Kulturgut
Traditionskunst Brennen

Blühende Bäume auf einer weitläufigen Wiese, eingerahmt von wilden Hecken

(© Karl Josef Hildenbrand)

Das Brennen ist in Bayern eine alte Traditionskunst. Mit dem Aufkommen der Streuobstwiesen im späten Mittelalter und vor allem nach den ersten „landesherrlichen Edikten“ breitete sich der Streuobstanbau weiter aus – und damit die Nutzung des Obstes zur Destillatherstellung.
Trotz aller technischen Neuerungen ist das Grundprinzip des Brennens seit jeher das Gleiche: Die vergorene Maische wird in der Brennblase erhitzt, die entstehenden alkoholischen Dämpfe steigen auf, kondensieren in einem Kühler und werden aufgefangen.
Das Destillat wird in Vor-, Mittel- und Nachlauf unterteilt. Der Vor- und Nachlauf müssen vom Mittellauf abgetrennt werden, da diese unerwünschte Alkohole und Fuselöle enthalten. Im zielgenauen Abtrennen des Mittellaufs mit seinen feinen Aromastoffen liegt die eigentliche Handwerkskunst des Brenners.
Neben Apfel und Birne werden in Bayern Edelobstbrände aus Kirschen, Zwetschgen und Mirabellen hergestellt. Regionale Besonderheiten vervollständigen die Vielfalt der hochprozentigen Genüsse. So sind in Franken das fränkische Kirschwasser, das fränkische Zwetschgenwasser und der Quittenbrand regionale Spezialitäten, während in Südostbayern Obstler, Gin und Kräuterdestillate wie der Enzian punkten. Am Bodensee dominieren Williams-Christbirne oder Apfelbrände.
Die Anlage aus Edelstahl mit kupferner Brennblase und weiterem technischen ZubehörZoombild vorhanden

(© Karl Josef Hildenbrand)

Mit über 4 000 Brennern, davon 1 700 in Franken, weist Bayern eine der größten Dichten an Klein- und Obstbrennern im gesamten Bundesgebiet auf. Dabei sind die Haupterwerbsbrenner eher selten – die meisten stellen ihre Edelbrände und Geiste traditionell im Nebenerwerb her und sichern sich damit eine zweite Einkommensquelle. Das Brennen beschränkt sich jedoch nicht auf das kunstgerechte Bedienen der Destille. Den Anfang nimmt ein ausgezeichneter Brand auf den Streuobstwiesen, die wie kein anderer Lebensraum die Kulturlandschaften Bayerns prägen und die durch die sorgsame Pflege den besten Rohstoff für die Brenner liefern.
Geist, Wasser oder Brand?
Der Unterschied liegt im Herstellungsprozess der zu brennenden Mischung. Hat man einen „Geist“ im Glas bedeutet dies, dass die geernteten Früchte mit neutralem Alkohol übergossen worden sind. Der Alkohol extrahiert die Aromastoffe der Früchte. Nach einer gewissen Standzeit wird das Früchte-Alkohol-Gemisch destilliert. Dieses Verfahren wird bei Früchten eingesetzt, die aufgrund ihres geringen Zuckergehalts nur schlecht vergären. Bei einem Brand entsteht der Alkohol durch die Gärung der Früchte. Nach der Ernte werden die Früchte zerkleinert und – meist während der Wintermonate – vergoren. Gebrannt wird die vergorene Maische, wobei die entstehende Menge direkt von der Güte der eingesetzten Früchte abhängt. Das Destillat der Maische wird als „Brand“ (z. B. Quittenbrand) oder „Wasser“ (z. B. Kirschwasser) bezeichnet.
Die feinen Edelbrände zeichnen sich durch ihr fruchtiges Aroma und den einnehmenden Duft aus. Dabei steht jede Obstsorte für ihr ganz eigenes Aroma. Die hohe Anzahl an alten Apfel- und Birnensorten (mehrere Hundert) garantieren eine einzigartige Vielfalt: Raafs Liebling, Schmidberger Renette, Unseldapfel, Hänserbirne, Trockener Martin oder Wöbers Rambur sind nur wenige Beispiele für diese alten Sorten, die jedoch beinahe in Vergessenheit geraten sind. Um dem entgegenzuwirken, wurde durch die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau das Kooperationsprojekt „Sortenreine Edelbrände aus seltenen Streuobstsorten in Franken“ ins Leben gerufen, ein Projekt an dem sich neben der Landesanstalt weitere „Streuobstbrenner“ beteiligen.
Viele Glasflaschen gefüllt mit Destillaten unterschiedlicher Sorten mit verschiedenen Etiketten nebeneinander auf einem Tisch
Kooperationsprojekt Sortenreine Edelbrände
Mit dem Projekt „Sortenreine Edelbrände“ wurden erste Ansätze initiiert, um einen Mehrwert für Anbau, Verarbeitung und Vermarktung des Streuobstes zu schaffen, die Verwertung regionale Produkte (Streuobst, Destillate) zu unterstützen und dadurch die Inwertsetzung der Streuobstprodukte anzustoßen. Im Rahmen des Projekts wurden seltene Obstsorten in Streuobstanlagen definiert, beschrieben und ihre Brenneignung untersucht. Seit 2016 werden von 13 Brennen Streuobstbrände aus seltenen Lokal- oder Regionalobstsorten hergestellt. Hinter den einzelnen Bränden stehen teilweise nur drei bis vier Obstbäume, deren Erträge sortenrein gebrannt werden. Nach einer ersten Evaluierung zeigte sich, dass diese Destillate in den meisten Betrieben die Spitze der Qualitätspyramide darstellen.
Streuobstwiesen – Schatzgrube der Biodiversität
Die Brenner gewinnen ihr „Brennobst“ fast ausschließlich (rund 90 Prozent) aus der traditionellsten Form des Obstanbaus – den Streuobstwiesen. Das Obst der Streuobstwiesen weist eine charakteristische kräftige Würze auf, die den Früchten aus dem kommerziellen Plantagenanbau häufig fehlt. Pflege und Erhalt dieser „Obstschatzkammern“ sind für die bayerischen Brenner daher essenziell. Doch Streuobstwiesen sind nicht nur für die Brenner und die Erholungssuchenden wertvoll. Sie sind ein einzigartiger Lebensraum für über 5 000 Tier- und Pflanzenarten. Diese hohe Artenvielfalt liegt in den Charaktereigenschaften der Streuobstwiesen begründet:
  • Verbindung der beiden unterschiedlichen Lebensräume Wald und Wiese: Tier- und Pflanzenarten aus beiden Lebensräumen finden auf Streuobstwiesen geeignete Bedingungen.
  • Stockwerkcharakter der Streuobstwiese: Die Baumkronen, der Baumstamm, die Blüten, die Streu und der Boden beherbergen ihre ganz eigene Tiergesellschaften. In den Baumkronen finden sich Nistplätze für Vogelarten; während der Obstblüte suchen bestäubende Insekten nach Nektar und Pollen; am Baumstamm (in Baumhöhlen) gibt es Versteckmöglichkeiten für Fledermäusen, Kleinsäuger und rindenbewohnende Insekten; auf der Wiese suchen blütenbesuchende und pflanzenfressende Insekten nach Nahrung und in der Laubstreu jagen z. B. Laufkäfer nach Beutetieren.
  • Jung und Alt nebeneinander: Im Gegensatz zu den kommerziellen Obstplantagen stehen auf einer Streuobstwiese junge und alte sowie auch abgestorbene Bäume nebeneinander, die wiederum ihre ganz unterschiedlichen Tierarten Lebensraum bieten.
  • Vielfalt der Streuobstbäume: Nicht nur die Sortenvielfalt, sondern auch die hohe Anzahl unterschiedlicher Obstbaumarten (Apfel, Birne, Zwetschge, Mirabelle, etc.) auf einer Streuobstwiese sind für die hohe Artenvielfalt prägend.
Wiese mit zarten Blüten unter jungen Hochstamm-ApfelbäumenZoombild vorhanden

