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Neue Apfelsorten – geeignet für Streuobstbau und Brennerei?

Neue Apfelsorten - geeignet für Streuobstbau und Brennerei? Titelseite

In den letzten 30 Jahren kamen einige krankheitstolerante neue Apfelsorten auf den Markt, davon viele aus Pillnitzer Züchtung, gedacht für den Erwerbsanbau. Doch welche davon eignen sich für den extensiven Streuobstbau, aus dem unsere Obstbrenner hochwertige Edelbrände herstellen wollen? Dieser Frage geht ein seit 1998 laufender Langzeitversuch der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau nach.

2019, 10 Seiten

In den letzten 30 Jahren sind zahlreiche neue Apfelsorten auf den Markt gekommen, die (zu Versuchsbeginn) mehr oder weniger ausgeprägte Resistenzen gegen Schorf, Mehltau und andere Krankheiten aufwiesen und durch gute Fruchteigenschaften überzeugen. Es stellt sich nun die Frage, ob diese neuen Sorten auch eine zukunftsweisende Alternative für den extensiven Streuobstbau auf Hochstamm darstellen und ob diese Sorten auch für die Brennerei taugen.
Vorgestellt werden Ergebnisse eines Langzeitversuches der LWG, bei dem an verschiedenen Standorten in Unterfranken zwischen 1998 und 2004 insgesamt 29 neue Apfelsorten im Vergleich mit „alten“ Sorten (Anbau vor 1940) gepflanzt wurden, um deren Eignung für den extensiven Streuobstbau auf Hochstamm zu testen. Viele der neuen Sorten waren als mehrfachresistent beworben worden. Nach 18 Jahren Versuchsdauer zeigt sich, dass einige neue Sorten wie 'Florina' oder 'Reka' durchaus eine wichtige Ergänzung zum bewährten Sortiment darstellen. Die Krankheitsresistenz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Leider ist die Schorfresistenz mittlerweile durchbrochen. Einige im Erwerbsanbau vorzügliche Sorten wie 'Pinova' kommen auf Hochstamm und mit extensiver Pflege nicht zurecht. Andere Sorten mit hervorragender Fruchtqualität wie etwa 'Gerlinde' erfüllen wegen ihrer Wuchseigenschaften nicht die Anforderungen des Streuobstbaus. Auch für den Brenner lohnt es sich, die eine oder andere Sorte auszuprobieren.
Versuchsstandort Rottershausen am 01.09.2016: deutliche Sortenunterschiede im Wuchs; von links 'Reanda', 'Resista' und 'Reka'.
An sieben Standorten in Unterfranken wurden in den Jahren 1998–2004 insgesamt 437 Hochstamm-Apfelbäume gepflanzt, 252 mit neuen Sorten (davon 50% erst 2004 gepflanzt) und 185 mit alten, bewährten Sorten. Die Standortqualität reicht vom sehr guten Ackerstandort in Kürnach bis zu schwachen Grünland­standorten in Heustreu und Großbardorf. Durch den breiten Standortquerschnitt und die mehr oder weniger extensive Pflege sind die Ergebnisse insgesamt für durchschnittliche Streuobstbestände in der Feldflur gut verwertbar. Getestet werden elf Re- und sieben Pi-Sorten aus Dresden-Pillnitz, fünf tschechische Sorten und drei Sorten aus Ahrensburg, dazu drei sonstige. Zu Vergleichszwecken wurden bewährte Apfelsorten gepflanzt.

Höhe, Kronenbreite und Stammumfang

Im 16. Standjahr lag 'Gravensteiner' bei allen Messwerten an der Spitze, gefolgt von den bewährten Sorten 'Rheinischer Bohnapfel' und 'Goldrenette von Blenheim'. Dann folgt mit 'Reka' die erste neue Sorte. In der Spitzengruppe bei den Wuchsparametern etablierten sich außerdem die neuen Sorten 'Retina' und 'Resista'. Im 10. Standjahr waren neben der bewährten Sorte 'Schöner von Nordhausen' die neuen Sorten 'Rosana' und 'Ahra' die wuchsstärksten; in der Spitzengruppe lagen mit 'Florina', 'Topaz', 'Resista' und 'Reka' weitere neue Sorten. Bei 'Rosana' stehen alle 3 verbliebenen Bäume auf dem besten Standort in Kürnach, wo mit Abstand die besten Zuwächse aller Standorte erzielt werden, weshalb diese Sorte „zu gut“ abschneidet. Dies trifft auch auf einige alte Sorten zu. Vergleicht man die neuen Sorten insgesamt mit den bewährten Sorten, ist eine etwas geringere Wuchsleistung der neueren Sorten festzustellen.

