fröste werden auch trotz der Erderwärmung immer wieder auftreten, was in den Jahren 2009/2010 eindrucksvoll zu erleben war.
Die Dendrologen wie z.B. der Tscheche Professor Hieke, Andeas Warda mit seinen umfangreichen Pflanzenkenntnissen oder der Kaukasus- Experte Professor Schmidt von der TU Dresden aber auch Fachleute wie Dr. Pirc aus Wien, der ein hervorragendes Wissen zur Verwendung von Pflanzen im trocken heißen pannonischen Klima Wiens und Ungarns hat, haben enorm dazu beigetragen, erlebtes Wissen in die oftmals so graue Theorie der Gehölzbeschreibungen in den Büchern oder Katalogen einzubringen.
Ein ganz wichtiger Baustein in den Vorüberlegungen war der Dialog mit der Baumschulwirtschaft. Die Erfahrungen der Leute, die seit vielen Jahren Gehölze produzieren und europaweit an die verschiedensten Standorte verkaufen muss zwingend mit eingearbeitet werden. In diesem Zusammenhang gab es intensive Gespräche mit den führenden Produzenten von Alleebäumen in Deutschland, den Niederlanden und in Belgien, aber auch in den USA. Sehr hilfreich waren dabei die guten Kontakte zu ehemaligen Studierenden der Fach- und Technikerschule in Veitshöchheim, die heute bei wichtigen Baumschulen die Anzucht der Straßenbäume als Baumschulmeister begleiten. Ergänzt wurde dieses Wissen durch persönliche Befragungen von Baumschulen, die außergewöhnliche Raritäten kultivieren und die gerade in der Frage der Vermehrung von seltenen aber wertvollen Gehölzen umfangreiche fachliche Kenntnisse besitzen. Denn was nützt das schönste Gehölz, wenn es sich nur ganz schlecht vermehren lässt.
Natürlich wurden auch die Ergebnisse der Gartenamtsleiterkonferenzen (GALK-Liste) und die im Auftrag des BdB durchgeführte Studie zu Gehölzen im Klimawandel mit eingearbeitet. Sie dienten in vielen Fällen als Bestätigung unserer Ergebnisse, aber ein kleiner Teil der von uns ausgewählten Gehölze steht nicht ganz im Einklang mit den Empfehlungen aus diesen Arbeiten.
Wie haben die Baumschulen auf das Projekt reagiert?
Das Interesse der Baumschulwirtschaft gegenüber diesem Themenkomplex war von Anfang an groß. Bei den Veitshöchheimer Baumschultagen 2008 und 2010, die sich beide mit diesem Thema befasst haben, konnten jeweils mehr als 300 Fachbesucher gezählt werden. Offensichtlich besteht die Einsicht, in das Sortiment der zu verwendenden Bäume Bewegung zu bringen. Natürlich gibt es auch gemischte Gefühle, vor allen weil es so lange dauert, um einen heute noch selten angebotenen, aber vermeintlich guten Zukunftsbaum in ausreichenden Mengen anbieten zu können.
Ein weiteres Indiz für die Aktualität dieser Thematik sind die zahlreichen von mir gehaltenen Vorträge zum Thema „Gehölze im Zeichen des Klimawandels", die in den letzten Jahren von einem vergleichsweise großen Publikum meist mit sehr großem Interesse verfolgt worden sind.
Klimabäume Stutel
„Klimabäume Stutel“ ist ein weiteres Projekt an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, durchgeführt vom Sachgebiet Obstbau/Baumschule innerhalb der Abteilung Gartenbau.
