Kompetenzzentrum Ökogartenbau
Artenevaluierung möglicher Arten für das additive Intercropping
Im ökologischen Gartenbau spielen Biodiversität und die Förderung einheimischer Nutzinsekten eine zentrale Rolle im Pflanzenschutzkonzept. Um die Effizienz etablierter Blühflächen zur Nützlingsförderung weiter zu verbessern, wurde eine Artenevaluierung zum additiven Intercropping als zusätzlicher Baustein gestartet. Das Kompetenzzentrum Ökogartenbau konzentriert sich darauf, bestehende Methoden zu verbessern und geeignete Arten für das additive Intercropping zu finden.
Additives Intercropping in der Theorie
Additives Intercropping bezieht sich auf die Praxis, zusätzlich zu den Hauptnutzpflanzen gezielt Arten anzubauen, um Nützlinge anzulocken und deren Effekte auf Schädlinge zu nutzen. Diese werden aber nicht in Mischungen angebaut, sondern gezielt als Solitärpflanze in einen großen Nutzpflanzenbestand integriert.
Diese zusätzlichen Pflanzen dienen als Lockpflanzen und bieten Nahrung und Lebensraum für nützliche Insekten wie Bestäuber oder Raubinsekten innerhalb eines großen Kulturbestandes. Durch die Intercroppingpflanzen wird eine grüne Brücke gebildet, die vor allem kleineren und weniger mobilen Arten ein Habitat gibt und somit gezielt in den Bestand lockt. Besonders Marienkäfer, kleine Schlupfwespen- und Käferarten können so gezielt am Ort des Geschehens leben und Schädlingen Angriff bieten. Durch diese Methodik lassen sich Pflanzenschutzmaßnahmen reduzieren, da eine natürliche und nachhaltige Schädlingsbekämpfung gefördert wird und eine Vielfalt in der Landschaft kann sichergestellt werden.
In der Nützlingsmanagementstrategie für den Gartenbau bildet das additive Intercropping eine dritte Säule und ergänzt Blühkonzepte zu einjährig und mehrjährig kultivierten Flächen.
Säule 1 | - strukturreiche Wildhecken - artenreiche Feldraine - mehrjährige Blühmischungen - extensiv genutzte landwirtschaftliche Wiesen - Streuobstbäume bzw. Streuobstwiesen | Überwinterungsquartier für Nützlinge als dauerhafter naturbelassener Rückzugsort |
Säule 2 | - einjährige Blühmischungen am Feldrand (diese können gesät oder gepflanzt sein und sollten im Unkrautmanagement berücksichtigt werden) - kurze Gründüngungsmischungen mit schnell verfügbaren Blüten der Leguminose | Kurzfristige Rückzugsmöglichkeit in der Saison, artenreiche Mischungen mit viel frischen Pollen- und Nektaranteilen |
Säule 3 | - additives Intercropping mit Habitatpflanzen | Nutzung ausschließlich während der Kulturzeit der Nutzpflanze als Solitärpflanze im Bestand |
Anforderungsprofil der Intercrop-Pflanzen
Die Auswahl der geeigneten Intercroppingpflanze erfolgt nach verschiedenen Aspekten. Zuallererst soll diese möglichst unattraktiv für Problemschädlinge wirken. Die Kulturpflanze darf durch die Auswahl keinen Nachteil erleiden. Somit muss die Solitärpflanze die Anbautechnik in Bewässerung, Düngung und Platzbedarf der Kulturpflanze „akzeptieren“. Generell werden familienfremde Arten genutzt. Im Kohlanbau wird ausnahmsweise beim Steinkraut auf dieselbe Pflanzenfamilie gesetzt, da der Nutzen aufgrund der hohen Pollen- und Nektarwirkung deutlich größer ist. Unkräuter sind auf der Kulturfläche unerwünscht, weshalb die Intercrop-Pflanze keine schwer bekämpfbaren Samen in die Kulturfläche einbringen darf. Am wichtigsten ist für viele Betriebe das Handling. Die solitär gepflanzten Blüharten sollen ohne großen Aufwand in die Fläche integriert werden. Wünschenswert wäre, wenn diese bei der Pflanzung mit über die Pflanzmaschine eingesetzt werden kann. Geprüft werden kann außerdem eine Direktsaat nach der Pflanzung der Hauptkultur als Horst in größeren Abständen.