Ertrag und Fruchtqualität

Bonitiert wurde in diesem Versuch die sortenspezifische Fruchtqualität für den jeweiligen Verwertungszweck, es erfolgte also keine analytische Prüfung. Im Versuchsverlauf zeigte sich erwartungsgemäß ein deutlich früherer Ertragseintritt der meisten neuen Sorten im Vergleich zu den bewährten Sorten. Die besten Ertragsbonituren erzielte 'Resista', übrigens die einzige Sorte, bei der alle Bäume in allen Jahren Äpfel trugen. Es folgen 'Ahrista', 'Rewena', 'Relinda' und erst dann mit 'Hilde' die erste alte Sorte. 'Florina' folgt auf Platz 10, 'Reka' auf 12. Unter den „Top 15“ sind 11 neue Sorten und nur 4 bewährte. Bezüglich Fruchtqualität ist festzuhalten, dass mit Ausnahme der Pi-Sorten die neuen Sorten tendenziell besser abschnitten als die bewährten Sorten. An der Spitze liegt 'Ahrista', gefolgt von 'Rosana', 'Rheinischer Winterrambur', 'Rheinischer Bohnapfel', 'Gravensteiner' und 'Retina'.

Befall mit Schorf und Mehltau

Die Pi-Sorten sind wegen ihrer Krankheitsanfälligkeit für Streuobstbau wenig geeignet, hier im Bild 'Pirella' mit stärkerem Schorfbefall.
Sämtliche Pi-Sorten zeigten von Versuchsbeginn an bei feuchter Witterung und entsprechendem Infektionsdruck mehr oder weniger gravierenden Schorfbefall. 'Pilot' war noch am geringsten betroffen. 'Piflora' ist über den ganzen Versuchszeitraum die am häufigsten befallene Sorte, gefolgt von 'Roter Trierer Weinapfel' und 'Pinova'. 2009 trat erstmals bei den vermeintlich schorfresistenten Sorten vereinzelt und geringfügig Schorf auf, der sich in den Folgejahren, insbesondere 2013 und am stärksten 2016, immer massiver zeigte. 2016 war nur 'Renora' schorffrei, alle anderen „resistenten“ Sorten schwach bis mittel befallen, wenngleich meistens nicht alle Bäume. Starken Schorfbefall verzeichneten 'Remo', 'Relinda' und 'Rewena' (jeweils an einem Baum). Insgesamt ist die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schorf bei den sogenannten „resistenten“ Sorten nach wie vor deutlich höher als bei den Pi-Sorten und vielen alten Sorten.
Mehltau trat bei 'Ahrista' in geringem Umfang in fast allen Versuchsjahren auf, bei 'Ahra', 'Angold', 'Florina', 'Pinova' und 'Pilot' mehrfach sowie bei 'Regine', 'Reka', 'Remo', 'Retina', 'Rosana', 'Pikkolo', 'Piflora' und 'Topaz' vereinzelt. Insgesamt war auf den Versuchsflächen Mehltau kein größeres Problem.

Für Streuobstbau empfehlenswerte Sorten

Die französische Sorte 'Florina', bereits seit 1977 im Handel, erzielte im Versuch in fast allen Kategorien Spitzenwerte, also sowohl in punkto Wuchsleistung als auch hinsichtlich Vitalität und Fruchtqualität. Die attraktive Wintersorte ist schorf- und feuerbrandtolerant und gering anfällig für Mehltau. Geschmacklich ist die Sorte wegen des geringen Säuregehalts eher durchschnittlich. Insgesamt ist 'Florina' für Streuobstwiesen sehr gut geeignet und wird auch in BSA 2003 und bei HÖHN u. LEUMANN 2004 als Mostapfel für den Hochstammanbau empfohlen.
FISCHER 2008 empfiehlt wegen ihres kräftigen Wuchses die Sorten 'Reka', 'Retina' und 'Relinda' für den Hochstammanbau (ebenso BSA 2003). In unserem Versuch schnitt von den Re-Sorten 'Reka', ein Abkömmling von 'James Grieve', insgesamt auch am besten ab. Es ist eine sehr saftige und ertragreiche Spätsommersorte, wenig anfällig für Mehltau und für Feuerbrand. Allerdings neigt sie zur Alternanz. Anfangs bildet die Sorte auffällig steil aufrechte Triebe, die erst nach etwa 12-15 Jahren stärker in die Breite gehen. 'Reka' eignet sich als Tafelapfel, aber auch für die Kelterei.
'Relinda' und 'Retina' lagen von der Wuchsleistung her im Versuch anfangs deutlich unter dem Durchschnitt der bewährten Sorten, haben aber im Laufe der Jahre aufgeholt; 'Retina' liegt im 16. Standjahr beim Stammumfang auf Platz 4 und bei der Kronenbreite auf Platz 5. Bei der Vitalitätsbonitur erreichte 'Retina' 2016 Platz 10. Für die beiden Sorten sprechen ihre Fruchtqualität und ihre Gesundheit. 'Retina' ist eine wohlschmeckende, attraktive Spätsommersorte mit hohem und gleichmäßigem Ertrag, weitgehend schorftolerant und nur gering anfällig für Mehltau und Feuerbrand sowie Blütenfrost. 'Relinda' trägt ebenfalls reich und regelmäßig (Rang 4 in der Ertragsbonitur), eignet sich auf Grund der Inhaltsstoffe (gutes Zucker-Säure-Verhältnis, hohe Saftausbeute) sehr gut für die Verarbeitung zu Saft bis in den April hinein. Sie ist weitgehend schorftolerant, gering anfällig gegenüber Mehltau und gering bis mittel gegenüber Feuerbrand.