Zahlreiche Gespräche wurden geführt, Gesuchslisten verschickt, Zusagen eingeholt, Abfuhren lächelnd angenommen. Die Wunschliste wurde immer länger, einzelne Sorten waren jedoch im gesamten Markt kaum verfügbar, so dass die Wünsche sehr schnell an die Realität angepasst werden mussten. Die Spannung stieg, denn die Zusagen aus den Gesprächen des Sommers 2010 lagen irgendwo um die 150 Arten und Sorten, bei 4 Bäumen je Sorte immerhin 600 Bäume, aber bekommen wir die wirklich alle? Und dann ging alles ganz schnell: Ab Anfang Dezember kamen fast im 2-tägigen Rhythmus LKW-Ladungen mit Bäumen wenn man so will aus ganz Europa. Obwohl wir Schnee hatten und es relativ kalt war, konnten sie sofort gepflanzt werden und waren in der Regel verarbeitet, bis die nächste Lieferung kam. Bis kurz vor Weihnachten waren 90 % der versprochenen Bäume geliefert. Die letzten zwei Lieferungen kamen im April 2011 und mittlerweile sind über 150 verschieden Arten und Sorten auf einer Fläche von nahezu 2 Hektar in etwas variierenden Abständen (7 mal 7, 6 mal 6, schwach wachsende Sorten noch enger) gepflanzt und können von interessierten Fachleuten begutachtet und direkt miteinander verglichen werden.
Folgende Baumschulen haben durch Spenden von Bäumen das beschriebene Projekt überhaupt erst ermöglicht:
- Baumschule Arbor, Belgien
- Baumschule Brossmer, Ettenheim
- Baumschule Bruns, Bad Zwischenahn
- Baumschule Ebben, Niederlande
- Baumschule Lappen, Nettetal-Kaldenkirchen
- Baumschule Lorberg, Brandenburg
- Baumschule Lorenz von Ehren, Hamburg
- Baumschule Messerle, Hochdorf
- Baumschule Punzmann, Windischeschenbach
- Baumschule Van den Berk, Niederlande
- Baumschule Vannucci, Italien
- Baumschule von Falkenhayn, Bad Zwischenahn
- Baumschule Weiglein, Wiesentheid
- Baumschule Wörlein, Diessen
Ein ganz herzlicher Dank an alle Betriebe für die gespendeten Bäume. Die Zusammenarbeit war sehr konstruktiv und erfolgte in einer freundschaftlichen Atmosphäre. Wir hoffen, das in uns gesetzte Vertrauen erfüllen zu können!
Die im Versuchsbetrieb verwendeten Bäume
Ausblick
Die Entwicklung der Versuchsbaumarten und Eignung als zukünftige Stadtbaumarten wird regelmäßig mit Hilfe von Vitalitätsbonituren, Zuwachsmessungen sowie Bonituren auf Schädlingsbefall und Erkrankungen bis zum Jahr 2025 überprüft. Dadurch soll geklärt werden, welche der Arten bzw. Sorten vorausschauend kultiviert und künftig gepflanzt werden sollten, um der erwarteten Klimaveränderung in den kommenden Jahrzehnten erfolgreich zu begegnen und der Praxis zukunftsträchtige Stadtbäume zur Verfügung zu stellen.
Ginkgo biloba - einer der Hoffnungsträger
Bäume in einer Baumschule, hier Metasequoia in Holland
Das Konzept funktioniert natürlich nur, wenn die mühsam angezogenen Pflanzen letztendlich auch vom Landschaftsarchitekten, Galabauern oder sonstigen Entscheidungsträgern abgenommen sprich gepflanzt werden. Das bedeutet auch hier eine größere Flexibilität in der Pflanzenverwendung. Deshalb kommt der Informationsvermittlung über die veränderten Bedingungen eine herausragende Bedeutung zu.
Das kostet Zeit und sehr viel Geld, wer übernimmt das Risiko? Aber ist das wirklich nur das Problem des einzelnen Baumschulers oder ist es nicht sogar eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns alle betrifft? An dieser Stelle muss hinterfragt werden, welche politischen bzw. gesellschaftlichen Aktivitäten diesbezüglich möglich sind.
Der Klimawandel ist für die Baumschule und den Garten- und Landschaftsbau eine große Herausforderung aber auch eine Riesenchance. Es gibt viel zu tun - packen wir´s an!