Biodiversität
Weinbau 2050 - Modellfläche zur Förderung der Artenvielfalt
Am Thüngersheimer Scharlachberg ist die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau im Besitz von rund zehn Hektar Rebfläche. Seit 2014 werden dort verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Artenvielfalt durchgeführt. Ziel ist es, Weinberge so umzugestalten, dass sich die höchstmögliche Biodiversität entwickeln kann, ohne dass die Wirtschaftlichkeit der Rebflächen beeinträchtigt wird.
Im Vergleich zu früheren Arbeiten wird allerdings nicht mehr nur der einzelne Weinberg betrachtet, sondern die Gesamtheit der Weinberge in einer Weinbergslage sowie deren natürliches Umfeld.
Sogenannte Saumstrukturen binden die Weinberge in die Landschaft ein und sind gleichzeitig die verbindenden Strukturen für den Austausch und die Wanderung vieler Arten. So ist die Verknüpfung der einzelnen Maßnahmen wie z. B. das Einrichten von Blühstreifen, über mehrere Weinberge und wenn möglich die Anbindung an natürliche Trocken- bzw. Magerrasenflächen ein wesentlicher Bestandteil dieses Projektes.
Weinbau 2050 stellt somit ein Wildlebensraum-Modellgebiet für den Weinbau dar. Diese Modellfläche bündelt gut sichtbar die verschiedenen Möglichkeiten, auch Werkzeuge oder Tools genannt, die den Winzern zur Förderung der Biodiversität in den Weinbergen bereits zur Verfügung stehen.
In einem weiteren Schritt sollen wissenschaftliche Erhebungen der Diversität der Fauna und Flora im Vergleich zu Weinbaustandorten mit einer standardmäßigen Bewirtschaftung erfolgen.
Die verschiedenen Maßnahmen im Einzelnen
Blühender Weinberg
"Begrünung"
- Tool 1: Entlang der Wege an den Randstreifen können sich Begrünungen ohne störende Einflüsse auf die Reben entwickeln. Diese Randstreifen ziehen sich den ganzen Weinberg entlang und stellen so eine Brücke zwischen den Teilen einer Weinlage und ihrer Umgebung her und ermöglichen eine leichtere Ausbreitung vieler Arten. Vernetzt werden solche "Lebensadern" durch Begrünungsstreifen entlang von Wasserabschlägen.
- Tool 2: Eine blühende Begrünung zur Förderung der Nützlinge ist Teil eines nachhaltigen Weinbaus. Ihre Wasser- und Nährstoffkonkurrenz zur Rebe führt in trockenen Phasen jedoch zur Bearbeitung der Begrünung in den Rebgassen und damit auch zur Störung dieses Lebensraumes. An den Standort angepasste Begrünungsmischungen mit geringem Wasser- und Nährstoffbedarf sind daher zu bevorzugen.
- Tool 3: Kurze Spitzzeilen lassen sich nur sehr schlecht bearbeiten und werden daher immer öfter aus der Produktion genommen und an dieser Stelle ein Baum gepflanzt, um die Landschaft zu strukturieren. In diesem Umfeld lässt sich eine vielfältig blühende Begrünung aufbauen.
Weinbau auf Querterrassen
Vielerorts prägen die Steillagen des Weinbaus das landwirtschaftliche Erscheinungsbild einer Region. Die extremen Produktionsbedingungen in diesen Weinbergen führen jedoch häufig zur Aufgabe dieser Steillagen. Durch die fehlende Bewirtschaftung verbuschen diese Flächen und langfristig setzen sich Heckenpflanzen und Bäume durch. Nicht nur Pflanzen, die nicht an andere Stelle umsiedeln können, verschwinden, sondern auch für viele speziell angepasste Tiere schrumpft der Lebensraum.
Auch die am Standort Scharlachberg heute quer terrassierte Anlage war von einer Trockenmauer abgeschlossen und nicht mehr bewirtschaftbar. Im September 2013 wurden 1,3 ha ehemalige Rebfläche zu Querterrassen mit rund 1,80 m Höhe und rund 2 m Breite umgestaltet. Zum Schutz vor Erosion wurden spezielle, an trockene Standorte angepasste Begrünungsmischungen aufgebracht. Der Böschungsfuß und der Wegbereich blieben weitestgehend offen.
