Biodiversität
Blühende Vielfalt in den Weinbergen

In der Sonne leuchten blaue Blüten vor dem hellen Grün frisch ausgetriebener Reben
Weinbau und Begrünung gehören schon lange zusammen. Nicht nur der Schutz vor Erosion in den oft sehr steilen Weinbergen veranlasst die Winzer ihre Weinberge zu begrünen. Auch die Anlockung und Etablierung von Nützlingen wie den Raubmilben als Gegenspieler von Kräusel-, Pocken- oder Spinnmilben sind ein wichtiges Argument für den integriert wirtschaftenden Winzer. Mit diesen und weiteren Maßnahmen können die Winzer einen wertvollen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten. Ein Beitrag, der von der Gesellschaft nicht nur wahrgenommen, sondern auch gefordert wird.
Hintergrund Insektensterben
Der Agrar-Report 2017 zur Biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft zeigt einen deutlichen Rückgang der Insektenvielfalt in den vergangenen drei Jahrzehnten. So sind von den rund 560 Wildbienenarten in Deutschland mehr als ein Drittel kaum mehr nachzuweisen. Solche dramatischen Zahlen gelten jedoch auch für viele andere Insekten, deren Artenschwund oft zwischen 30 und 90 % liegt. Eine im Journal Biological Conservation erscheinende Übersichtsstudie von Sánchez-Bayo/Wyckhuys (2019) bestätigt, dass 40 Prozent der Insektenarten weltweit vom Aussterben bedroht sind. Vor allem Schmetterlinge, Hautflügler wie Bienen, aber auch beispielsweise Dungkäfer sind besonders bedroht. Viele Habitate gehen durch Versiegelung des natürlichen Bodens und Intensivierung der Landwirtschaft verloren, invasive Arten und der Klimawandel verstärken das Problem zusätzlich.
Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig und nicht primär durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln begründet. Die Förderung immer größerer landwirtschaftlicher Flächen, die zu ausgeräumten strukturarmen landwirtschaftlich genutzten Landschaften mit einseitiger Nutzung und hohem Nährstoffangebot für die Kulturpflanzen führen zu einer Vergrünung der Landschaft. Dies hat zur Folge, dass Insekten ihre Nahrungsgrundlage und ihren Lebensraum verlieren. Der Klimawandel ist dafür verantwortlich, dass Blütezeiten und Insektenentwicklung oft nicht mehr synchron verlaufen. Auch eine zunehmende Versiegelung durch immer mehr Straßen, neue Industriegebiete und Siedlungen führen zur Zerstörung angestammter Lebensräume.
Die Auswirkungen des Insekten-Rückgangs sind gravierend, denn vielen Vögeln und Kleinsäugern dienen Insekten als Nahrungsgrundlage. Die Abnahme an Insekten beeinflusst daher auch deren Bestände. Die Entwicklung der Insektenpopulation wirkt sich jedoch auch auf unsere Lebensgrundlagen aus, da rund 80 % unserer Nutzpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen sind. Nicht vergessen werden darf, dass viele Insekten als Nützlinge einen gewichtigen Faktor im natürlichen Gleichgewicht darstellen.

Vielfalt fördern

Maßnahmen zur Unterstützung der Bestände von Wildbienen, Schwebfliegen und anderen Bestäubern kann fast jeder ergreifen, beispielsweise im Garten oder auf dem Balkon, Landwirte und Winzer auf landwirtschaftlichen Flächen und an Randstreifen zu Wegen. Gerade im Spätsommer bieten blühende Begrünungen im oder am Rand von Weinbergen Insekten einen Lebensraum, den sie auf den abgeernteten und schnell wieder eingesäten Feldern der Landwirtschaft dann nicht mehr finden.

Begrünte Rebgasse

Die vielfältig blühende Begrünung zur Förderung der Nützlinge ist schon lange Thema für einen nachhaltigen Weinbau. Für Blütenreichtum sorgen Schwedenklee, die Wilde Möhre, Gemeine Schafgarbe, Wilde Malve, Wiesensalbei, Natternkopf und viele mehr.
In vielen Anlagen tut man sich jedoch schwer mit einer dauerblühenden Begrünung, da die Wasserkonkurrenz zur Rebe in trockenen Phasen zum Mulchen oder Unterfahren der Begrünung zwingt.
Die folgenden alternativen Maßnahmen ermöglichen es, trotz Bearbeitung der Begrünung in den Rebgassen ein Blütenangebot für Insekten im Weinberg bereitzuhalten:

Partielle Bearbeitung der Rebgasse

Da durch das Mulchen oder auch Unterfahren die blühenden Pflanzen stark gestört oder sogar abgetötet werden, bietet sich zum Erhalt eines blühenden Grünstreifens eine technische Lösung an. Diese ermöglicht, einen schmalen Streifen der Begrünung in der Mitte der Gasse ungestört zu erhalten und gleichzeitig den Bereich der Fahrspur zu bearbeiten.
Eine weitere Möglichkeit ist das Walzen, das das Wachstum und damit den Wasserverbrauch der Pflanzen stört und die Konkurrenzsituation mit der Rebe unterbricht.

