Das fränkische Erfolgsmodell nun in ganz Bayern am Start
Sortenreine Edelbrände aus seltenen Streuobstsorten
von Martin Degenbeck und Mathias Krönert, LWG Veitshöchheim
2015 hat die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG) das Projekt „Sortenreine Edelbrände aus seltenen Streuobstsorten in Franken“ in die Wege geleitet. In der Überzeugung, dass gerade die Obstbrenner einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Sortenvielfalt leisten können, und zwar durch die Herstellung und Vermarktung hochwertiger sortenreiner Brände aus Raritäten wie der ‚Röhrlesbirne‘, wurde mit Finanzmitteln vom Cluster Ernährung, dem Fränkischen Klein- und Obstbrennerverband sowie der Main-Streuobst Bienen eG ein Modellprojekt gestartet. Dieses Projekt wurde nun auf ganz Bayern ausgeweitet.
Das fränkische Cluster-Projekt
14 fränkische Brenner haben 27 verschiedene exquisite Brände abgefüllt, und zwar in eine 0,2-Liter-Flasche im speziellen Design, die schließlich am 18.11.2016 bei einer offiziellen Einführungsveranstaltung erstmals präsentiert wurden. Für 13,50 € pro Flasche konnten nun diese Spezialitäten erworben werden („was nichts kostet, taugt auch nichts!“), und zwar entweder bei dem jeweiligen Brenner oder bei der Main-Streuobst-Bienen eG, die das komplette Sortiment bis heute auch im Online-Shop vertreibt. Da das Hauptanbaugebiet der Zwetschge in Bayern in Mainfranken liegt, ist auch die „Fränkische“ Hauszwetschge dabei, obwohl sie nicht selten ist.
Premiumstrategie Bayern
Nun geht das Projekt mit dem bewährten Grundkonzept, erweitert auf ganz Bayern, in die nächste Runde, finanziert im Rahmen der „Premiumstrategie für Lebensmittel aus Bayern“, wozu die sortenreinen Edelbrände hervorragend passen.
- Die Auszeichnung von 100 Genussorten (darunter auch Orte mit Obstbrand als Schwerpunkt wie Wartmannsroth im Lkr. Bad Kissingen)
- Die Genussakademie Bayern in Kulmbach mit praxisorientierten Qualifizierungen und Workshops rund um das Thema Genuss, z.B. Qualifizierung von Edelbrandsommeliers
- Die Genuss-Schätze Bayern – Begleitung spezieller Wertschöpfungsketten für hochwertige Produkte (hier für die sortenreinen Brände aus seltenen Streuobstsorten)
Das Konzept
Das in Franken bewährte Konzept wurde im Wesentlichen beibehalten, wobei die Marketing-Aktivitäten ausgebaut werden. Die Agentur DLKM aus Iphofen wurde wiederum mit der Umsetzung beauftragt. Zunächst wurde eine wertige Imagebroschüre entwickelt (im quadratischen Format wie die Flasche), Auflage 4.000 Stück. Hinzu kommen Präsentkartons, Tischpräsentationen und Rollups für jeden Brenner, außerdem eine Messewand.
Auswahl der Brenner
Der LWG-Brennereifachberater Mathias Krönert hat Mitte 2019 das Konzept beim Südostbayerischen Verband der Obst- und Kleinbrenner und beim Kleinbrennerverband Lindau auf Verbandsversammlungen vorgestellt und um Beteiligung gebeten. Eine Brennerfamilie aus Lindau und fünf Brenner aus Südostbayern (darunter so bekannte Namen wie Andreas Franzl und Benedikt Pointner, seines Zeichens 1. Vorstand der Bayerischen Edelbrandsommeliers) waren schließlich bereit, sich der LWG und weiteren 13 Brennern aus Franken anzuschließen und „auf den fahrenden Zug aufzuspringen“. Manche schreckte vielleicht der Eigenanteil von 500 € ab, andere möglicherweise das bereits fertige fränkische Konzept, hauptsächlich aber wohl die fehlende Sortenkenntnis über das Standardsortiment hinaus. Zudem legt die LWG auf 100% Streuobst großen Wert.
Sortenauswahl
Anders als beim vorausgegangenen Projekt in Franken, bei dem ein Großteil der Sorten bei der Kartierung im Landkreis Würzburg (2007-2010) lokalisiert und an die Brenner vermittelt worden war, wurde beim laufenden Projekt ausschließlich auf Sortenvorschläge der interessierten Brenner zurückgegriffen. Dies machte eine Sortenbestimmung durch sehr gute regionale Pomologen erforderlich; in Lindau durch Hans-Thomas Bosch und in Südostbayern durch Josef Stein. Ein Teil der vorgeschlagenen Sorten wurden wegen ihrer Häufigkeit ausgeschlossen, einzelne konnten leider nicht sicher bestimmt werden.
