Verzicht auf Wuchshemmstoffe möglich?
Bewurzelung von Petunia und Calibrachoa mit dem Ziel des Verzichts auf Wuchshemmstoffe

Calibrachoa
Die Stecklingsbewurzelung für das Beet- und Balkonpflanzen-Sortiment im Frühjahr erfordert aufgrund der hiesigen Witterungsverhältnisse zwingend eine Zusatzbelichtung. Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades in der Produktion und der Fertigung ist eine einheitliche Jungpflanzenqualität (RC) erforderlich. Dieses Ziel lässt sich oft nur durch den Einsatz von Wuchshemmstoffen erreichen. Versuche an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) haben ergeben, dass durch eine Assimilationsbelichtung mit hellrotem Licht (660 nm) eine kompaktere Pflanze produziert werden kann. Aufgrund dieses Phänomens soll in diesem Versuch getestet werden, ob der Hemmstoffeinsatz durch die Belichtung mit hellrotem Licht vermindert oder gar ganz eingestellt werden kann.

Ergebnisse - kurzgefasst

Durch eine zusätzliche Belichtung der Vermehrungskulturen kann die Kulturzeit sehr stark verkürzt werden. Ebenso ist eine Reduzierung oder der Verzicht auf Hemmstoffeinsatz unter Einsatz von LED-Lichtstrategien möglich. Zu beachten ist jedoch, dass die Sorten hinsichtlich des Streckungswachstums unter unterschiedlichen Belichtungsvarianten nicht einheitlich reagieren.
Bei Bewurzelungskulturen von Petunia wurde unter roten LEDs im Vergleich zu Natriumdampf-Hochdrucklampen ein wuchshemmender Effekt beobachtet. Die Bewurzelung war etwas geringer, jedoch in einem tolerierbaren Bereich. Der wuchshemmende Effekt bei den getesteten Calibrachoa-Sorten ist nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei den Petunien. Die Bewurzelung hingegen war zwischen allen getesteten Belichtungsvarianten vergleichbar.

Ergebnisse im Detail

Ergebnisse der Petunien

In Abbildung 1 sind die Ergebnisse des Streckungswachstums der verwendeten Petuniensorten dargestellt.
Gut zu erkennen bei den Sorten Petunia ˈNight Skyˈ, Petunia ˈSwirl Cherry Bananaˈ und Petunia ˈDeluxe Lilac Picotee evol.ˈ, ist die im Vergleich zur Behandlung mit der Natriumdampf-Hochdrucklampe (HPS) und der LED-Variante - Mix, kompaktere Wuchsform unter rotem Licht. Bei der Sorte ˈFamous Raspberry Starˈ war dieser Effekt etwas geringer ausgeprägt.
Die unbelichtete Varainte ist am kompaktesten, zeigt jedoch auch kaum Wurzel oder Sprosswachstum (Abbildung 2).
Abbildung 2 (A, B, C, und D) zeigt exemplarisch den Sprossaufbau und die Wurzelbildung der Sorten. Gut zu erkennen ist, dass das Wurzelwachstum durch die Belichtung gefördert wird. Bereits nach 13 Tagen sind die belichteten Pflanzen gut bewurzelt und beginnen mit dem Sprossaufbau, zudem bilden die Wurzeln aller belichteten Sorten im Unteren Bereich bereits die Form des Trays nach. Die unbelichteten Pflanzen hingegen zeigen kein Sprosszuwachs oder Wurzelwachstum.
Der Vergleich zwischen der LED Variante „Mix“ und der Natriumdampf-Hochdrucklampe zeigt kaum Unterschiede hinsichtlich des Wurzel- und Sprosswachstums auf. Die rot belichtete Variante hingegen ist weniger stark bewurzelt als die „Mix“- oder „HPS“-Variante, jedoch angemessen genug, insbesondere im Hinblick auf die kompaktere Wuchsform des Sprosses.
Übersicht der Pflanzenhöhe bei Petunia

