In Gegenwart von reifen Wirtsfrüchten sind Fallen mit herkömmlichen Köderflüssigkeiten hinsichtlich ihrer Attraktivität weit abgeschlagen. Fallen werden daher meist nur zur Überwachung der allgemeinen Flugaktivität der Kirschessigfliege verwendet, so auch im Monitoring der LWG und der von ihr betreuten Rebschutzwarte. Um einen wirksamen Schutz gegen einfliegende Kirschessigfliegen zu bilden, müsste die Lockwirkung der Köderflüssigkeit mit der Attraktivität geeigneter Früchte konkurrieren können bzw. sie noch übertreffen. Nur dann können Kirschessigfliegen auf der Suche nach geeigneten Wirtspflanzen, also Früchten für die Eiablage, mithilfe von beköderten Fallen abgefangen werden.
Herkömmliche Köderflüssigkeiten basieren auf Mischungen aus den Hauptzutaten Essig, Wasser und teilweise Wein. Sie ziehen vor allem Kirschessigfliegen (und viele andere Insekten) auf Nahrungssuche an. Wünschenswert wäre aber eine Lockwirkung, die schon vor der Fruchtreife Kirschessigfliegen abfängt. Besonders interessant wäre eine spezifische Lockwirkung auf eiablagebereite Weibchen der Kirschessigfliege, denn diese Weibchen verursachen den eigentlichen Schaden in befallenen Anbauflächen.
Um die Lockwirkung von Fallen zu optimieren, werden immer wieder veränderte Ködermischungen getestet. Dazu liefert auch die Grundlagenforschung neue Anhaltspunkte. Im Januar 2015 beispielsweise erschien eine Studie des Max Plack Instituts für Chemische Ökologie, die in umfassenden Experimenten zeigen konnte, dass die Kirschessigfliege den Blattduftstoff Beta-Cyclocitral wahrnimmt und davon angelockt wird. Keine andere getestete Essigfliegenart besitzt diese Fähigkeit. Möglicherweise beruht dies auf der Anpassung der Kirschessigfliege an die Nutzung unbeschädigter und noch nicht überreifer Früchte. Als artspezifisch wirkender Lockstoff könnte Beta-Cyclocitral ein wichtiger Kandidat zur Verbesserung der Fallenwirksamkeit sein.
Die Autoren zeigten auch, dass die Nervenzellen in den Antennen von Kirschessigfliegen bei höheren Konzentrationen stärker reagieren als bei niedrigeren Konzentrationen. Damit im Einklang stehen die Ergebnisse von an der LWG durchgeführten Versuchen zur Lockwirkung von Beta-Cyclocitral. Wenn den Fliegen gleichzeitig verschiedene Konzentrationen von Beta-Cyclocitral angeboten wurden, gingen bei höher konzentrierter Köderflüssigkeit mehr Kirschessigfliegen in die Fallen als in solche mit niedrigeren Konzentrationen
Wenn also Kirschessigfliegen von Beta-Cyclocitral angelockt werden – kann dann die Substanz die Wirksamkeit herkömmlicher Köderflüssigkeiten verbessern oder diese gar ersetzen? In einem weiteren Versuch wurde die Attraktivität von Beta-Cyclocitral mit der herkömmlicher Köderflüssigkeit und einer Mischung aus beiden Flüssigkeiten verglichen. Da die LWG-typische Köderflüssigkeit durch die Beigabe von Rotwein rot gefärbt ist, wurden zudem die zu vergleichenden klaren Flüssigkeiten ebenfalls rot angefärbt. Wieder wurden den Fliegen alle Flüssigkeiten gleichzeitig angeboten. Dabei ergab sich ein deutliches Bild:
Zum einen ließ sich zeigen, dass rot gefärbte Flüssigkeiten attraktiver für die Kirschessigfliege sind als ihre klaren Äquivalente, zum anderen blieb die unveränderte LWG-Köderflüssigkeit mit Abstand die attraktivste Lösung. Die Zugabe von Beta-Cyclocitral in der im Vorversuch attraktivsten Konzentration zur herkömmlichen Mischung brachte also nicht die erhoffte Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Lockwirkung.
Die Wirkung von Beta-Cyclocitral als spezifischem Lockstoff für die Kirschessigfliege lässt sich derzeit nicht in der Praxis anwenden. Dennoch bleibt die Substanz prüfenswert. Hier bedarf es noch weiterer Nachforschungen, die an die bisherigen Ergebnisse anknüpfen. Interessant wäre beispielsweise inwieweit die Lockwirkung von Beta-Cyclocitral jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist.
Mit jeder weiteren Substanz, der eine lockende Wirkung auf die Kirschessigfliege attestiert wird, eröffnen sich neue Prüfungsmöglichkeiten für verbesserte Ködermischungen. Außerdem stehen auch zu prüfende Kandidatensubstanzen mit repellenter Wirkung zur Verfügung, die Kirschessigfliegen von Früchten fernhalten können. Es gibt also noch viel zu tun.
Quelle
Keesey, W., Knaden, M. & Hanson, B., 2015. Olfactory Specialization in Drosophila suzukii Supports an Ecological Shift in Host Preference from Rotten to Fresh Fruit. Journal of Chemical Ecology, Band 41, pp. 121-128.