Fachartikel
Ginkgo biloba
Der ungewöhnliche Name Ginkgo lässt sich von dem chinesischen Wort "gin-kyo" ableiten. Es bedeutet so viel wie Silberaprikose, denn die Früchte des Ginkgo sehen aus wie langgestielte Mirabellen. Die Schreibweise mit g (Ginkgo) statt mit y (Ginkyo) geht vermutlich auf einen Übertragungsfehler in der Literatur zurück. Die Bezeichnung der Art "biloba" weist auf die Zweilappigkeit des Blattes hin. Weitere deutsche Namen sind Entenfussbaum, Elefantenohrbaum oder Fächerblattbaum in Anspielung auf die Blätter sowie Chinesischer Tempelbaum wegen der häufigen Pflanzungen bei buddhistischen Tempeln.
Merkmale
Auf Grund der Ähnlichkeit mit den Blättern des Frauenhaarfarns wird der Ginkgo im angelsächsischen Sprachraum auch als Mädchenhaarbaum (maiden hair tree) bezeichnet. Die Ursprünge von Ginkgo biloba reichen wahrscheinlich zurück bis ins Perm (vor ca. 250 Millionen Jahren), als Teile Europas noch vom Urmeer überflutet waren. Im Verlaufe seiner Entwicklung hat er wesentliche klimatische Veränderungen in der Erdgeschichte überstanden. Seine Blütezeit erlebte der Ginkgo im Jura (vor ca. 195-145 Millionen Jahren) mit zahlreichen verwandten Arten. Im Tertiär (vor ca. 65-1,8 Millionen Jahren) kommt es dann zu einem raschen Niedergang. Die Ursache dafür dürfte in der Entwicklung der Koniferen und der Angiospermen als Konkurrenten liegen, sowie Perioden, die gekennzeichnet sind durch Trockenheit und Abkühlung. Bis vor 30 Millionen Jahren waren Ginkgo-Arten auch in Mitteleuropa heimisch.
Die Eiszeiten in Europa und Amerika werden dann den über die ganze Nordhalbkugel bis weit in den Norden (Grönland) verbreiteten Ginkgos zum Verhängnis. Sie drängen diesen außergewöhnlichen Baum bis auf ein kleines Areal in China zurück. Weil der Ginkgo in unserer Zeit der letzte Überlebende einer einst zahlreichen Gattung ist, hat ihn der Begründer der Selektionstheorie Charles Darwin (1809-1882) als "Lebendes Fossil" bezeichnet. Zum Jahrtausendwechsel erklärte das deutsche "Kuratorium Baum des Jahres" Ginkgo biloba zum Baum des Jahrtausends.
Beschreibung
Der Ginkgo ist ein sommergrüner Baum mit vielgestaltigem Habitus. Die Krone ist zumeist kegelförmig ausgebildet. Im Alter ist sie oft breiter und mit unregelmäßigen, etwas steif ausladenden, wenig verzweigten Ästen. Es ist aber nicht verwunderlich, dass bei einer derart alten Baumart Abweichungen im Bereich der Kronenform, sowie in Form und Farbe der Blätter auftauchen. Im Vergleich mit anderen Baumarten sind die Abweichungen aber vergleichsweise selten. Die wenigen vorkommenden Formen werden in der Regel nur selten kultiviert. Es gibt Formen, die wie die Sorten 'Horizontalis' oder 'Fairmount' stark breitwüchsig sind. Darüber hinaus existieren Sorten mit kugelförmiger ('Globus', 'Globulus'), schimförmiger ('Pendula') oder säulenförmiger Krone ('Fastigiata' = Sammelbezeichnung für eine Reihe schmalkroniger Selektionen). Daneben gibt es noch Sorten mit abweichender Blattform ('Saratoga' - tiefgeschlitzt; 'Tubifolia' - kleinblättrig) und Blattfärbung ('Albovariegata' - weissgrün gestreifte Blätter, 'Aureovariegata' - hellgelb gestreifte Blätter). Die Rinde des Ginkgo ist grau und längsrissig. An alten Stämmen ist sie oft stark gefurcht. Das Jugendwachstum ist oft langsam. Als Jungpflanze, besonders auf zu nährstoffreichen Böden, ist er etwas spätfrostgefährdet. Der Ginkgo erreicht in seiner ostasiatischen Heimat eine Höhe bis zu 60 m. Außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes werden jedoch wesentlich geringere Höhen erreicht. Vom Alter her soll er mehrere tausend Jahre erreichen können.