(© Karl Josef Hildenbrand)

Dazu kommt, dass Streuobstwiesen traditionell sehr extensiv bewirtschaftet werden. Die Wiesen wurden maximal zweimal im Jahr gemäht, um Heu für den Viehbestand zu gewinnen. Dadurch konnten und können sich blütenreiche Wiesenpflanzen etablieren ohne den Konkurrenzkampf mit den robusten Gräsern zu verlieren. Die mosaikartige Verteilung der Streuobstwiesen in der Landschaft – ein Relikt aus der Zeit der Realteilungen – wirken wie Trittsteine. Tierische Bewohner der Streuobstwiesen können rege ein- und auswandern, was wiederum dem Artenreichtum dient.
Behälter uas glänzendem Kupfer sind mit Kupferleitungen verbunden, dazu diverse Ventile und Hebel

(© Karl Josef Hildenbrand)

Ende einer 100-jährigen Geschichte?
Vor 100 Jahren erhob das damalige Deutsche Reich ein Monopol auf Herstellung und Vertrieb von Destillaten, das im Rahmen der Liberalisierung des europäischen Marktes 2018 endgültig weggefallen ist. So konnte die fällige Steuer bislang in flüssiger Form, als sogenannter Ausbeutesatz (z. B. bei Zwetschge 4,6 Liter reiner Alkohol/lrA von 100 l Maische), an das Branntweinmonopol abgegeben werden. Die Abgabe des Ausbeutesatzes ist nun nicht mehr möglich, sondern muss versteuert werden.
„Noch sind die Mitgliederzahlen im fränkischen Brennerverband nicht rückläufig und auch an Nachwuchs mangelt es derzeit nicht“, so Mathias Krönert. Mit der Ausbildung zum „Bayerischen Brenner“, der einzigen Ausbildung für Kleinbrenner in Deutschland, wird das Brennerhandwerk durch die LWG zudem gestärkt und weiterentwickelt.
desta - Destillatmesse in Bayern
Die alle zwei Jahre stattfindende Destillatmesse desta ist mittlerweile ein fester Dreh- und Angelpunkt der bayerischen Destillat-Szene geworden. Wertschöpfung, Trendthemen und der Blick über den Tellerrand (z. B. auf internationale Whiskyanbieter) sorgen für gute Besucherzahlen und eine stets restlos ausgebuchte Ausstellungsfläche. Die alte Tradition des Brennereiwesens ist durch die Biodiversitäts- und Klimadebatte aktueller denn je – erhalten doch die Brenner durch sorgsame Pflege ihrer Streuobstwiesen einen der artenreichsten europäischen Lebensräume. Veranstalter sind die Stadt Volkach in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) sowie dem Fränkische Obst- und Kleinbrennerverband.
Jede desta steht unter einem speziellen Schwerpunktthema, welches auf einer eigenen Sonderausstellungsfläche präsentiert wird.