Bedingt empfehlenswerte Sorten

12 weitere Sorten weisen deutliche Schwächen auf, können aber noch mit Abstrichen für den Streuobstbau empfohlen werden. Es handelt sich dabei zunächst um die vier Re-Sorten 'Reglindis', 'Reanda', 'Renora' und 'Rewena'. Diese erreichten zwar nur durchschnittliche Zuwachswerte, ebenso nur mittlere Vitalitätsbonituren, können aber durch gute und regelmäßige Erträge sowie gute Fruchtqualitäten überzeugen. Ein wichtiger Vorteil dieser Sorten ist neben der geringen Anfälligkeit für Schorf und Mehltau heutzutage die hohe Feuerbrandtoleranz. FISCHER 2008 empfiehlt deshalb 'Rewena' und 'Reanda' mit Einschränkungen für den Hochstammanbau sowie 'Renora' und 'Reglindis' für den Halbstamm. Diese Sorten werden auch von JKI 2009 und Bosch 2012 sowie in FISCHER, M. 2010 als für den Streuobstbau geeignet oder bedingt geeignet eingestuft. 'Rewena' und besonders 'Reanda' benötigen aber konsequenten Erziehungsschnitt. 'Reanda' ist nicht nur ein großfrüchtiger Tafelapfel mit Genussreife bis Februar, sondern eignet sich auch zur Saftgewinnung. 'Rewena' ist ebenso lange verwendbar, eignet sich aber vornehmlich zur Saftgewinnung. Große Früchte von 'Reanda' neigen zu Stippe. 'Reanda' und 'Rewena' eignen sich sowohl als Tafelapfel als auch zur Saftgewinnung und sind nur gering anfällig für die wesentlichen Apfelkrankheiten.
Die beiden Ahrensburger Sorten 'Ahra' und 'Ahrista' sind im Versuchsverlauf (siehe Degenbeck 2009) sowohl hinsichtlich der Vitalitätsbonitur als auch bei den Zuwachswerten etwas zurückgefallen. Bei 'Ahrista', einem Abkömmling von 'Elstar', wurden nach wie vor die besten Fruchtqualitäten und der zweithöchste Ertragswert aller Sorten bonitiert. Es handelt sich um eine sehr attraktive Frühherbstsorte mit guter Tafelqualität, saftig und aromatisch, die auch noch zur Saftherstellung geeignet ist. Sie ist gering anfällig für Schorf sowie mittel anfällig für Mehltau und Feuerbrand. 'Ahra' ist eine aromatische Herbstsorte, etwas weniger saftig als 'Ahrista', deren Geschmack an 'Goldparmäne' erinnert. Sie eignet sich vorwiegend als Tafelapfel, ist ziemlich schorffest und mittel anfällig für Feuerbrand. Probleme bereitet unter Umständen die mittlere Mehltauanfälligkeit mit der damit bei dieser Sorte verbundenen starken Fruchtberostung. Bei beiden Sorten, im Versuch mit früh einsetzendem, hohem Ertrag, neigen übergroße Früchte zu Stippe.
Die bekannteste tschechische Sorte aus der Resistenzzüchtung ist 'Topaz', ein allgemein anerkannter Spitzen-Tafelapfel und ein sehr guter Mostapfel (Mayr 2008), der im Versuch auf Hochstamm zwar nicht die erhofften Fruchtqualitäten erreicht hat, jedoch in punkto Wuchsleistung mit den bewährten Sorten mithalten kann und eine gute Vitalitätsbonitur erzielte. 2004 wurde 'Topaz' in der Schweiz für den Hochstammanbau als guter Mostapfel empfohlen (HÖHN u. LEUMANN 2004), ebenso von RUESS 2016c. Wegen der hohen Anfälligkeit gegenüber Feuerbrand (EGGER u. a. 2007) sowie der Anfälligkeit gegenüber Mehltau kann die Sorte heute nur noch bedingt für den extensiven Streuobstbau empfohlen werden.
Die schorftolerante Sorte 'Resista' erreichte nicht ganz die Wuchsleistung der bewährten Sorten. Sie erzielte aber die beste Ertragsbonitur aller Sorten. Die geschmacklich gute Sorte eignet sich sowohl als Tafelapfel als auch zur Saftgewinnung und ist bis März lagerfähig. 'Resista' ist zudem gering anfällig für Mehltau.
'Rosana' und 'Rubinola' wurden erst 2004 hinzugenommen. Während 'Rubinola' unterdurchschnittlich wuchs und nur auf mäßige Vitalitätsbonituren kam, erreichte 'Rosana' im 10. Standjahr Spitzenwerte, was mit den überwiegend günstigen Standortbedingungen erklärbar ist. Auch die Fruchtqualität erzielte den zweitbesten Boniturwert aller Sorten. Die weitere Entwicklung dieses bis Dezember genießbaren Tafelapfels bleibt abzuwarten. 'Rubinola' weist zwar eine passable Fruchtqualität auf (Tafelapfel, bis März verwendbar), ist aber problematisch im Wuchs, für den Streuobstbau somit etwas kritisch zu sehen, wenngleich HÖHN u. LEUMANN 2004 sowie RUESS 2016b sie für den Hochstammanbau empfehlen.
Die schorftoleranten Sorten 'Saturn' und 'Teser', 2004 neu hinzugekommen, blieben in der Wüchsigkeit hinter den bewährten Sorten zurück. Allerdings kam 'Saturn' bei der Vitalitätsbonitur 2016 auf Rang 12 und 'Teser' auf Rang 14. Bei der Boniturnote für die Fruchtqualität erreichte 'Saturn' Rang 8 und 'Teser' Rang 12. 'Saturn' ist ein saftiger Herbstapfel ohne besonders gute Werte bei den Inhaltstoffen. 'Teser' ist geschmacklich mittelmäßig, zeigte sich im Versuch jedoch als sehr schorftolerant.