So blieben 2020 aus Südostbayern und Lindau insgesamt 4 neue Apfelsorten, 9 neue Birnensorten, die Lokalsorte ‚Schönberger Zwetschge‘ und das ‚Kriacherl‘, wie die formenreiche Wildpflaume in Südbayern bezeichnet wird. Siehe hierzu die Tabelle.
Im Zuge dessen haben auch einzelne Brenner aus Franken ihr Sortenspektrum ausgebaut und Raritäten wie Wildapfel und Wildbirne ergänzt. Die LWG steuert Obstbrände aus 8 Sorten bei, jeweils in kleineren Mengen. Somit umfasst das Sortiment mittlerweile insgesamt 14 Apfel- und 18 Birnensorten, dazu 5 Pflaumensorten und den Speierling, wobei einige Sorten von mehreren Brennern destilliert worden sind.
Region Franken | Sorten |
Apfel | Raafs Liebling, Schmidberger Renette, Steinbacher, Unseldapfel, Wöbers Rambur, Winterprinzenapfel, Wildapfel (neu), Berner Rosenapfel (neu), Gelber Edelapfel (neu) Börtlinger Weinapfel (neu) |
Birne | Hänserbirne, Mollebusch, Große Rommelter, Neue Poiteau, Röhrlesbirne, Schweizer Wasserbirne, Sussbirne, Trockener Martin, Wildbirne (neu) |
Sonstige | Dattelzwetschge („Spitzer“), Fränkische Hauszwetschge, Hauszwetschge (Holzfass) (neu), Reneklode (neu), Speierling |
Region Südostbayern | |
Apfel | Schweizer Winterglockenapfel, Himbeerapfel von Holowaus, Wettringer Taubenapfel, Berner Rosenapfel, Steinerapfel, Schmiedberger Renette, Zuccalmaglio, Roter Eiser |
Birne | Frauenbirne, Bayerische Weinbirne, Diels Butterbirne, Grüne Jagdbirne, Gelbmöstlerbirne, Scheiblbirne, Listegger Hofbirne |
Sonstige | Schönberger Zwetschge, Kriacherl |
Region Lindau | |
Apfel | Kardinal Bea |
Birne | Nägelesbirne, Wahlsche Schnapsbirne |
Besondere Aktionen
Seitens der LWG wurde das Projekt „Sortenreine Edelbrände aus seltenen Streuobstsorten“ bereits 2017 und 2019 auf der „desta - Messe der edlen Brände“ in Volkach vorgestellt, wobei im Wechsel die Brenner ihre Projektbrände zur Verkostung anboten. Die Resonanz war hervorragend. Auch bei der Landesgartenschau in Würzburg 2018, am Viktualienmarkt, sowie auf dem Hoffest des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) 2018/19 konnten die exquisiten Edelbrände probiert werden. Die geplante Präsentation der neuen Projektbrände auf dem Hoffest 2020 fiel Corona-bedingt leider aus. Die LWG-Brände werden zu besonderen Anlässen gereicht, wobei gerade das ausgefallene Flaschen-Design regelmäßig gut ankommt.
Ausblick
Die Obstbrenner, die große Mengen Streuobst verwerten, sind für den Erhalt dieses landschaftsprägenden Kulturbiotops von entscheidender Bedeutung. Mit regionaltypischen Spezialitäten wie qualitativ hochwertigen Edelbränden aus diesen seltenen Obstsorten, abgefüllt in attraktiven Flaschen, heben sich die im Projekt beteiligten Brenner aus der breiten Masse der Obstbrand-Produzenten heraus und erarbeiten sich neue Marktchancen. Durch die Förderung der „Leuchttürme“, an denen sich andere Brenner orientieren können, erhalten die Streuobstwiesen mit ihren alten, regionaltypischen Sorten wieder einen Wert, werden gepflegt und es wird wieder nachgepflanzt – mit entsprechenden Sorten.
Wenn die Qualität stimmt, ist der Kunde gerne bereit, einen vergleichsweise höheren Preis für regionale Spezialitäten zu bezahlen, für etwas Besonderes; die kleine Flasche zeigt ja schon die Seltenheit des Produkts an, unterstützt durch die Angabe auf dem Etikett, dass z.B. der Brand der ‚Röhrlesbirne‘ die Essenz der Früchte nur eines Baumes ist! Dann braucht der Brenner bei der Verkostung nur noch eine passende Geschichte dazu erzählen, dann läuft das Geschäft, getreu dem Motto: über den Genuss zum Sortenerhalt.
Nähere Informationen zum Projekt sind auf der LWG-Homepage zu finden unter:
Die Kontaktadressen der beteiligten fränkischen Brenner, bei denen die genannten Brände zu beziehen sind, findet man unter:
Das komplette Sortiment vertreibt die Main-Streuobst-Bienen eG in Margetshöchheim: