Biodiversität
Lebensraum Weinberg

purpur blühende Malve in  grüner Rebgasse
Verschiedenste Untersuchungen und Erfahrungen zeigen, dass Weinberge mit blühenden Begrünungen und vielfältig strukturiertem Umfeld reich gegliederte Lebensräume bieten. Ausserdem bieten sich dadurch reizvolle Landschaften mit abwechslungsreicher Fauna und Flora, die attraktiv für Vermarktung und Tourismus sind.
Weinberge können, obwohl es sich hier um bewirtschaftete Kulturflächen handelt, einer Reihe vor allem mediterran geprägter Tierarten als Biotop dienen, deren natürlicher Lebensraum zunehmend gefährdet ist. Voraussetzung ist natürlich eine möglichst umweltschonende Bewirtschaftung der Flächen und eine strukturreiche Umgebung, wie beispielsweise Hecken oder Mauern, die für die Überwinterung vieler Tiere von Bedeutung sind.

Vortrag zu Biodiversität im Weinberg (2012)

Weinbergklima und daran angepassten Bewohner

Extreme klimatische Bedingungen

Die Südhänge des Maintals sind typische Trockenhänge, wo Bodentemperaturen von bis zu 60°C im Sommer keine Seltenheit sind. Hier leben Pflanzen und Tiere, die an die extremen Temperaturschwankungen zwischen hohen Tag- und niedrigen Nachttemperaturen und die herrschende Wasserknappheit im Sommer gut angepasst sind. Auch die südexponierten Rebhänge sind solche Trockenhabitate mit ähnlich extremen Klimabedingungen: Wie die Grafik zeigt, erreichen die Bodentemperaturen im Verlauf eines Maitages in einem exponierten Steilhang wesentlich höhere Spitzenwerte als in einem Waldstück.

Wärme liebende Tiere im Weinberg

Ein hoher Anteil der hier lebenden Insekten- und Spinnenarten ist wärme- und trockenheitsliebend; entsprechend liegt das Hauptverbreitungsgebiet vieler dieser Arten im Mittelmeerraum: 70% der in einem Weinberg gefangenen Spinnen- und Laufkäferarten bevorzugen trockene Habitate; ein Viertel der Laufkäferarten ist sogar ausschließlich an reinen Trockenstandorten wie Trockenrasen, Kalktriften oder Steppenheiden und eben in Weinbergen zu finden. Darunter fallen auch gefährdete Arten wie der kleine Bombardierkäfer (Brachinus explodens), der aufgrund seiner engen Bindung an ausgeprägte Trockenstandorte, die in den letzten jahren anthropogen bedingt immer mehr abgenommen haben, als stark rückläufig eingestuft wird (Bayerische Rote Liste). Der Blaue Bartläufer (Leistus sinibarbis), der sehr ähnliche Lebensraumansprüche wie der Kleine Bombardierkäfer hat, galt in Bayern seit 1900 als ausgestorben, aber scheint sich nun wieder in Ausbreitung zu befinden.
Singzikade - Der Lauer (Tibicina haematodes)
Weinberge können also, obwohl es sich hier um bewirtschaftete Kulturflächen handelt, einer Reihe vor allem mediterran geprägter Tierarten als Biotop dienen, deren natürlicher Lebensraum zunehmend gefährdet ist. Voraussetzung ist natürlich eine möglichst umweltschonende Bewirtschaftung der Flächen und eine strukturreiche Umgebung, wie z.B. Hecken oder Mauern, die für die Überwinterung vieler Tiere von Bedeutung sind. So hat z.B. der „Lauer“ (Tibicina haematodes), die einzige große Singzikade in unseren Breiten, nach der Flurbereinigung stark abgenommen und ist akut vom Aussterben bedroht.

Weinbergbewohner

Biodiversität im Weinbau
Rotflügelige Ödlandschrecke Oedipoda germanica

Rotflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda germanica) auf einer Blüte sitzend

Die Rotflügelige Ödlandschrecke - ein Juwel in Frankens Weinbergen - ist eine vom Aussterben bedrohte Art, die auf Muschelkalkstandorten ein passendes Habitat gefunden hat. Wichtig sind schüttere, trockenrasenartige Begrünungen und steinige Bereiche.  Mehr

Kleiner Perlmuttfalter (Issoria lathonia)
Sonnenbadegast im Weinberg

Ein Kleiner Perlmuttfalter sitzt mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Weinbergboden.