In der Regel ist er zweihäusig. Das heißt, es gibt männliche und weibliche Bäume. Von Bedeutung ist dies vor allem bei der Verwendung als Allee- oder Straßenbaum, da die verrottenden oder zerdrückten Früchte der weiblichen Bäume unangenehm nach Buttersäure riechen (stinken). Die Blütezeit ist meist im April oder Mai. Die männlichen Blütenstände bilden einen kätzchenartigen Zapfen und wachsen an ca. 4 cm langen Kurztrieben. Die weiblichen Blüten tragen an einem dünnen langen Stiel zwei Samen, von denen sich in der Regel nur einer entwickelt. Männliche und weibliche Bäume sind vor der Blüte jedoch nicht zu unterscheiden. Das Geschlecht des Baumes ist weder am Habitus noch an der Blattform eindeutig erkennbar. An alten männlichen Pflanzen treten selten auch fruchtende Zweige als Ausnahme auf. Die gelben, pflaumengroßen Samen werden ca. 2-3 cm lang und sind essbar. Sie sind außen fleischig und innen befindet sich ein 2-kantiger Steinkern. Besonders charakteristisch sind die Blätter. Bei jüngeren Bäumen sind sie an der Vorderseite oft eingeschnitten oder zweilappig, bei älteren sind sie oft fächerförmig. An den Langtrieben sind sie wechselständig, an Kurztrieben treten sie in Büscheln zu drei - fünf Blättern auf. Der Blattstiel ist lang, und es gibt keine mittlere Rippe, sondern zwei Seitenrippen. Die Blattadern teilen sich dann gabelförmig. Neben den normalen Blättern finden sich selten auch Blätter, die Samenanlagen tragen. Dabei handelt es sich um eine sehr selten auftretende Anomalie. Im Sommer sind die Blätter frischgrün und im Herbst werden sie leuchtend goldgelb. Die amerikanische Sorte Ginkgo biloba 'Autumn Gold' besitzt eine besonders ausgeprägte Gelbfärbung. Neben dem Blatt mit seinen Anomalien gibt es eine Reihe weiterer Besonderheiten. So entwickeln ältere Bäume auf der Unterseite starker Äste, aber auch am Stamm, wurzelartige (stalaktitenähnliche) Auswüchse, die einige Meter lang werden können. Sie werden als "Tschitschi" bezeichnet. Die Bedeutung dieser Gebilde ist bisher nicht bekannt. Da sie senkrecht zum Erdboden wachsen, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass es sich dabei um Überreste stützwurzelähnlicher Organe von ausgestorbenen Ginkgo Arten handelt, die ursprünglich in sumpfigen Gebieten beheimatet waren. Im Hinblick auf seine Ansprüche an den Boden ist der Ginkgo wenig anspruchsvoll. Er ist sehr standorttolerant und gedeiht auf fast jedem kultiviertem Boden. Bevorzugt werden sonnige Standorte mit frischen bis feuchten, tiefgründigen und durchlässigen Böden. Er wächst sowohl auf sauren als auch auf alkalischen Böden.
Verwendung
Der Ginkgo gehört heute zu den sehr häufig gepflanzten Zierbäumen. Die Ursache dafür liegt unter anderem in seiner erstaunlichen Widerstandsfähigkeit in vielerlei Hinsicht. Es gibt keinen spezifischen Schädling für den Ginkgo. Schädigungen durch Insekten sind eher selten. Selbst gegenüber Pilzen zeigt er sich erstaunlich widerstandsfähig. Die außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit gegenüber stärksten Umwelteinflüssen nutzt der Mensch für schwierigste Standortsituationen im innerstädtischen Bereich. So gehört der Ginkgo mit zu den am häufigsten gepflanzten Baumarten in den Straßen vieler Großstädte auf der ganzen Welt. In Nordamerika zählt er zu den widerstandsfähigen Straßenbäumen überhaupt. In der Straßenbaumliste der Gartenamtsleiter (GALK Straßenbaumliste Stand: 03.2012) gehört Ginkgo biloba zu den wenigen "gut geeignet" beurteilten Gehölzen. Aber nicht nur als Straßenbaum wird er von Gestaltern geschätzt. Er kann als Umrahmung eines Bauwerkes dienen und durch die Auswahl der entsprechenden Sorte die architektonische Struktur unterstreichen oder auflösen. Besonders gut kommt er dabei auf größeren Rasenflächen als Solitär zur Geltung. In Parks eignet er sich als Einzelbaum vor einer Nadelholzkulisse. Hier hebt er sich im Sommer durch seine frischgrüne Blattfarbe und im Herbst durch seine goldgelbe Laubfärbung hervorragend ab.
Für die Verwendung in kleineren Gärten bieten sich schwach wüchsigere Sorten wie 'Tit', 'Saratoga', 'Bergen op Zoom', 'Ohasuki' (ca. 4m) oder kleinere buschige Wuchsformen wie 'Barabits Nana' (ca. 2 m), 'Hexenbesen Leiden' (ca. 3 m) sowie 'Mariken'(langsam kugelförmig wachsende Sorte) an. Damit besteht auch für kleinere Gärten die Möglichkeit, den Ginkgo zu verwenden. Natürlich eignet er sich auch als Balkon- oder Terrassenpflanze. Für die Kübelbepflanzung bietet sich die langsam wachsende Sorte 'Magyar' (Zwerg-Ginkgo) an. Es besteht sogar die Möglichkeit, den Ginkgo als Bonsai zu ziehen. Der Ginkgo gehört weder zu den Nadel- noch zu den Laubbäumen, sondern bildet eine eigene Gruppe. Obwohl der Ginkgo auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit Laubbäumen hat, ist er mit den Nadelbäumen näher verwandt. Aus diesem Grunde findet man ihn in den Katalogen der Baumschulen bei den Nadelgehölzen eingeordnet. Im Jahr 1815 schrieb Goethe ein Gedicht über das sehr interessante zweigeteilte Blatt. Das Gedicht wurde später im West-Östlichen Diwan veröffentlicht. Die Chinesen setzen den Ginkgo von alters her in der Medizin ein. Heute werden Ginkgo biloba Extrakte sowohl in flüssiger als auch in fester Form zur Therapie bei Stoffwechselstörungen des Gehirns, von Sinnesorganen und Gliedmaßen eingesetzt.