Bereits im ersten Sommer konnten zahlreiche Tierarten mit einer Vorliebe für trockene, heiße Standorte beobachtet werden. Der hier entstandene Biotopkomplex aus offenbodigen Geröllflächen neben schwach bewachsenen, trockenrasenähnlichen Standorten und ökologisch bewirtschafteten Rebzeilen erfüllte bereits in den ersten Sommern die Voraussetzungen an den Lebensraum für das Auftreten einer Vielzahl dieser wärmeliebenden Tiere.
Alternatives Beikrautmanagment
In einem Projekt der LWG werden Alternativen zum Einsatz von Herbiziden im Weinbau untersucht. Während in Flachlagen eine mechanische Bearbeitung des Unterstockbereiches nach dem heutigen Stand der Technik sehr gut durchführbar ist, ist der Verzicht auf Herbizide in Steillagen mit einem nicht unerheblichen Mehraufwand und einer erhöhten Erosionsgefahr verbunden.
Neben der mechanischen Bearbeitung des Unterstockbereiches (Tool 1) und der gezielten Einsaat von Unterstockbegrünungen (Tool 2), werden in diesem Projekt zwei weitere Schwerpunkte untersucht.
In Zusammenarbeit mit dem Technologie- und Förderzentrum in Straubing (TFZ) wird aktuell ein aufsprühbares Mulchmaterial (Tool 3) entwickelt, das den Beikrautbewuchs im Unterstockbereich unterdrücken soll. Das Mulchmaterial soll auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden und somit vollständig abbaubar sein.
Ein weiterer Baustein des Projektes ist der Einsatz von natürlichen Wirkstoffen mit phytotoxischer Wirkung (Tool 4). Hierzu gehört zum Beispiel die Pelargonsäure (Nonansäure), eine gesättigte Fett- bzw. Carbonsäure, die in Form ihrer Ester in den Blättern von 'Pelargonium roseum', 'Ajania', 'Rubus' sowie im Hopfenöl, Rosenöl oder auch Disteln vorkommt. Erste Versuche mit der Pelargonsäure, konnten bereits durchgeführt werden und waren sehr aussichtsreich. Innerhalb dieser Fragestellung werden auch Essigsäure oder allopathische Wirkstoffe, wie sie zum Beispiel bei Walnuss vorkommen, auf ihre Wirksamkeit getestet.
Forschungsprojekt: Alternative Beikrautregulierung im Obst- und Weinbau
Brache und Biodiversität
Der Nebeneffekt einer Brache ist, dass diese Fläche vorübergehend als „Öko-Nische“ dient, ein Ackerrandstreifeneffekt eintritt und das Landschaftsbild aufgelockert wird. Oberirdisch bietet die vielartige Begrünung (Tool 1) Nahrung für viele verschiedene Insekten und Wildbienenarten. Aber auch Vögel, Rebhühner und andere Tiere finden in der Brachebegrünung Nahrung und Schutz. Mit der Entfernung einer alten Rebanlage ist bis zur Neuanpflanzung die einmalige Möglichkeit gegeben, ungehindert von Rebstöcken und Drahtrahmen ganzflächig gezielte Bodenpflegemaßnahmen zu ergreifen. Die Brachezeit bietet die besondere Chance, Störungen im Bodengefüge zu beheben und mit entsprechenden Lockerungs- und Begrünungsmaßnahmen zu verbessern. Zur Verbesserung der Bodenstruktur ist es sinnvoll, artenreiche Begrünungsmischungen auf den Brachflächen einzusäen. Die verschiedenen Pflanzenarten mit ihren unterschiedlichen Wurzelhorizonten leisten wichtige Arbeit, um den Boden bis in tiefere Schichten zu durchwurzeln und aufzulockern.
Im Sinne der Artenvielfalt ist die Pflege der Brachflächen allerdings differenzierter zu betrachten. So ist es wichtig, dass es neben den begrünten Flächen auch offene Bereiche (Tool 2) gibt. So ernähren sich zum Beispiel viele Vogelarten der halboffenen Kulturlandschaft zu einem Großteil von Insekten und Spinnen am Boden. Auch im Boden nistende Wildbienen nutzen diese offenen Bodenflächen.
Steinreiche Weinberge
An die Weinlagen angrenzende Felsen werden oft nicht weiter beachtet, aber auch sie sind Teil dieses trockenen, warmen Lebensraumes. Schnell wachsende Gehölze lassen innerhalb weniger Jahre diese Bereiche durch Überwucherung verschwinden und damit einen wertvollen Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Eine regelmäßige Pflege erhält dieses Habitat (Tool 1).
