Jahresrückblick Franken
2018: Sieben Monate Sommer
Das Jahr 2018 wird in die Wetterannalen eingehen, wärmster April und Mai in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 und die „Rekorde“ enden damit noch nicht. Die kuriose Entwicklung der Jahreswitterung hat auch in der Natur und bei den Reben ungewöhnliche Ereignisse bewirkt, die noch lange im Winzergedächtnis haften bleiben werden.
Witterung und Phänologie
Hohe Temperaturen und ein immerzu trüber Himmel im Januar wurden von einem kalten und an Sonnenschein reichem Februar abgelöst. Immer wieder frostige Tage im März ließen die Natur nicht erwachen. Mit dem Monatswechsel setzte der Umschwung ein. Der April lag 4,1°C über dem langjährigen Mittel und die Anzahl von fünf Sommertagen (>25°) war ein Vorgeschmack auf die kommenden Monate. Die Einordnung als wärmster April für Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 unterstreicht dies.
Demzufolge raste auch die phänologische Entwicklung voran. Vom Beginn des Blutens Anfang April bis Knospenaufbruch vergingen gerade einmal 16 Tage (Tab. 1). Schon 12 Tage später zum Monatswechsel in den Mai war das 5-Blattstadium erreicht. Die durch die Winterniederschläge gut wassergesättigten Böden zusammen mit den ausreichenden Frühjahrs-Niederschlägen erzeugten in Verbindung mit den weiter anhaltend hohen Temperaturen ein phänologisches „Formel 1“-Rennen. Bereits Mitte der letzten Maidekade waren schon vereinzelt blühende Gescheine zu entdecken und am 29. Mai waren bereits 30% der Käppchen in unserer langjährigen Beobachtungsanlage abgeworfen. Am 01. Juni war die abgehende Blüte erreicht. Dies war die früheste Blüte seit Beginn der regelmäßigen Beobachtungen 1968 am Standort Würzburg/Veitshöchheim.
Nicht genug, dass das explodierende Wachstum die Arbeitskapazitäten für die rechtzeitige Erledigung der notwendigen Stockarbeiten - Ausbrechen, Heften - bereits voll beanspruchte, so schüttete die Natur ihr Füllhorn zusätzlich auch noch mit vollster Hingabe aus. Der Fruchtansatz nach der Blüte war gigantisch. Drei Gescheine am Trieb waren normal und bei fruchtbaren Sorten auch vier Gescheine pro Trieb oft eher die Regel denn die Ausnahme. Die Regulation dieses Überangebotes in den kommenden Wochen war die Herausforderung für alle markt- und qualitätsbewussten Winzer.
Entwicklungsstadium | BBCH | 2018 | Mittel 1968-2017 |
---|---|---|---|
Austrieb-Knospenaufbruch | 09 | 19. April | 28. April |
2-Blatt-Stadium | 12 | 22. April | 9. Mai |
Blüte, 30% der Käppchen abgeworfen | 63 | 29. Mai | 17. Juni |
abgehende Blüte | 68 | 1. Juni | 24. Juni |
Beeren erbsengroß | 75 | 18. Juni | 14. Juli |
Hell werdender Beeren | 81 | 20. Juli | 10. August |
Bedauerlicherweise muss man feststellen, dass ein übersteigertes Sicherheitsdenken bei vielen Winzern noch vorherrscht. Es werden bereits beim Rebschnitt und Binden zu viele Augen belassen, zusätzlich kommt noch die Frostrute dazu und dann belügt man sich selber, indem man sich vorgaukelt, dies doch beim Ausbrechen regulieren zu können. Nur ein Beispiel: Anstatt bei einem Rebenstandraum von 2,4 m² (2 m Zeilenbreite, 1,2 m Stockabstand) ca. 7 bis max. 10 Augen (locker auf einer Rute plus Zapfen unterzubringen) am Stock zu belassen, werden zwei Ruten mit 14 bis 18 Augen nieder gebunden (und oft noch eine Frostrute). Und wer sich einreden will, dass er doch die überschüssigen 7 bis 11 Triebe ausbricht, der belügt sich selbst. In der Praxis gibt es noch viel krassere Beispiele. Übrigens, sieben Triebe bei zwei Gescheinen je Trieb und 200 Gramm Traubengewicht ergeben fast 12000 kg/ha. Die durchschnittlichen Traubengewichte lagen 2018 oft weit über 250 Gramm.
Nachdenken und auch mal rechnen, kann immer nur empfohlen werden, durchführen muss es aber jeder selbst.