Mit der Zeitumstellung hat auch das Wetter den Uhrzeiger auf Herbst gedreht. Daher die kommenden Sonnenstunden nutzen, und den Vitamin-D-Speicher für die dunkle Jahreszeit auffüllen. Und vielleicht lassen sich beim Spaziergang durch die herbstlich gefärbte Reblandschaft auch ganz besondere Sonnenbadegäste bewundern.  Mehr

Biodiversität
Was ist das denn? - merkwürdige Weinbergsbewohner

festsitzende Larve oder Puppe eines Echten Sackträgers in einer Art Köcher der aus trockenen Pflanzenresten zusammengeklebt wurde.

Vor allem beim Rebschnitts und während des Niederziehens fallen immer wieder merkwürdige Gebilde, an alten Ranken, am Rebholz, am Spanndraht oder am Stickel auf, die wie zusammengeklebte Ästchen, trockene Pflanzenstängel oder Holzstückchen wirken.   Mehr

Weinbergblüten

Der Weinberg als Lebensraum bedrohter Pflanzenarten
"Hackflora" - Raritäten im Weinberg fördern

Alter Weinberg mit Reben in Pfahlerziehung und einer Begrünung durchsetzt von Weinbergsträubeln und Weinbergstulpen

Die „Hackflora“ mit Weinbergstulpe, Weinbergsträubel u.a. profitierte jahrhundertelang von der gleichbleibenden, manuellen Hackbewirtschaftung der Rebgassen, die den Boden lockerte und gleichzeitig Konkurrenz durch andere Pflanzen ausschloss.  Mehr

Forschungsarbeiten

Laufkäfer im Weinberg

Grün mit weißen Punkten gefärbter Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris) auf Rebschnittholz in der Begrünung
Eine Begrünung im Weinberg kann die Biodiversität und damit die Artenvielfalt der dort lebenden Nützlinge fördern und zu einer deutlichen Reduktion der Schädlinge führen. Ob eine ganzjährige Begrünung auch in niederschlagsarmen Weinbaugebieten mit weniger als 600 mm Niederschlägen im Jahresmittel zu einer Förderung der Nutzorganismen führt, untersuchte die vorliegende Arbeit.

Laufkäfer im Weinberg

Wanzenvielfalt im Weinberg

Rotbeinige Baumwanze, ein seltener Besucher in den WeinbergenZoombild vorhanden

Rotbeinige Baumwanze

In einer Diplomarbeit an der Julius Maximilian Universität Würzburg wurde am Beispiel der Taxozönose der Wanzen (Heteroptera) untersucht, ob die Artengemeinschaft im allgemeinen und gefährdete und weinbaulichrelevante Arten im besonderen durch eine ökologisch ausgerichtete weinbauliche Bewirtschaftungsweise oder durch naturnahe Landschaftselemente im Rebgelände im Sinne der Biotopvernetzung profitieren. Ein wesentlicher Teil dieser Untersuchungen befasste sich mit dem Einfluss der Bodenvegetation auf die Artenstruktur und die Individuenzahl der Wanzenfauna in den Rebflächen.

Auswirkungen der Begrünung auf die Wanzenfauna pdf 145 KB

Die natürlichen Feinde der Reblaus

Von nahezu allen Schädlingen der Rebe sind natürliche Feinde bekannt, die in irgendeiner Weise die verschiedenen Stadien der Schädlinge attackieren und vernichten können. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden nicht nur sehr viele ökologische Grundlagen des Wirkungsgefüges zwischen Schädlingen und Nützlingen an den Reben erarbeitet, sondern auch für die Weinbaupraxis regelrecht nutzbar gemacht. Die Raubmilbe Typhlodromus pyri ist in dieser Hinsicht geradezu zu einem Paradebeispiel geworden.

