Tier des Monats
Regenwürmer – die Macher im Untergrund
In Deutschland gibt es 46 nachgewiesene Regenwurmarten. Grob eingeteilt werden sie nach ihrer Lebensweise: da gibt es die Bewohner der Streuschicht an der Oberfläche, die keine Röhren graben und durchgehend dunkel gefärbt sind. Die Mineralbodenbewohner kommen hingegen sehr selten an die Oberfläche und graben hauptsächlich horizontal verlaufende Röhren, die sie ständig neu bohren. Aufgrund der fast ausschließlich unterirdischen Lebensweise sind diese Arten kaum pigmentiert. Bei den Tiefgräbern ist ihr Name Programm: bis zu 2 Meter reichen ihre dauerhaften Wohnröhren in den Boden.
Da ist der Wurm drin!
Durch einen Quadratmeter Ackerboden bohren und winden sich bis zu 2000 Regenwürmer. Die „rege“ Bodenbearbeitung ist dabei effektiver als Fräse oder Pflug. Das Tunnelsystem der Regenwurmröhren kann in einem Quadratmeter Ackerboden bis zu 450 m lang sein. In diesen Röhren kann Regenwasser sehr gut bis in tiefere Bodenschichten eindringen und läuft nicht einfach an der Oberfläche auf und davon. Die Schwammfunktion „verwurmter“ Böden ist vor allem bei Starkregenereignissen von zentraler Bedeutung. Bis zu 150 mm Niederschlag kann ein Wurmboden pro Stunde in tiefere Bodenschichten ableiten.
Doch nicht nur Regenwasser, sondern auch Luft hat in regenwurmreichen Böden leichten Zugang. Davon profitieren aerobe Bakterien, die in gut belüfteten Böden abgestorbenes Pflanzenmaterial schneller zu Humus zersetzen können. Und für Pflanzenwurzeln bilden vertikale Regenwurmröhren regelrechte Autobahnen in die Tiefe.
Durch das ständige Graben und Bohren werden Erde und Nährstoffe umgeschichtet, was als Bioturbation bezeichnet wird. Darwin berechnete einst die Leistung der unablässigen Bohrer: auf einer 6 Hektar großen Fläche befördern Regenwürmer jährlich 25.000 kg Erde von unten nach oben. Weltweit wird der Nutzen durch die Bioturbation der Regenwürmer auf 250 Milliarden Euro geschätzt.
Entscheidend ist, was hinten rauskommt
Dass Regenwürmer für die Bodenfruchtbarkeit eine entscheidende Rolle spielen, war schon im Altertum bekannt. So soll Cleopatra ein Verbot ausgesprochen haben, Regenwürmer außer Landes zu bringen. Die Grundlage für die immense ökologische Bedeutung der Regenwürmer ist ihre Lebensweise. Sie futtern sich regelrecht durch den Boden auf der Suche nach pflanzlicher Kost. Je nach Streu- Mineralboden- oder Tiefenbewohner stehen Falllaub und Kompost, angerottete organische Substanz oder stickstoff- und gerbstoffreiches Pflanzenmaterial ganz oben auf der Speisekarte.
Gleichzeitig mit den Pflanzenresten nimmt der Regenwurm unverdauliche Bodenpartikel wie Sand oder Ton auf. Diese sorgen im Wurmdarm durch die mechanische Zerkleinerung der Nahrung für eine verbesserte Verdauung der harten Pflanzensubstanz. Dennoch wandert ein Teil der Nahrung unverdaut durch den Wurm hindurch. Ausgeschieden wird ein an Nährstoffen hochkonzentriertes Gemisch aus anorganischen Bodenpartikeln und unverdauten organischen Substanzen (Ton-Humus-Komplexe).
Für Pflanzen bilden die Ton-Humus-Komplexe einen leicht zugänglichen Cocktail wichtiger Nährstoffe. Regenwürmer setzen ihre Kotbällchen meist an der Erdoberfläche ab, die beim nächsten Regenguss fein in der Umgebung verteilt werden. Jedoch können die Ausscheidungen der Regenwürmer auch Landschaften prägen. In Südamerika formen Regenwürmer über mehrere Quadratkilometer in der feuchten Savanne eine Landschaft („Surales“), die mit bis zu 5 Meter breiten Erdhügeln aus Regenwurmkot durchzogen ist.
Der frühe Vogel…
Regenwürmer sind Nachteulen. Wenn es dunkel wird, verlassen die Regenwürmer ihre Bohrgänge um neue Futtergründe zu erschließen. Mit einsetzendem Tageslicht ziehen sie sich wieder in die Erde zurück. Der Grund der nächtlichen Aktivität: die Witterungsbedingungen in der Dämmerung und nachts sind für Regenwürmer angenehmer als tagsüber. Da sie über ihre Haut atmen, muss diese ständig feucht gehalten werden.
Ganze Generationen von Vogelkindern wurden und werden dank Regenwurmspeise groß gezogen. Vor allem Amseln, Stare, Drosseln, Möwen und Krähen suchen die Böden gezielt nach Regenwürmern ab. Dies lässt sich gut im Weinberg bei der mechanischen Bodenbearbeitung beobachten. Der durch den Pflug aufgelockerte Boden ist für die Vögel ein regelrechtes Regenwurmbüffet. Doch der größte Fressfeind der Regenwürmer ist der Maulwurf.
…fängt nicht mehr so viele Würmer
Nicht nur Maulwurf und Co. machen Regenwürmern zu schaffen. Schlimmer sind die Auswirkungen von zu intensiv betriebener mechanischer und chemischer Bodenbearbeitung. Es stimmt keinesfalls, dass aus einem Regenwurm zwei werden, wenn man ihn in der Mitte auseinanderschneidet. Fakt ist, dass sich das Regenerationsvermögen auf die hinteren Segmente des Regenwurmkörpers beschränkt. In Vorderende und Körpermitte liegen lebenswichtige Organe. Werden diese verletzt, sterben der Regenwurm bzw. beide Regenwurmhälften. Daher sind die scharfen Kanten von Pflug und Fräse fatal für Regenwürmer. In Böden mit intensiver Bodenbearbeitung ist die Regenwurmpopulation stark dezimiert. Der Einsatz von Herbiziden entzieht Regenwürmern längerfristig ihre Nahrungsgrundlage. In behandelten Böden sinken innerhalb von kurzer Zeit alle Regenwurmaktivitäten drastisch ab.
Um auf die Gefährdung und vor allem dem großen Nutzen der Regenwürmer aufmerksam zu machen, ist der 15. Februar weltweit dem Regenwurm gewidmet.