Weinberge sind ein ganz besonderer Lebensraum, stehen die Reben doch oft auf kargen, steinigen Böden an Berghängen, an welchen sonst keine landwirtschaftliche Produktion möglich ist. Diese trockenen, sich schnell erwärmenden und die Sonnenhitze des Tages lange speichernden Böden bieten einer speziell angepassten Fauna und Flora einen Lebensraum. Viele Arten kommen nur an diesen Standorten vor und ein großer Teil davon findet sich auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.
Lesesteinhaufen, Steinriegeln oder Steinschütten sind in mühsamer Handarbeit errichtete Ansammlungen von die Bewirtschaftung störenden Steinen. Bei der mechanischen Bearbeitung der Anlagen wurden freigelegte Steine oft entsorgt und nicht zur Pflege der bestehenden oder Anlage neuer Steinriegel genutzt. Um die Biodiversität zu fördern, sollten diese Lesesteine wieder genutzt werden (Tool 2)
Weinbergmauern erschlossen die steilen Hänge für den Rebenanbau. Erhalt und Pflege dieser Mauern sind sehr aufwändig. Die Förderung beispielsweise über das bayerische KULAP-Programm B56 sind eine Maßnahme, um diese landschaftsprägenden Strukturen und damit Lebensräume zu erhalten (Tool 3).
Die Anlage von geschotterten statt geteerten Wegen vernetzt die steinernen Lebensräume (Tool 4).
Totholz als Lebensraum
Viele Insekten und weitere Tiere benötigen neben der Nahrung, die sie in den blühenden Begrünungen finden, auch Rückzugsräume zum Schutz vor Frost, Hitze, Trockenheit oder Nässe und vor Räubern; für die Aufzucht der Jungen wird häufig ein spezieller Lebensraum benötigt. Diese Aufgaben übernimmt oft das sogenannte Totholz. Totholz ist im Gegensatz zu seinem Namen sehr lebendig, denn hier finden sich unzählige Käferarten, Fliegen, Ameisen und vor allem Wildbienen und Wespen. Nachdem in den Weinbergen kein totes Holz zu finden ist, fehlt dieses notwendige Angebot für Insekten. Abhilfe bietet das künstliche Angebot durch Totholzhaufen (Tool 1) oder – für viele Arten wichtig – senkrecht stehendes Totholz (Tool 2). Daneben können spezifisch vorbereitete Nisthölzer dem Brutraummangel Abhilfe schaffen (Tool 3).
Strukturelement Weinberghütte
Früher waren Weinberghütten ein gängiges Element in der Weinkulturlandschaft. Dort wurden die Handwerksgeräte für die Arbeit im Weinberg untergebracht und die Hütten dienten als Unterschlupf bei schlechtem Wetter oder für die wohlverdiente Pause. Im Zuge der Flurbereinigungen verschwanden die Hütten aus den neu angelegten Weinbergen. Mit der zunehmenden Mechanisierung der Arbeit in den Weinbergen mit Schlepper und Anbaugeräten entfiel die Notwendigkeit eines Lagerraums für die Handgeräte.
In Weinberghütten fanden vor allem Schleiereulen und Fledermäuse Nistmöglichkeiten in den alten Dachstühlen. Nisthilfen an den Außenseiten noch bestehender Weinberghütten oder Scheunen ermöglichen Höhlenbrütern wie den Meisen oder Halbhöhlenbrütern wie dem Hausrotschwanz einen geeigneten Platz für die Aufzucht der Jungen.
Die Modellfläche zur Artenvielfalt im Weinbau kennenlernen - Beispiele zur Öffentlichkeitsarbeit
Pilotprojekt "Weinbau 2025“
Besuch in der Modellfläche
Rund 50 Vertreter des Stadtrates und des Weinbauvereins Iphofen besuchten den Thüngersheimer Scharlachberg und informierten sich über die praktische Umsetzung des Biodiversitätsgedankens anhand des LWG-Pilotprojektes "Weinbau 2025". Neben Blühstreifen und Steinriegel konnte dabei auch die "rotflügelige Ödlandschrecke" bewundert werden, die am Scharlachberg jetzt wieder häufiger anzutreffen ist. Mehr
Biologische Vielfalt im Weinberg
LBV-Präsident Dr. Norbert Schäffer besucht Thüngersheimer Scharlachberg
Weinkulturlandschaft neu gestalten: Seit 8 Jahren geht die LWG in der Weinlage Thüngersheimer Scharlachberg in der Gestaltung der Reblandschaft neue Wege. Die im bundesweit einzigartigen Projekt „Weinbau 2025“ umgesetzten Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt erlebte der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern (LVB), Dr. Norbert Schäffer, bei einem Rundgang hautnah. Mehr