Biodiversität
Weinberge - eine steinreiche Kulturlandschaft

Terrassen-Weinberg bei Homburg am Main

Weinbergsmauern und Weinterrassen prägen oft eine Weinbaulandschaft. Weinberge wurden in der Regel an steilen Hängen angelegt, an denen eine andere land­wirtschaft­liche Nutzung nicht möglich war. Die Reben stehen dann auf kargen, steinigen Böden, die sehr trocken sind, sich schnell erwärmen und die Sonnenhitze des Tages lange speichern. Dadurch bieten sie einer speziell angepassten Fauna und Flora einen Lebensraum. Diese Tiere und Pflanzen kommen oftmals nur dort vor und stehen teilweise auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Die Bearbeitung der extrem steilen Lagen stellt die Winzer vor große Herausforderungen. So sind diese Lagen nur schwer technisierbar und der manuelle Arbeitsaufwand sehr groß, so dass eine ökonomisch nachhaltige Bewirtschaftung kaum möglich ist.

Verwildern diese Anlagen, verändert sich das Erscheinungsbild einer Landschaft völlig. Terrassen, Mauern und Felsen verschwinden erst unter Buschwerk und die Sukzession führt schleißlich zu einem waldartigen Bewuchs. Für die an den trocken-heißen Standort angepassten Pflanzen und Tiere verändern sich die Lebensbedingungen dramatisch. Können diese Spezialisten nicht auf benachbarte von Winzern noch gepflegte Bereiche ausweichen, verschwinden diese wenig wanderfreudigen Arten aus der Region. Um diese Lebensräume und Landschaftselemente zu erhalten, wird über das bayerische Kulap-Programm B56 der Erhalt und Wiederaufbau von Weinbergmauern gefördert.

Anstehender Fels

Neben den Mauern und Terrassen ist der anstehende Fels ein großer Teil dieses xerothermen Lebensraumes, der jedoch meist wenig Beachtung findet. Schnell wachsende Gehölze überwuchern innerhalb weniger Jahre auch diese Bereiche. Genauso erging es vielen Lesesteinhaufen, Steinriegeln oder Steinschütten. Jede Region hat eine eigene Bezeichnung für diese in mühsamer Handarbeit zusammengetragenen Steine, die die Bewirtschaftung stören. Inzwischen werden die bei der mechanischen Bearbeitung freigelegten Steine meist entsorgt und nicht zur Pflege der bestehenden oder Anlage neuer Steinriegel genutzt.

Steinschütten – Brücken zwischen Lebensräumen

Die Steinschütten sind ein wichtiger Faktor in der Vernetzung von Biotopen im Bereich der Weinberge und dienen damit dem Erhalt der Biodiversität. Wie die begrünten Randstreifen entlang von Rebflächen und Wegen ermöglichen sie als „Trittsteine“ einen Austausch zwischen den einzelnen Vorkommen speziell angepasster Arten. So bieten Steininseln eine Vernetzung und Ausbreitungsmöglichkeit für verschiedene Reptilien wie Schlingnatter oder Zauneidechse und dienen als Wärmeinseln für Insekten. Vernetzt werden dabei der anstehende Fels mit Weinbergmauern und anderen steinernen Strukturen (Schotterweg, Weinberghäuschen).
Steinriegel entstanden aus Anhäufungen von Lesesteinen als im Mittelalter durch Ausweitung des Rebenanbaus Wein auch auf flachgründigen Muschelkalkhängen angebaut wurde. Das regelmäßige Hacken legte viele Steine frei, die abgelesen und an der Grundstücksgrenze aufgeschichtet wurden. Diese Steinriegel erreichten sowohl in der Höhe als auch in der Breite Ausmaße von einigen Metern. Die Steinwälle heizten sich tagsüber auf und gaben die gespeicherte Wärme in der Nacht wieder ab und regulierten so das Klima in den Weinbergen.

Geschützte Bestandteile der Flur

Durch die Flurbereinigung gingen viele dieser Steinschütten verloren oder die Vegetation überwucherte sie, wobei die Steinhaufen unter dieser Pflanzendecke noch erhalten sind. Oder die Steinriegel sind noch erhalten, aber die Fläche wird nicht mehr als Weinberg genutzt. In Deutschland stehen die Steinriegel wie die Trockenmauern auf der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen. In Baden-Württemberg sind diese Steinriegel seit 1992 als Naturdenkmale und Biotope geschützt. Im Bayerischen Naturschutzgesetz ist die Beseitigung oder Beeinträchtigung der Lesesteinwälle verboten. Am Thüngersheimer Scharlachberg zeigt die LWG beispielhaft, wie steinerne Biotope vernetzt und somit weitere Möglichkeiten zur Förderung der Biodiversität geschaffen werden können.