Im Juni setzte sich die rasante Entwicklung weiter fort. Die Schafskälte fiel aus, die Temperaturen blieben weiterhin hoch und die unter dem Mittel liegenden Niederschläge waren zu diesem Zeitpunkt in weiten Bereichen noch kein Grund für Sorgenfalten. Der Juli setzte den Trend der überdurchschnittlichen Temperaturen fort. 27 Sommertage davon 13 heiße Tage (Maximum >30°C) zehrten kräftig an den Wasservorräten der Böden. Der Nachschub von oben war nicht ausreichend, da meist nur 50% des mittleren Niederschlags fielen. Die Niederschlagsverteilung war sehr ungleichmäßig, da Regen meist nur bei örtlich feststehenden Gewittern niederging und dadurch auf kleinstem Raum erhebliche Unterschiede auftraten.
Trotzdem setzte sich die phänologische Entwicklung kaum gebremst fort und bereits am 20. Juli konnte der Reifebeginn (Tab.1), ca. dreieinhalb Wochen vor dem langjährigen Mittelwert, festgestellt werden. Die große Befürchtung, dass durch einige nasse Tage im August die bis jetzt herrlichen Trauben von der Fäulnis dahingerafft werden könnten, bestätigte sich nicht.
Anhaltend hohe Temperaturen und weiterhin fehlende Niederschläge verschärften auch auf tiefgründigen Standorten und in älteren Anlagen ab der zweiten Augustdekade die Trockenstressproblematik. Besonders in Anlagen mit ganzflächigen Grasbegrünungen verloren die Reben ihre Blätter und der Reifefortschritt stockte. In anderen Anlagen ging die Reife weiter, wenn man sich auch nicht vorstellen konnte, woher die Rebe das dafür notwendige Wasser nahm.
Ungewöhnlich trocken und warm blieb auch der September. Ein größerer Niederschlag Ende der zweiten Septemberdekade hatte keine Auswirkungen auf die jetzt schon ins letzte Drittel gehende Lese. Und das Wettergeschehen änderte sich weiterhin nicht. Zu hohe Temperaturen, viel zu wenig Niederschlag, ungewöhnlich viel Sonnenschein mit entsprechend vielen Sommertagen waren auch noch im Oktober die Regel, so dass der Eindruck eines nicht enden wollenden Sommers anhielt.
Krankheiten und Schädlinge
Stellenweise traten beim Austrieb verstärkt Pockenmilben auf. Der schnelle Zuwachs hielt die Beeinträchtigung der Rebe aber in Grenzen.
Sehr früh für Franken gab es bereits Mitte Mai Primärinfektionen durch Peronospora im Maintal. Das schnelle Rebenwachstum und die zu dieser Zeit noch fallenden Niederschläge forderten konsequente und auch engmaschige Behandlungen. Ende der ersten Junidekade trat vereinzelt Befall auf. Die jetzt aber immer seltener fallenden Niederschläge und die Hitze setzten der weiteren Verbreitung der Peronospora in diesem Jahr ein schnelles Ende.
Ebenso erging es dem Oidiumpilz. Die heißen Temperaturen und die geringe Luftfeuchtigkeit hinderten ihn, bis auf Einzelfälle, an einer Ausbreitung. Wegen des schnellen Wachstums und wahrscheinlich auch hoher Vorjahreserträge zeigten einige Anlagen im Juni chlorotische Symptome.
Ansonsten blieb es ein weitgehend entspanntes Rebschutzjahr, da auch Kirschessigfliege, Botrytis und sonstige Fäulen sich den hohen Temperaturen geschlagen geben mussten. Nur dem Bekreuzten Traubenwickler gefiel die Hitze. In einigen Bereichen erreichten die Befälle, sowohl in der zweiten wie in der dritten Generation, Befallsgrade bis an die 100 Prozent. Große Auswirkungen hatte dies aber nicht, da sich keine Fäulnis wegen der Trockenheit ausbreiten konnte.
Früheste Ernte aller Zeiten – oder Normalität in der Zukunft?
Die abgehende Blüte am 1. Juni deutete bereits auf eine frühe Lese hin. So wurde bereits in den letzten Augusttagen, bei hochsommerlichen Temperaturen, mit der Ernte in einzelnen Anlagen begonnen. Während der gesamten Leseperiode blieben die Trauben in einem optimalen Gesundheitszustand, da keine länger dauernden Nässeperioden eintraten. Dagegen musste darauf geachtet werden, dass das Lesegut, bei den oft warmen Tagen, bis Mittag zur Verarbeitung bereit stand. Wegen der stabilen Witterung konnte „nach Plan“ geerntet werden, wobei die gewohnte Sortenreihenfolge wegen der Zuckergehalte auf den Kopf gestellt wurde. Abhängig vom verfügbaren Wasser während der Vegetationsperiode und dem Ertragsniveau werden sich die Weine entwickeln. Es wird spannend werden, wie sich ein solches Jahr auf den Weingeschmack und die Weinentwicklung auswirken wird!