Biodiversität
Die Robinie (Robinia pseudoacacia) - Eine heikle Gewinnerin
Die Wahl der Robinie zum Baum des Jahres 2020 sorgt für viel Diskussion. Eigentlich stellen die Kuratorien mit den Wahlen zur „Natur des Jahres“ Tiere, Pflanzen oder Lebensräume in den Vordergrund um auf ihre Gefährdung oder Einzigartigkeit aufmerksam zu machen. Mit der Robinie wurde jedoch erstmals ein Neophyt gekürt, der zudem teilweise invasiv auftritt und heimische Arten offenbar mühelos zurückdrängt.
Hart, härter, Robinie
Vor ca. 400 Jahren führte der königliche Hofgärtner Robin mit der Robinie ein wahres Schwergewicht aus Nordamerika nach Frankreich ein. Mit einer Darrdichte, d.h. die durchschnittliche Rohdichte von Holz bei 0 % Holzfeuchte, von 730 kg/m3 übertrifft sie die meisten heimischen Baumarten (Bsp. Darrdichte Eiche: 650 kg/m3). In der Holzhärte steht die Robinie sogar ganz oben an der Spitze (Brinellhärte Robinie: 48 N/mm2).
Der Siegeszug der Robinie in Europa vollzog sich zunächst entlang von Alleen und in Parks. Doch die Entdeckung der widerstandsfähigen Eigenschaften ließ nicht lange auf sich warten. Und so wurde das zähe, elastische und biegsame Holz dort verwendet, wo besonders hohe mechanische Anforderungen an das Holz gestellt werden. Früher ratterten Dampfeisenbahnen über hölzerne Robinien-Bahnschwellen und manch einer verwendet noch Werkzeuge mit Robinienholzstielen im Garten oder Weinberg. Mittlerweiler erobert Robinienholz als „Teak des Nordens“ in Form von Gartenmöbeln und Klettergerüsten die heimischen Terrassen und Spielplätze.
Vor der Metallpfahlära wurde Robinienholz für die Herstellung von Weinbergstickel verwendet. Und was für die Winzer hierzulande das Eichenfass ist, sind für die südeuropäischen Branntweinhersteller Robinienfässer. Auch bei der Essigherstellung ist die Robinie beteiligt: in Modena reift der traditionelle „Aceto balsamico“ in Fässern aus Robinienholz seinem Verzehr entgegen.
Gemeinsam geht´s besser
Eine wortwörtlich augenfällige Eigenschaft der Robinie ist, dass sie sehr schnell karge Ruderal- und Ödlandflächen besiedeln kann. Zudem erreichen sie trotz Nährstoffarmut der Böden innerhalb weniger Jahre stattliche Höhen. Wie meistert eine Baumart diesen energetischen Kraftakt? Die Antwort darauf: Teamwork!
Das Erfolgsgeheimnis der Robinie besteht in einer engen Partnerschaft mit Bakterien (Rhizobien), die in den Wurzelspitzen der Robinien knöllchenartige Wucherungen verursachen. Diese Knöllchenbakterien sind in der Lage Luftstickstoff in pflanzenverwertbare Stickstoffverbindungen umzuwandeln. Stickstoff ist in den meisten Fällen der begrenzende Wachstumsfaktor bei Pflanzen. Im Austausch dafür erhalten die Bakterien essentielle Assimilationsprodukte der Photosynthese von ihrem Pflanzenpartner. Die enge Symbiose besteht über den gesamten Lebenszyklus der Pflanze. Stirbt diese ab, wandert eine große Anzahl an Knöllchenbakterien in den Boden um dort auf die Suche nach einem neuen Partner zu gehen. Jedoch können die Bakterien nur mit Pflanzen aus der Familie der Leguminosen eine erfolgreiche Partnerschaft eingehen.
Winzer machen sich die Symbiose der Leguminosen bei der Bodenverbesserung ihrer Weinberge zu Nutze. Gezielt werden Wicken, Klee, Luzerne und Lupinen zur Gründung eingesät. Alle diese Pflanzen sind Mitglieder der Leguminosen-Familie, wie auch die Robinie.
Des einen Freud, des anderen Leid
Doch während im Wein- und Ackerbau die Fähigkeit der Leguminosen wertvollen Stickstoff im Boden anzureichern äußerst begrüßt wird, verursacht dies im Naturschutz teilweise starke Probleme. Robinien siedeln sich bevorzugt auf warmen Trockenrasen an. Aufgrund des stetigen Stickstoffeintrags in den Bodens wird jedoch die auf karge Böden spezialisierte Magerrasenfauna durch konkurrenzstarke „Stickstoff-Fresser“ wie z. B. die Brennnessel schrittweise verdrängt. Mittelfristig wandelt sich so der einstmalige Trockenrasen in eine nährstoffreichere Wiese mit der dazugehörigen Fauna um. Für den Naturschutz ist dies kritisch - beherbergen doch gerade die Trockenrasen eine einzigartige und hochspezialisierte Flora und Fauna.
Ähnlich unverwüstlich wie das Holz, präsentiert sich auch der Baum. Hat sich die Robinie einmal in einem Lebensraum angesiedelt ist es fast unmöglich sie wieder aus dem Habitat zu entfernen. Robinien betreiben erfolgreich und ausdauernd Wurzelbrut. Dies bedeutet, aus oberflächennahen Wurzeln treiben neue Pflanzentriebe aus. Bei radikalen Bekämpfungsmethoden wie Rückschnitt und Kahlschlag erhält man aufgrund der hohen Austriebkraft der Robinien einen noch dichteren Bestand.
Geschätzt wird die Hartnäckigkeit der Robinie hingegen als Erosionsschutz bei der Befestigung von neu angelegten Böschungen und Hängen. Ihr schnell wachsendes Wurzelsystem durchdringt lockeren Boden rasch und erreicht in kurzer Zeit Tiefen von mehr als 7 m. Der Boden auf abschüssigen Hängen wird somit in kurzer Zeit fixiert und mit Nährstoffen angereichert.
Baum des Jahres 2020 – Hoffnungsträger im Klimawandel
Ihre Vorliebe für trocken-warme Lebensräume, das rasche Wachstum, die guten Nutzungsmöglichkeiten des Holzes und nicht zuletzt ihre nektarreichen Blüten befähigen die Robinie zu einem funktionierenden Waldökosystem unter dem Klimawandel beizutragen. Durch ihren Beitrag zur Nährstoffverbesserung der Böden ist sie Wegbereiterin für „anspruchsvolle“ Baumarten. Aus der Schweiz liegen bereits Angaben vor, dass Mischung mit Eiche und Linde gut funktionieren. Dennoch sollte umsichtig mit Robinienpflanzungen umgegangen werden. Im städtischen Bereich eignet sich die Robinie mit ihrer Licht- und Wärmeliebe, ihrer hohen Salztoleranz, dem nicht zu dichtem Laub und den attraktiven Blüten sehr gut. Es bleibt spannend zu beobachten, ob sich der Siegeszug der Robinie mit dem Klimawandel weiter fortsetzt.