Der Wiesensalbei (Salvia pratensis) - Würze und Raffinesse am Wegesrand
Sonnenexponiert leuchten die blauen Blüten des Wiesensalbeis
Schon beim Zerreiben der Blätter nimmt man den angenehm aromatischen Duft des Wiesen-Salbeis wahr. Da der Geschmack wesentlich milder ist als beim verwandten Garten-Salbei verwendet man den „Wilden“ als feines Würzkraut für Fischgerichte, Suppen und herzhafte Soßen.
Dank des hohen Wuchses ist der Wiesen-Salbei mit seinen blau-violetten Blüten schon von weitem zu erkennen. Spannend geht es im Blüteninneren zu. Dort verbirgt sich ein raffinierter Mechanismus, den Hummeln zu bedienen wissen.
Hauptsache Licht
Der Wiesensalbei gehört zu den sogenannten Licht- oder Sonnenpflanzen (Heliophyten). Diese Pflanzen benötigen für Wachstum und Vermehrung einen sehr hohen Lichtgenuss und kommen auf stark strahlungsexponierten Standorten vor. Der Durst des Wiesensalbeis nach Licht sorgte für etliche „Sonderanpassungen“: z.B. ein Wachsüberzug der ledrigen Blätter und eine dichte Behaarung, um den Wasserverbrauch zu minimieren, sowie die Fähigkeit, aktiv die Blattstellung mit der Wanderung der Sonne im Tagesverlauf zu verändern, um die Sonnenstrahlung optimal nutzen zu können. Bleibt die Sonneneinstrahlung unter 20 % der „normalen“ Intensität, bildet der Wiesensalbei keine fortpflanzungsfähigen Pollen aus – er bleibt steril.
Raffinierte Feinmechanik im Blüteninneren
Die Bestäubung bei Pflanzen ist ein komplizierter Vorgang: es muss sichergestellt werden, dass Pollen übertragen wird, aber keine Selbstbefruchtung erfolgt. Pflanzen haben dieses Problem geschickt gelöst. Zum Versenden der Pollen nehmen sie tierische Kuriere. Die Selbstbestäubung wird umgangen, indem erst die männlichen Staubbeutel mit den Pollen reifen und erst nach dem Losschicken der kostbaren Pollenfracht per Kurier wird die weibliche Narbe empfängnisbereit.
Ein besonders raffinierter Mechanismus zum Senden und Übertragen des Pollens hat sich beim Wiesensalbei entwickelt. Die Blüten sind „zweigeteilt“, in eine Ober- und in eine Unterlippe.
In der Oberlippe sind die Staubfäden mit den kostbaren Pollen verborgen. Die Staubfäden sind auf einer Platte in der Blüte verankert. Die Platte versperrt den Zugang zu dem begehrten Nektar. Sobald eine Hummel auf die Platte Druck ausübt, um zum Nektar zu gelangen, senken sich die beiden Staubfäden wie ein Schlagbaum und bepudern den Rücken der Hummel mit Pollen. Dieser Hebelmechanismus ist auch beim Übertragen der Pollen vom Rücken der Hummel aktiv. Bei bestäubungsbereiten Blüten haben sich die männlichen Staubgefäße zurückgebildet und wurden durch einen Griffel mit klebriger Narbe ersetzt. Kommt eine Hummel mit Pollenfracht, tippt der Griffel nach Auslösen des Schlagbaums auf den Hummelrücken und sammelt den Pollen ab.
Falls jemand sich diesen raffinierten Mechanismus live anschauen möchte: ein Grashalm genügt. Damit leicht in die Blüte drücken und schon senken sich die Staubfäden in Erwartung einer Hummel herab.
Wegränder nicht abmähen
Den Wiesensalbei findet man häufig an Weg- und Weinbergsrändern. Meist fällt er während der Blüte dem Balkenmäher zum Opfer. Damit verlieren auch Hummeln, Bienen und Schmetterlinge eine wichtige Nektarquelle. Es lohnt sich, den Mäher stehen zu lassen und den Wiesensalbei mit seinem raffinierten Mechanismus am Wegesrand zu belassen.
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