Pflanze des Monats
Brennnesseln – wehrhafter Schatz

Wie tausende kleiner Spritzen…
... funktioniert die namensgebende Verteidigung der Brennnesseln gegen hungrige Pflanzenfresser. Auf den Blättern und Stängeln sitzen einzellige spitze Brennhaare. Durch in die Zellwand eingelagerte Kieselsäure ist der dünne obere Teil hart wie Glas und ebenso zerbrechlich. Das untere Ende ist verdickt und dient als Reservoir für die säurehaltige Flüssigkeit. Bei kleinster Berührung bricht das obere Ende an einer Sollbruchstelle ab und hinterlässt eine scharfe schräge Kante – der Verteidigungsmechanismus ist aktiviert. Bei weiterem Kontakt stechen die Härchen in das Gewebe ein und die Brennflüssigkeit wird mit Druck in die Wunde gespritzt.

Auch im Tierreich werden Brennhaare zur Verteidigung und zum Schutz eingesetzt. Der Eichenprozessionsspinner ist unter den Schmetterlingen vermutlich das bekannteste Beispiel, doch auch die Raupen von Schwammspinner und Goldafter tragen Brennhaare auf ihrem Rücken. Und bei Terrarienliebhabern ist beim Umgang mit Vogelspinnen Umsicht geboten.
Da spiegelt sich was
Betrachtet man Brennnesseln näher, ist man von der Effizienz der Brennhaare nicht mehr so ganz überzeugt. Fast jede Brennnessel ist „angefressen“. Doch die Fraßspuren folgen einem auffälligen Muster: hauptsächlich entlang der Blattnerven und den Blatträndern werden die Pflanzen weggefuttert. Eine kluger Weg die brennende Abwehrstrategie auszuhebeln, denn an diesen Stellen befinden sich keine Brennhaare. Verursacher der Fraßmosaike sind meist Schmetterlingsraupen, die oft in engen Clustern – auch Raupenspiegel genannt – die Brennnesseln abweiden.

Für viele unserer Edelfalter sind Brennnesseln die wichtigste Futterpflanze der Raupen. Admiral, Tagpfauenauge, Landkärtchen, C-Falter und Kleiner Fuchs würden ohne die Brennnessel-Nahrung nicht durch unsere Gärten und Wiesen flattern.
Doch nicht nur viele Schmetterlingsarten sind eng an Brennnesseln gebunden. Auch Wanzen und Zikaden saugen gerne am Brennnesselsaft. Für den Weinbau ist dabei besonders eine Zikadenart wichtig.
In der Not…saugt die Zikade an Reben
Die Zikadenart mit dem klangvollen Namen Winden-Glasflügelzikade saugt gerne den Pflanzensaft von Ackerwinde und Brennnessel. Werden die beiden „Unkräuter“ zur Zeit des Zikadenflugs im Zuge der Beikrautregulierung aus den Weinbergen entfernt, nehmen die Zikaden notgedrungen das, was im Weinberg noch da ist – die Rebpflanzen.
Das wäre an sich nicht so dramatisch, doch die Zikade kommt nicht allein. Im „Gepäck“ haben sie zellwandlose Bakterien (Phytoplasmen), die im Phloem (Teil der Leitbahnen) infizierter Pflanzen leben. Entwickeln sich die Zikadenlarven an den Wurzeln befallener Pflanzen, nehmen sie diese Phytoplasmen auf. Die Zikade behält die Phytoplasmen ihr ganzens Leben im Körper.
Auf der Suche nach neuen Brennnessel- oder Ackerwindenwirten sticht die Zikade Reben an, wenn ihre bevorzugten Wirtspflanzen nicht zu finden sind. Dabei werden die Phytoplasmen in die Rebe übertragen.
Phytoplasmen verursachen in Reben die Schwarzholzkrankheit. Diese Krankheit wirkt sich negativ auf den Weingeschmack aus und führt zum Kümmern und Absterben der Reben. Die gute Nachricht: Reben sind für die Windenglasflügelzikade nicht sehr attraktiv. Sind genügend Brennnesseln oder Ackerwinden in der Umgebung vorhanden, bleiben die Zikaden den Weinreben fern.
Daher gilt es die Bestände an Brennnesseln und Ackerwinden in und um die Weinberge zur Flugzeit der Zikaden stehen zu lassen. Zeigt der Weinberg jedoch Krankheitssymptome, müssen um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, diese Wirtspflanzen (außerhalb der Flugzeit der Zikaden) leider entfernt werden.
Dagegen ist ein Kraut gewachsen
Bei den Heilkundigen war die Brennnessel fester und unverzichtbarer Bestandteil des Heilpflanzenrepertoires. Bei Harnwegserkrankungen, Rheuma und Arthrose wurden Brennnesselblätter und –wurzeln eingesetzt. Nachgewiesen ist, dass Inhaltsstoffe der Brennnessel antientzündlich wirken und daher auch bei Erkältungskrankheiten eingesetzt werden. Und bei standhaften Problemen können Männer Brennnesselsamen einnehmen.

In der Naturküche werden Brennnesseln gerne verwendet. Keine Angst vor den Brennhaaren – diese verlieren durch Kochen oder Anwelken ihre Wehrhaftigkeit. Rezepte mit Brennnesseln finden sich viele – von Salat, Suppe, Sirup oder als Zutat für Brotaufstriche oder Backrezepte. Einfach mal ausprobieren

    Und sonst .... Brennnesseln als:

    Viele Schmetterlingsraupen sitzen nah bei- und übereinander, daneben ein weißes Gespinst

    Kinderstube

    Eine blau-schwarz gezeichnete Libelle sitzt auf einem Brennnesselblatt in der Sonne

    Ansitz

    Ein Siebenpunkt-Marienkäfer sitzt auf einem Brennnesselblatt

    Jagdrevier

    Unscheinbare Blütchen aufgereiht an Stielchen, die quirlig um den Stängel stehen

    unscheinbarer Blütenstand