Abbildung 1

Ansicht der Petuniensorte

Abbildung 2

Ergebnisse der Calibrachoa

Abbildung 3 stellt die Pflanzenhöhe der Calibrachoa dar. Die Sorten ˈMiniFamous Neo True Yellowˈ und ˈMiniFamous Double Blueˈ zeigen unter rotem Licht eine ähnliche Reaktion wie die Petunien, sie blieben etwas kompakter.
Die Sorten ˈMiniFamous Neo Royal Blue 16ˈ und ˈRave Cherryˈ hingegen zeigen kaum einen Unterschied zur Natriumdampf-Hochdrucklampe. Lediglich die unbelichtete Variante bleibt kompakt, zeigt aber ebenfalls wie die Petunien keinen Sprosszuwachs und kaum Wurzelwachstum.
Abbildung 4 (A, B, C und D) zeigt den Sprossaufbau und die Bewurzelung der Calibrachoa-Sorten. Alle Sorten, die einer zusätzlichen Belichtung ausgesetzt waren, haben, sowohl im Aufbau des Sprosses, als auch in der Bewurzelung einen wesentlichen Vorsprung gegenüber den unbelichteten Pflanzen. Die Bewurzelung war unter allen Belichtungsvarianten vergleichbar gut.
Nach 19 Tagen Kulturzeit kann eine angemessene Jungpflanzenqualität erreicht werden. Lediglich die unbelichtete Variante ist mit der Wurzelbildung und dem Sprosswachstum langsamer. Auch bei den Calibrachoa-Sorten konnte beobachtet werden, dass die Wurzeln im unteren Bereich begannen die Form des Trays anzunehmen.
Übersicht der Pflanzenhöhe der Calibrachoa

Abbildung 3

Ansicht der Calibrachoasorten

Abbildung 4

Kultur- und Versuchshinweise

Die unterschiedlichen Petunien- und Calibrachoa-Sorten wurden von der Firma Selecta One (Stuttagart, Deutschland) bezogen und in Woche 44 gesteckt. Dazu wurde das Jungpflanzensystem Aero NT 104 (Omni Solutions GmbH, Straelen, Deutschland) verwendet.
In den ersten 5 Tagen wurden die Stecklinge unter einer Folie kultiviert, um eine möglichst hohe Luftfeuchtigkeit zu erreichen (~90 %). Die Temperatur während der Versuchsdauer betrug 22 °C. Die Pflanzen wurden für 16 Stunden von 05:00 bis 21:00 Uhr bei durchgehender Belichtung mit ~120 µmol·m-2·s-1 kultiviert.
Als Versuchsvarianten wurde eine unbelichtete Variante, eine rot belichtete (660 nm) Variante, und eine Mix-Variante (Rot mit 660 nm, Blau mit 440 nm und Weiß mit 4000 K) verwendet. Diese Lichtfarben wurden mit Hilfe einer programmierbaren LED-Leuchte, dem Produktionsmodul III umgesetzt (DH Licht, Wülfrath, Deutschland).
Zum Vergleich mit der herkömmlichen Belichtung diente eine Natriumdampf-Hochdrucklampe (Gehäuse: MGR 400 SONT, Philips, Hamburg, Deutschland; Leuchtmittel: Master Agro 400 W, Philips, Hamburg, Germany), sowie eine unbelichtete Variante.
Zur Düngung wurde zweimal wöchentlich 1 g L-1 Wuxal Super (Manna, Ammerbuch-Pfäffingen, Deutschland) eingesetzt.
Insgesamt wurden 3 Wiederholungen je Behandlung durchgeführt. Pro Wiederholung wurden 24 Pflanzen zur Versuchsauswertung vermessen.
Die Länge der Pflanzen wurde von der Basis (oberer Rand des Erdpressballens) bis zur Vegetationsspitze gemessen.

Kritische Anmerkungen

Die Bewurzelung der Stecklinge war nahezu unter allen Belichtungsvarianten ähnlich, jedoch ist sie nicht nur von der Zusatzbelichtung abhängig, sondern auch der Zustand der Mutterpflanzen, dem Ort an der Mutterpflanze, wo die Stecklinge entnommen wurden, sowie der allgemeine Versorgungszustand der Stecklinge spielt bei der Bewurzelung eine große Rolle.
Dennoch besteht für einige Sorten die Möglichkeit durch den Einsatz von hellrotem Licht eine gute Pflanzenqualität ohne den Einsatz von Hemmstoffen zu erreichen.
Weitere Versuche mit unterschiedlichen Lichtintensitäten und weiteren Sorten sollten durchgeführt werden um zukünftig eine neue und hemmstoffarme Kulturmethode zu entwickeln.