Neben den Anforderungen seitens des Betriebs sind die Attraktivitäten für Nützlinge entscheidend. Gerade hier zeigt sich die Komplexität dieses Verfahrens. Blühpflanze und Nützling müssen bestenfalls auf lange Sicht zusammenfinden, weshalb die Eigenschaften hinsichtlich Blütenmorphologie und die Produktion von Pollen und Nektar eine Beachtung finden müssen. Nicht jede Pflanze bietet eine Nahrungsquelle für jedes Insekt. Viele Insekten sind spezialisiert.
Artenevaluierung am Gemüsebauversuchsbetrieb
Ziel des Vorhabens war es, Anbauerinnen und Anbauern eine Empfehlung zu möglichen Blühpflanzen innerhalb des additiven Intercroppings zu geben und das Betriebshandling des Systems zu verbessern.
Erste Eindrücke und Ergebnisse
Der Versuch wurde am 22.05.2023 gepflanzt (Saat der Jungpflanzen zur Vorkultur am 27.04.2023, bzw. Varianten 1 und 19 am 20.04. in 4er-Erdpresstöpfe).
Die Direktsaat erfolgte am 22.05.2023.
Nummer | Intercropping-Art | botanische Bezeichnung | Blühbeginn Pflanzvariante (Tage nach Saat im Erdpresstopf) | Blühbeginn Sävariante (Tage nach der Direktsaat am 22.05.) |
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1 | Wiesensalbei | Salvia pratensis | 137 (blüht nur sehr vereinzelt) | keine Saat |
2 | Großer Duft-Steinrich/Steinkraut | Lobularia maritima var. Benthamii | 39 | 40 |
3 | Duft-Steinrich/Steinkraut | Lobularia maritima 'Tiny Tim' | 39 | 40 |
4 | Dill | Anethum graveolens | Ausfall | 57 |
5 | Kornblume | Centaurea cyanus | 41 | 43 |
6 | Roter Lein | Linum grandiflorum | 60 | 44 |
7 | Echter Buchweizen | Fagopyrum esculentum | 37 | 31 |
8 | Färberdistel | Carthamus tinctorius | 78 | 54 |
9 | Schwedenklee | Trifolium hybridum | 56 | keine Blüte |
10 | Koriander | Coriandrum sativum | 56 | 50 |
11 | Teefenchel | Foeniculum vulgare | 101 | 106 |
12 | Echter Kerbel | Anthriscus cerefolium | Ausfall | Ausfall |
13 | Ringelblume | Calendula officinalis | 56 | 42 |
14 | Öllein | Linum usitatissimum | 46 | keine Saat |
15 | Persischer Klee | Trifolium resupinatum | 57 | 47 |
16 | Gewöhnlicher Hornklee | Lotus corniculatus | 65 | 50 |
17 | Gelbklee | Medicago lupulina | 68 | keine Saat |
18 | Winterroggen | Secale cereale | keine Blüte | keine Blüte |
19 | Inkarnat-Klee | Trifolium incarnatum | 102 | 106 |
20 | Phacelia | Phacelia tanacetifolia | 48 | 39 |
21 | griechischer Oregano | Origanum heracleoticum | 68 | keine Blüte |
IST-Stand Mitte Juli 2023
Die meisten Blühpflanzen stehen nun in voller Pracht. Bereits zu Beginn konnten ein paar gewählte Arten aussortiert werden, da diese bereits direkt nach der Pflanzung zu stark von Läusen befallen waren. Dies betraf im Versuch hauptsächlich die Kräuterarten. Auf eine Lausbehandlung wurde verzichtet.
Die erste Blüte konnte eine Woche nach der Pflanzung, wie erwartet, beim Steinkraut entdeckt werden. Viele Kleearten kamen spät in die Blüte. Die Färberdistel entwickelt sich gut, kommt aber ebenfalls sehr spät in die Blüte. Der nektarreiche Öllein blühte frühzeitig, stellte aber früh die Blütenproduktion ein, um in die Samenbildung zu gehen.