Die natürlichen Feinde der Reblaus pdf 389 KB

Borkenkäferbefall an Weinreben

In einer geschwächten Rebanlage im nordwestlichen Maindreieck wurde starker Borkenkäferbefall festgestellt. In den befallenen Reben wurden zwei Arten nachgewiesen: der Ungleiche Holzbohrer (Xyleborus dispar) und der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus), der deutlich dominierte. Diese Art tritt damit zum ersten Mal als Schädling in europäischen Weinbaugebieten auf. Während der Ungleiche Holzbohrer über Alkoholköderfallen quantitativ abgefangen werden konnte, hatten die Fallen eine wesentlich geringere Attraktivität auf den Schwarzen Nutzholzborkenkäfer und eigneten sich lediglich zu seiner Flugüberwachung.

Borkenkäferbefall an Weinreben pdf 370 KB

Einfluss von Begrünungsformen auf die faunistische Vielfalt in fränkischen Weinbergen von C. Brauns

  • Ein dauerhafter Bewuchs mit blühenden Pflanzen, der nicht flächig im ganzen Weinberg sein muss, bietet verschiedensten und zahlreichen Tierarten einen Lebensraum
  • Zu den beobachteten Tiergruppen gehörten viele Nützlinge, wie Käfer, Wanzen, Spinnen, Schlupfwespen und Netzflügler

"...Vergleichende Untersuchung faunistischer und betriebswirtschaftlicher Parameter praxisüblich und ökologisch erzeugender Weinbaubetriebe" Dissertation von A. Götzke

  • ökologischer Weinbau führte bei allen untersuchten Tiergruppen außer Heuschrecken zu größerer Artenvielfalt
  • Nützlinge werden durch eine Begrünung gefördert
  • artenreiche Dauerbegrünungen sollten zumindest an einigen Standorten ganzjährig verfügbar sein
  • Pflanzenschutz nur mit nützlingsschonenden Mitteln

"Raubmilbenprojekt" von C. Brauns

  • In Franken überwiegend Typhlodromus pyri
  • optimal sind 1 - 2 Raubmilben je Rebblatt
  • in Franken ist dies selten, da die Laubwände meist zu locker gestaltet sind und somit die notwendige Luftfeuchte fehlt
  • Raubmilben fördern durch: frühzeitige Ansiedlung in Junganlagen am besten über ausgebrochene Triebe aus gut besetzten Anlagen
  • Raubmilben fördern durch: blühende Begrünungen mit hohem Pollenanteil, da Pollen wichtiger Nahrungsbestandteil vor allem in Zeiten mit geringen Schädlingszahlen
  • Raubmilben fördern durch: Raubmilben schonende Spritzfolgen

"Faunistische und pflanzenbauliche Untersuchungen bei unterschiedlichen Bodenbewirtschaftungssystemen auf ausgesuchten Standorten in Franken" von F. Dietrich

  • um vielfältige Lebensräume für unterschiedliche Tiergruppen / Nützlinge zu schaffen bedarf es einer vielfältig strukturierten Begrünung mit reichem Blütenangebot
  • eine für die Nützlinge schonende Bearbeitung der Begrünung erfolgt durch Walzen

Die grüne Rebzikade - Natürlichen Feinden auf der Spur von J.V. Herrmann, P. Eichler, K. Guedova; Biologische Bekämpfung der Grünen Rebzikade (Empoasca vitis) durch Förderung antagonistischer Zwergwespenarten (Mymaridae) von S. Böll

  • (k)ein Schädling in Franken
  • zahlreiche Gegenspieler: Räuber und Parasiten
  • Zwergwespen als wichtigste Gegenspieler benötigen Rosen in den Saumstrukturen

Biodiversitätsjahre 2019/2020 – Erzeugung gestalten - Arten erhalten
Vielfalt im Weinberg fördern

Lila-blau blühende Pflanzen auf dem Streifen zwischen Weg und Reben, dahinter stehen die Reben

Die Biodiversität in den Weinbauflächen lebt vom Strukturreichtum der Weinberge. Gerade die trockenheißen Rebhänge bieten einer besonderen Fauna und Flora einen besonderen Lebensraum. Diesen zu erhalten und weiter zu entwickeln ist eine Aufgabe unserer Zeit.  Mehr