Fachartikel
Alles Gute kommt von oben – Gemüse vom Dach
Der aktuelle Trend des „Urban Gardening“ zeigt deutlich den Wunsch der Bevölkerung nach regionaler und transparenter Nahrungsmittelproduktion in der Stadt. Auch auf Veitshöchheimer Versuchsdächern wurde in den letzten beiden Jahren erfolgreich Gemüse angebaut und zwar als Alternative für eine dünnschichtige Extensivbegrünung.
2016, 8 Seiten
Städtische Gärten, in denen Nahrungsmittelanbau und Stadtleben wieder stärker miteinander verwoben werden, gelten heute schon als Katalysatoren für die Stadt der Zukunft. Urbane Landwirtschaft schont die Umwelt und Ressourcen, indem z. B. die Produktion für den Verbraucher nachvollziehbar und Transportwege für Nahrungsmittel verkürzt werden. Das Grün(e) sorgt zudem für Biodiversität und ein Mehr an Lebensqualität in naturfernen Ballungsräumen.
„Urban Gardening“ in aller Munde
Der aktuelle Trend des „Urban Gardening“ zeigt deutlich den Wunsch der Bevölkerung nach regionaler und transparenter Nahrungsmittelproduktion in der Stadt. Viele Kommunen, wie z. B. Andernach mit dem Projekt einer „Essbaren Stadt“ gehen deshalb dazu über, einen Teil der öffentlichen Grünflächen für den Anbau von Nutzpflanzen durch die Anwohner freizugeben. Da vorhandene Freiflächen aber nur in beschränktem Maße einer Umnutzung zugeführt werden können, weil Sie von der Lage, Infrastruktur oder Bodenbeschaffenheit für eine Nahrungsmittelproduktion nur bedingt geeignet sind und Bauland in Ballungsgebieten bekanntermaßen teuer und rar ist, kommt es vermehrt zu Nutzungskonflikten und Engpässen in der Flächenbereitstellung. Damit Städte der Zukunft ausreichend Flächen für eine gärtnerische oder ackerbauliche Bewirtschaftung durch ihre Bewohner vorhalten können, ist es erforderlich, diese nicht nur temporär zu vergeben sondern zum festen Bestandteil einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu machen. In den Fokus geraten dabei zwangsweise auch überbaute Flächen, die von Haus aus keinen Bodenanschluss haben, aber durch z. B. Festsetzung von Begrünungsmaßnahmen in der Bauleitplanung auch Voraussetzungen für eine nachhaltige Erzeugung von Nahrungsmitteln in Wohnortnähe bieten können.
Voraussetzungen für einen essbaren Begrünungserfolg
Unabhängig davon welche Ausrichtung der Begrünungserfolg erfahren soll, müssen erstmal die Voraussetzungen für ein gesundes Pflanzenwachstum geschaffen werden. Gar nicht so einfach, wenn die Pflanze quasi dauerhaft „in luftiger Höhe“ gedeihen soll, bzw. später dann noch „am Tropf“ hängt. Grundvoraussetzung für eine gärtnerische Nutzung des eigenen Daches ist ein dauerhafter Zugang zur Fläche, über den später Anbau, Pflege und Ernte sicherstellt wird. Je nach Lage und Anbindung, aber auch bei mangelnder Trittsicherheit oder Schwindelfreiheit des Nutzers, ist an kritischen Stellen immer eine Absturzsicherung oder Möglichkeit zur Selbstsicherung vorzusehen. Ein Wasseranschluss vor Ort, ggf. auch temporäre Möglichkeiten zur Heranführung des kostbaren Nasses erleichtern die Bewirtschaftung. Ist eine ausreichende Statik mit einer Nutzlastreserve von mindestens 80 kg/m², wie z. B. bei einer vorhandenen 5 cm dicken Kiesschicht, gegeben, kann bei ordnungsgemäßer Entwässerung und wurzelfester Dachabdichtung mit dem konventionellen Begrünungsaufbau begonnen werden. Hierbei kommt zunächst zum Schutz der Dachdichtung ein flächig verlegtes Schutzvlies von mindestens 250 g/m² zum Einsatz.
Ein handelsübliches mineralisches Substrat für die extensive Dachbegrünung bildet das Saat- und Pflanzbeet. Je nach Gemüsearten sind Schichtdicken von 5 bis 15 cm anzustreben. Es muss lediglich ausreichend Substratvolumen für die Wurzeln, sowie ausreichend Wasser und Nährstoffe vorhanden sein. Letzteres erreicht man z. B. mit einer Zusatzbewässerung. Dazu können Tropfschläuche (z. B. von Gardena, 4 l/h) oder Micro-Sprinkler (z. B. von Gardena, bis 20 l/h) installiert werden. Auf eine möglichst gleichmäßige Verteilung in der Fläche ist zu achten. Ein Bewässerungscomputer erleichtert das Gießen. Alternativ kann aber auch von Hand bewässert werden. Gemüsepflanzen benötigen je nach Witterung und Kultur etwa 100 bis 300 Liter Wasser pro Quadratmeter und Jahr. In niederschlagsarmen Zeiten mit hohen Temperaturen werden Wassergaben von bis zu 8 l/m²/Tag benötigt.
Was ist drin im Dachgemüse?
Bekanntermaßen hat Gemüse einen hohen gesundheitlichen Wert. Zum Beispiel deckt eine Paprika mit einem Frischgewicht von ca. 140 g etwa den gesamten Tagesbedarf an Vitamin C. Das gilt natürlich auch für die Paprika vom Dach. Auch Kräuter liefern – vor allem im erntefrischen Zustand – viele wichtige Inhaltsstoffe, wie z. B. ätherische Öle, Folsäure und Beta-Carotin. Wie aber wirken sich das industriell aufbereitete Dachsubstrat und die teils mit Schadstoffen belastete Stadtluft auf die Gemüsequalität aus? In Veitshöchheim wurden diesbezüglich Gemüsearten vom Dach auf ihre Inhaltsstoffe analysiert. Obwohl in den Substraten, was den Gehalt an Schwermetallen betrifft (z. B. bei Nickel bis zu 30 mg/kg Dachsubstrat) die Empfehlungen für die Nutzung gärtnerischer Böden gemäß Bundesbodenschutzgesetz teilweise überschritten wurden, konnte in den Ernteprodukten bei herkömmlichen Verzehrmengen keine schädliche Wirkung nachgewiesen werden.
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