Fachartikel
Stadtklimabäume – geeignete Habitate für die urbane Insektenvielfalt?
Dies ist die erste Studie ihrer Art, in der die Artenvielfalt von Insekten und Spinnen in den Baumkronen heimischer und nicht-heimischer Stadtbäume vergleichend untersucht wurde. Quintessenz der Ergebnisse ist, dass alle Baumarten einen unerwartet hohen Individuen- und Artenreichtum aufwiesen. Heimische Baumarten unterschieden sich hinsichtlich der Biodiversität im Kronenraum nicht von ihren südosteuropäischen Verwandten.
2019, 11 Seiten
Über 40% von 200 bis zur Art bestimmten Insekten waren sowohl auf den heimischen als auch auf den nicht-heimischen Bäumen zu finden, ein Drittel nur auf heimischen und ein Viertel nur auf südosteuropäischen Baumarten.
Eine ganz wesentliche Rolle spielte auch der Pflanzstreifen der Bäume, der als Lebensraum für die große Anzahl der erfassten Wildbienen, die Hälfte aller Zikaden und für viele andere Insekten dient. Deshalb sollten zur Förderung der urbanen Insektenvielfalt Misch-Alleen – auch mit südosteuropäischen Baumarten – mit Pflanzstreifen angelegt werden.
Versuchsfrage
2017 befanden sich die Versuchsbäume im Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021" im 8. Standjahr und hatten Kronengrößen entwickelt, die faunistische Untersuchungen zu diesem Thema sinnvoll erscheinen ließen. In einer Vorstudie, gefördert vom Bayerischen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz als Teilprojekt im Rahmen des Zentrums für Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK, TU München), wurde die Insekten- und Spinnenvielfalt (Arthropodenvielfalt) in den Kronen dreier heimischer Baumarten und dreier nahverwandter Stadtklimabaumarten vergleichend in Würzburg untersucht. Folgende Fragestellungen wurden im Einzelnen untersucht:
Folgende Fragestellungen wurden im Einzelnen untersucht:
- Lebt in den Kronen heimischer Straßenbaumarten eine höhere Anzahl von Arthropoden als auf verwandten Stadtklimabaumarten?
- Zeigen heimische Straßenbaumarten eine höhere Artenvielfalt in der Kronenfauna als verwandte Stadtklimabaumarten?
- Unterscheiden sich die Arthropodengemeinschaften auf heimischen und nah verwandten gebietsfremden Baumarten?
Material und Methoden
Heimische Arten | Südost-europäische Arten |
---|---|
Tilia cordata 'Greenspire' - Winterlinde | Tilia tomentosa 'Brabant' - Silberlinde |
Fraxinus excelsior 'Westhofs Glorie' - Gemeine Esche | Fraxinus ornus - Manna-Esche |
Carpinus betulus 'Frans Fontaine' - Hainbuche | Ostrya carpinifolia - Europäische Hopfenbuche |
Die Probenahmen wurden von Rosa Albrecht über die gesamte Vegetationsperiode 2017 von April bis Oktober in zweiwöchigen Abständen durchgeführt. Um die Artenvielfalt in den Baumkronen abbilden zu können, wurden ökologische Standardmethoden zum Fang der Insekten und Spinnen verwendet:
- Je zwei Fensterfallen (Eklektoren) pro Baum, in Nord- und Südausrichtung, im mittleren Kronenbereich zum Fang von Fluginsekten, insbesondere Blattkauern und -saugern.
- Je eine Gelbklebetafel pro Baum im mittleren Kronenbereich zum Fang kleiner Fluginsekten, insbesondere Parasitoiden, die Eier, Larven und Puppen von anderen Insekten parasitieren.
- Klopfproben beim vierzehntägigen Fallenwechsel in den Kronen zur Erfassung von Insektenlarven und Spinnen.
Ergebnisse
Es gab nur geringe Verluste (durch Vandalismus, Sturmschäden) bei den Fallen, so dass 804 Fensterfallen, 416 Gelbtafeln und 390 Klopfproben ausgewertet werden konnten. In den Fensterfallen und Klopfproben wurden insgesamt 23 883 Arthropoden gezählt, auf den Gelbtafeln befanden sich über 70 000 Insekten. Damit wurden über den gesamten Erfassungszeitraum auf den 30 Bäumen insgesamt über 90 000 Insekten und Spinnen gefangen.
Abbildung 1:
Abbildung 2:
Eine Artenbestimmung verschiedener Taxa auf den Gelbtafeln war im Rahmen dieser Studie nicht möglich. Allerdings war die Dominanz der Dipteren (Zweiflügler – Fliegen und Mücken) deutlich erkennbar, für die sich als Alternative zur klassischen und gerade für diese artenreiche Insektengruppe sehr schwierigen Bestimmung die Methode des Metabarcoding anbietet (aktuell in Arbeit). Die weiteren Ergebnisse beziehen sich daher ausschließlich auf die Daten, die mittels Fensterfallen und Klopfproben erzielt wurden.
Abundanzverhältnisse
Abbildung 3:
Abundanzverläufe
Abbildung 4:
Betrachtet man den Abundanzverlauf für einzelne Tiergruppen, so ergibt sich ein differenzierteres Bild: während die zeitliche Verteilung der Käfer dem allgemeinen Verlauf entspricht (Abbildung 5a), zeigen die Hautflügler (Wildbienen, Hummeln, Wespen, Ameisen) über den gesamten Sommer ein relativ gleich bleibendes Auftreten, das auf die unterschiedlichen Lebenszyklen und damit Flugzeiten der verschiedenen Arten zurückzuführen ist (Abbildung 5b). Die Individuenzahlen der Spinnen verhalten sich gegenläufig, bauen sich erst im Laufe der Vegetationsperiode auf und erreichen ihren Höhepunkt im Herbst, bedingt durch die stetige Zunahme der Jungtiere (Abbildung 5c+d).
Abundanzen auf den verschiedenen Baumarten
Abbildung 6:
Abbildung 7:
Coleoptera – Käfer
Abbildung 8:
Die dominante Nahrungsgilde stellen nicht die phytophagen, sondern die räuberischen (zoophagen) Käfer dar, insbesondere Coccinelliden (Marienkäfer) und Staphyliniden (Kurzflügler). Ein deutlicher Hinweis, dass es auf keiner Baumart zu Schädlingsbefall durch eine phytophage Käferart kam.
Hymenoptera – Hautflügler
Abbildung 9:
Hemiptera – Unterordnung Zikaden
Abbildung 10:
Abbildung 11:
Fazit
Abbildung 12:
Neben der Baumart spielt für die Artenvielfalt der Pflanzstreifen (statt Baumgrube) eine herausragende Rolle: Wie die Grabwespen sind die meisten Wildbienen, viele Zikaden- und Wanzenarten in ihrer Lebensweise auf Pflanzstreifen angewiesen.
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