Facharikel
Pflanzen für Versickerung und Retention

Fachartikel "Pflanzen für Versickerung und Retention"

Versickerungsmulden sind neben weiteren Maßnahmen zur Retention und Versickerung von Niederschlagswasser ein Baustein der Überflutungsvorsorge. Darüber hinaus bergen sie ein großes Gestaltungspotenzial und können einen wichtigen Beitrag zur Klimaverbesserung in der Stadt leisten. Meist besteht die Begrünung aus Rasen. In den 90er Jahren ging man davon aus, dass die Pflanzenauswahl eher auf wechselfeuchte und staunasse Bedingungen abgestimmt werden müsse. Bei einer maximalen Verweildauer des Wassers von 24 Stunden bei einer funktionstüchtigen Mulde wird klar, dass es sich tatsächlich eher um Trockenstandorte handelt. Es kann also weitestgehend auf Arten der trockenen bis frischen Freifläche zurückgegriffen werden.

2019, 15 Seiten

In der Diskussion um Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen und der daraus resultierenden Hochwassergefahr sowie aus Klimaschutzgründen erfährt die Versickerung von Regenwasser eine immer größere Akzeptanz bei der Stadtplanung. Wichtig ist, das anfallende Regenwasser nicht nur als Entsorgungsprodukt zu betrachten, sondern vor allem auch seinen Nutzen für die Siedlungsökologie und Freiraumgestaltung.
Modellversuche an der LWG und an anderen Standorten haben in der Vergangenheit vielversprechende Ansätze zur Wirksamkeit und zur Gestaltung vegetationsfähiger Versickerungsein­richtungen aufgezeigt. Hierbei fiel auf, dass die Leistungsfähigkeit von bepflanzten Mulden – vor allem in konventioneller zweischichtiger Bauweise – sogar ein größeres Versickerungspotenzial aufwies als mit Rasen bestockte Muldenvarianten. Heute werden diese Erkenntnisse in realen Bauprojekten bereits umgesetzt. Im Weißbuch Stadtgrün "Grün in der Stadt – Für eine lebenswerte Zukunft" empfiehlt inzwischen der Bund den Kommunen das Regenwassermanagement auf Rückhalt und Verdunstung auszurichten als Maßnahme zur Stärkung des Klimaschutzes (BMUB, 2017)

Normative Vorgaben und technische Voraussetzungen

Wie und wo Regenwasser versickern darf, ist auf Bundesebene vor allem durch das Wasserhaushaltsgesetz geregelt. Die Länder können ergänzende oder abweichende Regelungen treffen, sofern das Bundesgesetz ihnen dazu die Möglichkeit gibt. Darüber hinaus gibt es auf kommunaler Ebene Satzungen, die Aussagen über die Versickerung von Niederschlagswasser treffen. In Bayern gilt die Niederschlagswasserfreistellungsverordnung (NWFreiV und TRENGW). Technische Vorgaben auf Bundesebene sind über einschlägige DIN-Normen sowie die ATV: DWA-A 138 "Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser" (2005) und in der FLL-Richtlinie "Empfehlungen zur Versickerung und Wasserrückhaltung" (2005) definiert. Beide Richtlinien werden derzeit überarbeitet.
Im Beitrag wird speziell auf die Muldenversickerung eingegangen, da hier ein großes Potenzial zur Erweiterung von klimawirksamen Grünflächen im Siedlungsbereich vorhanden ist, aber immer noch große Unsicherheiten bezüglich der Pflanzenauswahl bestehen.

Möglichkeiten der Begrünung

Eine wesentliche Voraussetzung für die Begrünung ist der schnelle Schluss der Bodenoberfläche zur zeitnahen Inbetriebnahme und zur Vermeidung von Erosion in den Böschungsbereichen während der Nutzung. Folgende Begrünungsarten stehen zur Verfügung:
Rasen
Die Rasenbegrünung wird in der Praxis am häufigsten angewendet. Ihre Vorteile liegen in der immergrünen, stark durchwurzelten Vegetationsdecke sowie der relativ einfachen Pflege. Viele handelsübliche RSM-Standard­mischungen eignen sich hierfür, z. B. RSM 2.4 – Gebrauchsrasen-Kräuterrasen; RSM 2.2 – Gebrauchsrasen-­Trockenlagen oder RSM 7.1 – Landschaftsrasen-Stan­dard; RSM 7.2 – Landschaftsrasen-Trocken­lagen.
Blütenreiche Ansaaten
Ansaaten mit blütenreichen mehrjährigen Mischungen können eine ökologisch wertvolle und attraktive Alternative zu einer Rasenansaat darstellen. Hierbei wird zusätzlich Nektar für Schmetterlinge und andere Insekten zur Verfügung gestellt.
Begrünung mit Stauden, Gräsern und Geophyten
Gerade im Siedlungsbereich lassen sich durch eine gestalterisch ausgerichtete Artenauswahl attraktive Pflanzflächen schaffen, die gleichzeitig Versickerungsfunktionen übernehmen. Durch eine gezielte Berücksichtigung von Bienenweidepflanzen kann, wie bei den Ansaaten, das Nahrungsangebot für Insekten gefördert und ein Beitrag zur Steigerung der Biodiversität geleistet werden.
Bei der Etablierung einer standortgerechten Vegetation und deren Anforderungen an die technische Ausgestaltung der Mulden bieten sich zwei Gestaltungsvarianten mit Übergangsformen an:
  • Sickermulden als Trockenstandort
  • Sickermulden in Kombination mit Einstauflächen als wechselfeuchter Standort

Projekte der LWG

Hinweise für die Praxis

In den Projekten kam es zu keinem Zeitpunkt zu einem nennenswerten Wasseranstau in den Mulden. Grundsätzlich kann zur Bepflanzung klassischer Versickerungsmulden bei der Artenauswahl auf das breite Repertoire der Artenlisten der trocken bis frischen Freifläche zurückgegriffen werden. Pflanzen mit großer Feuchtigkeitstoleranz aus wechselfeuchten oder wechseltrockenen Standorten sind vor allem im Sohlbereich besonders gefragt. Des Weiteren sollten die Böschungen nicht zu steil; am besten 1:2 oder flacher, ausgebildet werden. Zur Vermeidung von Erosion sollte ein Mindestanteil an Bodendeckern bzw. Ausläufer treibenden Arten zur möglichst schnellen Durchwurzelung der Böschungsbereiche verwendet werden. Bei einer Pflanzdichte von 5 bis 8 Stauden/m² – wie sie auch bei Staudenmischpflanzungen zugrunde gelegt wird – sowie der Wahl teils immergrüner oder wintergrüner Arten sollte die dauerhafte Funktion ohne das Auftreten von Verschlämmungsprozessen gewährleistet sein. Prinzipiell sind Staudenmischpflanzungen, die in ihrer Zusammensetzung auf eine geschlossene Pflanzendecke abzielen, hierbei durchaus geeignet.
Weitere detaillierte Hinweise zu den Modellprojekten der LWG enthält der Fachartikel. Aufgeführt sind hier auch Ergebnisse bzgl. der Auswahl geeigneter Pflanzenarten zur Begrünung von Versickerungsmulden.