Eignung für die Brennerei

Bislang sind die neuen Sorten noch kaum in der Brennerei angekommen. In der Tabelle 5 sind die Zucker- und Säurewerte der empfehlenswerten und bedingt empfehlenswerten Sorten aufgeführt, außerdem Angaben zum Aroma. Daraus ist zu entnehmen, dass einige Sorten beachtliche Zuckergehalte aufweisen ('Renora', 'Ahra', 'Reanda' und 'Resista'). 'Ahra' hat ein an Goldparmäne erinnerndes intensives Aroma, allerdings keine allzu hohe Saftausbeute. 'Florina', 'Rubinola' und 'Reglindis' haben bei Schweizer Verwertungsversuchen sehr gute Saft-Bonituren erzielt, was auch auf gute Verwertbarkeit als Brand hindeutet. Günther Höhn aus Nordheim hat bereits einen Gold-prämierten Topaz-Brand. Es lohnt sich für den Brenner also, die eine oder andere Sorte in sein Sortiment aufzunehmen oder einfach nur einmal auszuprobieren.
Die Sorte 'Florina', sorten-typisch violett beduftet. War im Versuch die beste der neuen Sorten und eignet sich sehr gut für den Streuobstbau.

Akpfelbaum 'Florina'

Die Apfelsorte 'Reka' ist für Streuobstwiesen ebenfalls empfehlenswert; typisch sind die in den Anfangsjahren sehr steilen Triebe.  Noch im 10. Standjahr zeigt 'Reka' auffällig steiles Triebwachstum.

Apfelbaum 'Reka'

'Retina', ein schmackhafter Frühapfel, ist eine Bereicherung für das Streuobstsortiment.

Apfelbaum 'Retina'

'Relinda' eignet sich besonders für die Saftproduktion.

Apfelbaum 'Relinda'

Eine ausführliche Beschreibung und weiterführende Hinweise enthält der Fachartikel.