Neuanlage von Steinriegeln

Um das alte Verfahren der Steinwälle wieder aufzugreifen, wurden durch das Institut Weinbau und Oenologie der LWG Steinschütten am Thüngersheimer Scharlachberg angelegt. Dies erfolgte im Bereich von weinbaulich nicht nutzbaren Brachflächen innerhalb der Weinbergslage. Verwendung fanden Lesesteine, die sonst entsorgt werden, und Steine einer abgebrochenen Muschelkalkmauer.
Durch die Anlage der Steinriegel entstand eine vernetzende Struktur zwischen anstehenden Felsen und Weinbergmauern, die sich durch die Weinlage zieht. Im Umfeld der Steinhaufen angesäte, standortgerechte Blühmischungen ergänzen diese Maßnahme zur Förderung und Erhaltung der Biodiversität in den trocken-heißen Weinbergen.

Schotterwege

Im Rahmen der Flurbereinigung wurden in der Vergangenheit die meisten Weinbergwege betoniert oder geteert. Besser für die Vernetzung der Strukturelemente anstehender Fels, Mauer und Steinriegel ist das schottern von (Neben)wegen. Die Steine dieser Wege sind im wahrsten Sinne des Wortes Trittsteine zwischen den verschiedenen steinernen Lebens­räumen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass diese Wege im Laufe der Jahre zuwachsen, so dass sie um ihre Funktion erfüllen zu können auch gepflegt werden müssen.

Willkommen zurück!

Ein Profiteur dieser Maßnahme ist die vom Aussterben bedrohte Rotflügelige Ödlandschrecke Oedipoda germanica. Diese Kurzfühlerschrecken benötigen einen steinigen und warmen Boden für die Eiablage. Aus dem unter den Steinen überwinternden Ei schlüpfen im Mai die Larven, die sich nach fünf Larvenstadien zum erwachsenen Tier häuten. Erst diese sind flugfähig und zeigen beim Auffliegen die namensgebende, rote Flügelfarbe. Für ihre Entwicklung benötigen die Larven krautige Pflanzen in der Nähe. Da der Aktionsradius der Ödlandschrecke nicht mehr als 150 bis 200 Meter beträgt, sind die über die gesamte Rebfläche verteilten steinernen Inseln, wie Steinriegel oder Schotterbereiche, neben einer krautigen Begrünung für die Etablierung und Erhaltung der Art notwendig. Erst durch die Erstellung der verbindenden Strukturen können sich die Ödlandschrecke in der ganzen Weinlage ausbreiten und die Population eine überlebensfähige Größe erreichen.

Mehr zur Rotflügeligen Ödlandschrecke Oedipoda germanica

So wird ein Steinriegel zum Gewinn für Flora und Fauna

  • Als Standorte sollten sonnige und windstille Stellen, am Rand von Weinbergen, entlang von Wasserabschlägen, oder im Bereich von unrentablen Spitzzeilen gewählt werden.
  • Als Vorbereitungsmaßnahme ist der Bewuchs mit oberem Wurzelbereich auf der geplanten Fläche zu entfernen.
  • Nur Steine aus der Umgebung verwenden und keine Fremdstoffe (wie Beton oder Ziegel) einbauen.
  • Steinhaufen mindestens drei Meter lang und zwei Meter breit sowie mit einer Höhe bis 1,20 Meter gestalten (flache und schmale Steinriegel werden schnell überwachsen und benötigen mehr Pflege). Dabei eine stabile Schichtung der Steine umsetzen.
  • Unfallgefahr und Verkehrssicherheit beachten!
  • Größere Steine in der Basis setzen; im unteren Bereich zur Stabilisierung zudem Sand oder Erde einbringen.
  • Steine mit planen Flächen im oberen Bereich als Sonnenplätze für Reptilien, Vögel und Insekten platzieren
  • Optimaler Zeitpunkt für diese Arbeiten ist der Winter, da hier leichter freie Arbeitskapazitäten zu finden sind und die Natur ruht.

Achtung!
Diese steinernen Strukturen haben nichts mit den geschotterten Vorgärten zu tun, die sich immer weiter ausbreiten. Im Weinberg sind dies verknüpfende steinerne Bänder, die durch begleitende, blühende Begrünungen vielen Tieren eine Wärmeinsel, ein Versteck oder einen Weg zur Erweiterung ihres Lebensraumes bieten.