Blühende Randstreifen

Zur Förderung der Biodiversität sollten die Randstreifen zum Weinbergsweg genutzt werden. Diese Zone wird häufig sehr kurz abgemäht, um einen sauberen Abschluss des Weinbergs zu erreichen. Aber gerade hier kann sich eine Begrünung ohne störende Einflüsse auf die Reben entwickeln. Da sich diese Randstreifen den ganzen Weinberg entlangziehen, stellen sie eine Brücke zwischen den Teilen einer Weinlage und ihrer Umgebung her und ermöglichen so eine leichtere Ausbreitung vieler Arten.

Wasserabschläge/-rinnen mit Begleitgrün

Die Bewirtschaftung eines Weinbergs neben Wasserabschlägen erfolgt in der Regel mit größerem Abstand. Auch hier bietet es sich an, eine vielfältig blühende und ungestörte Begrünung zu etablieren.

Spitzzeilen umnutzen

Die kurzen Spitzzeilen lassen sich nur sehr schlecht bearbeiten und werden daher immer öfter aus der Produktion genommen und an dieser Stelle ein Baum gepflanzt, um die Weinbergslandschaft zu strukturieren. Bäume, die hier Verwendung finden, stammen oft aus der Aktion "Baum für Frankens Weinberge". Im Umfeld dieser Einzelbäume lässt sich eine vielfältig blühende Begrünung gut aufbauen. Sind die Flächen zu klein für einen Baum, können auch Sträucher für Struktur sorgen oder nur eine Begrünungsmischung eingesät werden.

Pflege der Begrünungen

Wichtig ist die richtige Anlage und Pflege dieser Begrünungen

  • Bei der Bodenvorbereitung sollte nicht gedüngt werden, da die krautig, blühenden Pflanzen eher zu den Schwachzehrern zu zählen sind. Auch sollten die Flächen vorher möglichst gründlich von verdrängungsstarken, unerwünschten Beikräutern wie beispielsweise Kratzdistel und Amaranth befreit werden.
  • Bei der Aussaat, am besten vor einer Regenperiode, ist zu beachten, dass in den trocken, heißen Lagen eines Weinberges viele Samen nicht so schnell aufgehen. Es ist daher Geduld gefragt, da im Sommer Ausgesätes oft erst im folgenden Jahr aufläuft. Hier heißt es abwarten und nicht umzubrechen und auch nicht andere schneller aufgehende grasbetonte Mischungen nach zu säen. Oder erst im Winter säen, um die Frühjahrsniederschläge und steigenden Temperaturen für ein besseres Auflaufen der Begrünungssaat zu nutzen.
  • Erst nach der Blüte und der Samenreife sollten die Flächen auf eine Wuchshöhe nicht unter acht Zentimetern gemulcht werden. Das Aussamen sichert den Erhalt der ein- und zweijährigen Pflanzenarten in der Begrünung und der Rückschnitt ermöglicht manchen Stauden eine zweite Blüte im Spätsommer. Sind Rosettenpflanzen in der Mischung enthalten, würden diese bei bodennahem Mulchen zerstört.
  • In Trockenphasen vor allem vor dem Aussamen der Blütenpflanzen sollte gewalzt und nicht gemulcht werden, um die Samenreifung zu ermöglichen.
  • Durch entsprechende Bewirtschaftung kann auch eine natürliche Begrünung gefördert werden. Allein durch das Nichtbewirtschaften der Begrünung in manchen Bereichen, wie den Randzeilen, kommt es zu einem Bewuchs mit blühenden Pflanzen, wie beispielsweise Wegwarte oder Kleesorten, die ein Angebot für zahlreiche Insekten darstellen und so einen Beitrag zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Region leisten.

Raritäten im Weinberg fördern

Neben den eingesäten Blühflächen und der blühenden Spontanvegetation sollte auch auf die stark zurückgegangenen typischen Weinbergsstauden und Zwiebelpflanzen geachtet werden. Schönheiten wie die Wilde Tulpe, der Milchstern, die Weinbergshyazinthe oder der Weinbergslauch geben gerade im Frühjahr den Rebflächen ihren typischen Weinbergscharakter. Sie bieten den Insekten früh im Jahr ein erstes Nektarangebot. Als sogenannte Hackflora tragen diese Frühjahrsblüher enorm zur positiven Wahrnehmung des Weinbaus bei. Die Bekämpfung unerwünschter Beikräuter führte zum Verschwinden dieser seltenen Spezialarten, daher sind Herbizidbehandlungen hier nur im Herbst nach dem Einziehen der Blätter der Frühjahrsblüher möglich. Bei der mechanischen Bearbeitung muss sorgfältig auf diese Flächen geachtet werden.

"Hackflora" - Raritäten im Weinberg fördern

Weinbergsflora auf Stein

Steine bieten einen Lebensraum für eine spezialisierte, an diese biologische Nische angepasste typische Weinbergsflora mit den dazugehörigen bestäubenden Insekten. Fetthennen, Mauerpfeffer, Thymian oder Wolfsmilchgewächse auf Steinen stellen einen wichtigen Teillebensraum des Weinbergs dar. Im Randbereich von Weinbergen sollte dringend darauf geachtet werden, dass offene Felsen, Mauern und Steine nicht überwuchert werden oder verbuschen, um die charakteristische Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren zu erhalten.

Fazit

In jeder Rebanlage kann mit mehr oder weniger Aufwand durch Begrünungen ein Lebensraum für Insekten geschaffen werden, der das weitere Verschwinden vieler Arten verhindern hilft, zahlreichen auch seltenen Pflanzenarten eine Heimat bietet und zudem einen weiteren Pluspunkt für die touristische Attraktivität der weinbaulich geprägten Region liefert.

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