Biodiversität im Weinbau
"Hackflora" - Raritäten im Weinberg fördern

Alter Weinberg mit Reben in Pfahlerziehung und einer Begrünung durchsetzt von Weinbergsträubeln und Weinbergstulpen
Anders als in der Tierwelt sind Pflanzenarten natürlicher Trockenstandorte, z.B. fränkischer Trockenrasen, äußerst selten in Weinbergen zu finden. Dies liegt allein schon daran, dass entsprechende Pflanzen an stickstoffarme Böden angepasst sind und bei entsprechender Düngung, wie sie in bearbeiteten Kulturflächen und natürlich auch Rebflächen regelmäßig stattfinden, keine Chancen haben.

Dennoch gibt es eine typische Weinbergsflora bestehend aus wärmeliebenden, mediterranen Frühjahrsblühern, die akut vom Aussterben bedroht ist. Diese sogenannte „Hackflora“ profitierte von der jahrhundertelang gleichbleibenden, manuellen Hackbewirtschaftung der Rebgassen, die den Boden lockerte und gleichzeitig Konkurrenz durch andere Pflanzen, vor allem wesentlich konkurrenzstärkerer Gräser, ausschloss. Außerhalb der Weinberge kamen diese stark angepassten Arten so gut wie nicht vor.
Zur "Hackflora" gehören Schönheiten wie die Weinbergstulpe (Tulipa sylvestris), der Nickende Milchstern (Ornithogalum nutans), die Weinbergs-Traubenhyazinthe (Muscari neglectum), der Weinbergslauch (Allium vineale) und der Acker-Gelbstern (Gagea villosa). Sie geben gerade im Frühjahr den Rebflächen ihren typischen Charakter und bieten den Insekten früh im Jahr ein erstes Nektarangebot. Somit tragen diese im Frühjahr blühenden Geophyten enorm zur positiven Wahrnehmung des Weinbaus bei.

Mit der Flurbereinigung in den 70iger Jahren, die erstmals eine maschinelle Bewirtschaftung der Rebflächen ermöglichte, veränderten sich die Lebensbedingungen dieser Pflanzen dramatisch. Durch den Einsatz von Fräsen wurden in vielen Weinbergen innerhalb von wenigen Jahren sämtliche Zwiebeln dieser Weinbergsarten zerstört. Zusätzlich hatten verstärkter Herbizideinsatz, aber auch die Winterbegrünung der Rebgassen mit Gräsern einen negativen Einfluss auf das Vorkommen dieser Arten. Heute sind alle oben genannten Arten auf der Bayrischen Roten Liste zu finden. Es gibt Bemühungen, diese Hackflora wieder zu etablieren, indem man sie im Unterstockbereich der Reben anpflanzt. Entsprechend darf der erste Herbizideinsatz, so Herbizide gespritzt werden, erst nach dem Abblühen und Einziehen der Blätter erfolgen.

Die Weinbergs-Traubenhyazinthe (Muscari neglectum)

Die blauen Blüten der Traubenhyzinthe aus der Nähe, gut erkennbar die einzelnen Blütchen in den Blütentrauben
Den hübschen blauen Blüten, von denen bis zu 40 Stück am Ende des Blumenstängels in einer Traube stehen, verdanken die Traubenhyazinthen (Muscari) ihre Spitznamen: Bergmännchen, Bauernbübchen oder auch Schlotfeger. Die zu den Spargelgewächsen gehörende Gattung der Traubenhyazinthen kann man zwischen März und Mai an sonnigen und warmen Standorten bewundern.

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Die Weinbergstulpe (Tulipa sylvestris)

Diese Tulpe, die auch Wilde Tulpe oder Waldtulpe genannt wird, stammt aus Südeuropa und kam entweder als Begleiter der Reben oder als Geschenk für die Gärten der Herrscher in unsere Region. Wie in ihrer Heimat bevorzugt die Weinbergstulpe einen sonnigen, warmen Standort gerne auf nährstoffreichen und kalkhaltigen Böden. Somit sind die fränkischen Weinlagen ein idealer Lebensraum für diese Tulpe. Wichtig für ihr Überleben ist die Möglichkeit Samen zu bilden und über die Blätter Energie zu sammeln, also nicht zu früh (vor Anfang Juli) abgemäht zu werden. Genauso wichtig ist die Schonung der Tulpenzwiebel und der Tochterzwiebeln, die durch maschinelle Bearbeitung, vor allem das Fräsen, schnell zerstört sind. Hat sich die Wilde Tulpe aber etabliert, erfreut sie von April bis Mai mit ihren leuchtend gelben Blüten und einem zarten Duft.

Der Weinbergslauch (Allium vineale)

Die auch Weinbergzwiebel oder Rebenlauch genannte Pflanze ist überwiegend im südlichen Europa verbreitet. In Deutschland ist er nur in Weinbaugebieten zu finden. Der Weinbergslauch wird rund 50 cm hoch und blüht von Juni bis August. Dabei werden meist kaum Blüten sondern viele Brutzwiebeln im Blütenkopf gebildet. Die wenigen Blüten erfreuen jedoch zahlreiche Blütenbesucher. Die Ausbreitung erfolgt über diese Brutzwiebeln oder über die unterirdischen Tochterzwiebeln. Da er noch vor dem Gras im zeitigen Frühjahr austreibt ist er an seinen Standorten, wie Streuobstwiesen, Weinbergen und Wegrändern, gut zu finden.

Der Acker-Gelbstern (Gagea villosa)

Die auch Acker-Goldstern genannte Pflanze blüht von Mitte März bis Mitte April mit etwa zehn gelben Blüten je Pflanze. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über ganz Europa bis nach Nordafrika und Westasien. Der Acker-Gelbstern ist ein Wärmezeiger auf nährstoffreichen, lockeren Böden an der Grenze zu Magerrasen. An diesen Standorten darf nur eine rein mechanische Bearbeitung außerhalb seiner Vegetationszeit erfolgen. Der Acker-Gelbstern ist in Deutschland gefährdet und steht auf der Roten Liste gefährdeter Pflanzenarten in der Kategorie 3 = gefährdet.

Der Nickende Milchstern (Ornithogalum nutans)

Mehrere Pflanzen des Nickenden Milchsterns mit seinen milchweißen Blüten im Weinberg
Die weiß blühende Zwiebelflanze stammt aus dem südosteuropäische bis zentralasiatischen Raum und wurde im Mittelalter in Klostergärten oder später in den Gärten der Schlösser angebaut. Von da aus hat sich der Nickende Milchstern über ganz Mitteleuropa ausgebreitet. Heute ist er in Deutschland jedoch eher selten anzutreffen.
Die Blütenstände werden bis zu 30 cm hoch und tragen ab April bis Anfang Mai Blütentrauben aus fünf bis 12 Einzelblüten. An nicht zu heißen Standorten, die leicht beschattet werden und auf kalkhaltigen Böden breitet er sich gerne aus. Dabei helfen ihm Ameisen, die die Samen verschleppen.