Weitere Entwicklung des Bestandes bis zum Herbst
Die Entwicklung des Blühpflanzenbestandes wurde bis Ende Oktober 2023 beobachtet und dokumentiert. Dabei gab es nicht nur Abweichungen zwischen den einzelnen Arten, sondern auch die gepflanzten und gesäten Varianten entwickelten sich teilweise unterschiedlich.
Sehr positiv präsentierte sich das Steinkraut. Beide Arten blühten bis Mitte Oktober kräftig und wirkten durchgängig vital. Erst Ende Oktober wurde die Blüte eingestellt. Im direkten Vergleich wirkte die Sorte 'Tiny Tim' im Wachstum etwas schwächer als die Sorte 'benthamii'. Auch bei Insekten war das Steinkraut sehr beliebt. Während bei der Kornblume das Blühende in der Pflanzvariante bereits in der ersten Augustwoche zu verzeichnen war, blühte die Sävariante bis Ende August. Auch die Kornblume zog mit ihren auffälligen Blüten vor allem Bienen, Hummeln und Schwebfliegen an. Beim roten Lein waren Anfang August in der gesäten Variante deutlich mehr Blüten zu verzeichnen als in der gepflanzten Variante. Mitte September waren die Pflanzen dann weitestgehend verblüht und begannen abzutrocknen. Die gepflanzten Ringelblumen gingen bereits Anfang August langsam in die Samenproduktion über, während die gesäte Variante noch blühte. Anfang September waren nur noch einzelne Restblüten zu sehen und die Pflanzen waren überwiegend abgetrocknet.
Ähnlich verhielt es sich bei Phacelia. Um den 20. August herum war die Phacelia vollständig verblüht, auch wenn die Blüte der Sävariante länger anhielt als bei der gepflanzten Fläche. Auffällig war auch, dass der Unkrautdruck in der gepflanzten Variante höher war als auf der gesäten Fläche. Bei der Färberdistel setzte das Blühende Mitte August relativ früh ein und bis Ende des Monats waren die Pflanzen abgetrocknet. Etwas länger hielt hingegen der Buchweizen durch, welcher die Blüte erst Anfang September vollständig einstellte. Auffällig war hier, dass die ausgesäte Variante deutlich kräftiger im Wachstum war und insgesamt vitaler wirkte als die gepflanzte Variante.
Die Kleesorten entwickelten sich in diesem Versuch unterschiedlich. Während Schwedenklee und Gelbklee vom Wachstum her kräftig waren und sehr dicht wuchsen, war das Wachstum beim Inkarnatklee eher schwach und er kam nur sehr vereinzelt in die Blüte. Der Schwedenklee war bei Insekten sehr beliebt, vor allem bei Hummeln, und blühte bis ca. Ende August. Anfang September war er abgeblüht und wurde von Mehltau befallen. Der Gelbklee blühte länger als der Schwedenklee, erst Ende September waren keine Blüten mehr zu sehen. Auch der Gelbklee wurde viel von Insekten besucht. Weniger wüchsig präsentierten sich Hornklee und persischer Klee. Bei beiden Arten setzte das Blühende bereits Anfang August ein, und Wachstum und Blüte waren schwächer als bei Schwedenklee und Gelbklee. Insgesamt wirkten bei den Kleearten die gesäten Varianten vitaler und wüchsiger als die ausgepflanzten Varianten.
Auch bei den Kräutern waren große Unterschiede zwischen einzelnen Arten zu verzeichnen. Während Wiesensalbei und Dill erst Ende August bis Anfang September schwach und nur sehr vereinzelt blüten, erwiesen sich Fenchel und griechischer Oregano als vielversprechendere Arten. Der Fenchel begann ca. in der dritten Augustwoche zu blühen, die Hauptblüte lag im September. In dieser Phase lockten die Pflanzen mit ihrem intensiven Duft viele Insekten an, darunter vor allem auch Schwebfliegen. Bis in den Oktober hinein waren noch einzelne Blütenstände zu sehen und die Pflanzen wirkten vital. Beim griechischen Oregano öffneten sich die ersten pink - weißen Blüten Anfang August. Bis Anfang September wirkten die Pflanzen vital, dann wurde das Wachstum schwächer und die Pflanzen wurden zunehmend vom Durchwuchs verdrängt. Beim Koriander standen die Pflanzen in der gesäten Variante in der ersten Augustwoche noch in voller Blüte und wuchsen sehr dicht, während die ausgepflanzte Variante bereits verblüht und abgetrocknet war. Anfang September war der Koriander vollständig verblüht. Der Roggen kam nicht zur Blüte. Insgesamt wirkten die Pflanzen mittelmäßig vital, in der Sävariante wurden weniger Ähren ausgetrieben als in der gepflanzten Variante.
Fazit und Ausblick
Um das Konzept des „additiven Intercroppings“ effizient umsetzen und in die eigenen Anbaupraktiken integrieren zu können, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden.
Die Auswahl geeigneter Arten, welche als Intercroppingpflanzen gezielt in den Bestand eingebracht werden sollen, um Nützlinge anzulocken und in der Fläche zu halten, spielt hier eine zentrale Rolle. Die Ergebnisse dieses ersten Versuchs zur Artenevaluierung zeigen, dass es grundsätzlich viele interessante Arten gibt, die für das Konzept in Frage kommen. Die unterschiedlichen Blühzeitpunkte der Arten und die unterschiedliche Dauer der Blüte sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden. Generell möchte man ein möglichst langanhaltendes Blütenangebot für die Nützlinge schaffen, aber auch die Attraktivität einzelner Pflanzen für bestimmte Insektenarten spielt eine Rolle, wenn bestimmte Nützlingsarten gezielt gefördert werden sollen. Die Ergebnisse des Versuchs zeigen, dass die Entscheidung zwischen Aussaat oder Auspflanzung der Intercroppingpflanzen nicht nur die Blühzeitpunkte beeinflusst, sondern sich auch auf die Vitalität einzelner Pflanzen auswirken kann. Bei der Aussaat kommen viele Arten später in die Blüte als bei der Auspflanzung, blühen dafür aber teilweise bis später ins Jahr hinein. Welche Blühzeitpunkte hier geeignet sind, hängt von der jeweiligen Gemüsekultur und dem Zeitpunkt des Auftretens der Hauptschädlinge ab. Die Aussaat der Intercroppingpflanzen hat den Vorteil, dass die Jungpflanzen nicht vorgezogen werden müssen. Zusätzlich präsentierten sich einige Arten wie z.B. der Buchweizen in der ausgesäten Variante vitaler und kräftiger im Wachstum, die Blütezeit verschob sich in der Anbausaison weiter nach hinten. Als vielversprechend erwiesen sich in diesem Versuch Arten wie Steinkraut, Kornblume, roter Lein oder Phacelia. Weniger geeignet schienen einige der Kräuterarten, wie beispielsweise Wiesensalbei und Dill. Bei den Kleearten deuten die Erfahrungen in diesem Versuch darauf hin, dass Schwedenklee und Gelbklee tendenziell besser für das additive Intercropping geeignet sein könnten als Hornklee oder persischer Klee. Die Kleearten kamen in der gesäten Variante besser zurecht als in den gepflanzten Varianten.
Welche Arten letztendlich für ein Intercropping-System sinnvoll sein können, hängt nicht nur von den Eigenschaften einzelner Pflanzenarten ab, sondern auch von den Gegebenheiten vor Ort, den Anbaubedingungen, der Hauptkultur und dem Schädlingsdruck und sollte individuell betrachtet werden.
Für 2024 plant das Kompetenzzentrum Ökogartenbau die Fortführung eines Versuchs zum Thema Intercropping auf einem Praxisbetrieb, bei dem geeignete Arten gezielt in die Kulturfläche eingebracht werden und das Handling und die konkrete Umsetzung des Systems im Betrieb im Vordergrund stehen soll. Um die Attraktivität einzelner Pflanzenarten für bestimmte Nützlinge und deren Vorkommen und Verteilung im Intercropping System sowie deren Auswirkung auf den Schädlingsdruck besser dokumentieren zu können, wird im Folgejahr die Zusammenarbeit mit dem Tierökologie Lehrstuhl einer Universität angestrebt.