Rebschutz in Zeiten des Klimawandels - was sich bereits geändert hat
Der Klimawandel zeichnet sich immer klarer ab. Welche Auswirkungen haben die sich ändernden Bedingungen für den Weinbau, speziell für den Rebschutz? Was kann bereits beobachtet werden?
An der Bayerischen Landesanstalt werden schon seit vielen Jahren Wetterdaten aufgezeichnet und die Entwicklung der wichtigsten Rebsorten für Franken (Silvaner und Müller-Thurgau) und der in Deutschland verbreitetsten Rebsorte (Riesling) im Jahreslauf beobachtet. Seit 1996 erfolgt eine systematische Erhebung zu diversen Krankheiten und Schädlingen im Rahmen des Fränkischen.Rebschutz.Informations.Systems (F.R.I.S.) .
Anhand dieser langjährigen Daten lassen sich Veränderungen bei der Witterung und im Bereich Rebschutz analysieren.
Steigende Temperaturen und ihre Folgen
In den letzten 30 Jahren von 1991 bis 2020 konnten wir anhand von Aufzeichnungen des Wetterstationsnetzes in den fränkischen Weinbergen eine kontinuierliche Erwärmung feststellen. Wie Abb. 1 zeigt, stiegen die Jahresdurchschnitt-Temperaturen am Standort Veitshöchheimer Wölflein im Trend von etwa 9°C auf inzwischen fast 11°C. Dabei sind es nicht nur einzelne Jahre, sondern der Trend über längere Zeiträume. In den 30 Jahren von 1961 bis 1990 betrug das Jahresmittel 9,1 °C (Quelle: DWD Würzburg), das dreißigjährige Mittel von 1991 bis 2020 dagegen bereits 10,0°C.
Diese deutlich höheren Temperaturen wirken sich auch auf die Lebensweise der Schädlinge aus, was zu einer veränderten Schädlingsdominanz geführt hat. So können sich manche Arten durch wärmere Temperaturen schneller entwickeln als andere. Manche tolerieren größere Hitze, während bei anderen die Sterblichkeit steigt. Ein Beispiel dafür sind die beiden Arten der Traubenwickler. Dominierte in Franken in den 1990er Jahren der Einbindige Traubenwickler (Eupoecilia ambiguella) und der Bekreuzte Traubenwickler (Lobesia botrana) war nur an einigen wenigen besonders warmen Standorten anzutreffen, hat sich das Bild in der Zwischenzeit deutlich gewandelt. Der Einbindige Traubenwickler ist kaum mehr in Franken nachzuweisen, während der Bekreuzte über die ganze Region verbreitet ist (Abb.2).
Ein weiteres Problem der wärmeren Temperaturen ist die zunehmende Virulenz von Schädlingen, also die Steigerung ihres Schadpotentials. Dies zeigt sich am Beispiel der Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae). Bedingt durch höhere Temperaturen entwickeln sich aus den bodenlebenden Wurzelrebläusen über sogenannte Sexuparae häufiger die Blattgallen bildenden Blattrebläuse (Abb. 3). Im Zusammenspiel mit der zunehmenden Zahl an Drieschen (aufgelassene oder unzureichend gerodete Weinberge) birgt dies eine große Gefahr. Sowohl Wurzel- als auch Blattrebläuse vermehren sich ungeschlechtlich. Die Sexuparae jedoch bedeuten eine geschlechtliche Vermehrung, durch die sich neue Eigenschaften entwickeln können, wie z.B. die Fähigkeit die Blätter der Europäerreben zu besiedeln.
Die Etablierung bisheriger Gelegenheitsschädlinge bzw. die Ausbreitung von vereinzelt auftretenden Schaderregern ist ein weiteres Problem, das durch die Erwärmung verursacht wird. Die durch mehrere Pilze verursachte Esca (Abb. 4) war in den 1990ern hin und wieder, vor allem an sich stark erwärmenden Standorten zu finden. Wie der Name eines Esca-Verursachers des Mittelmeer-Feuerschwamm (Fomitiporia mediterranea) besagt, stammt diese Erregergruppe aus wärmeren Regionen. Mit steigenden Temperaturen verbreitete sich die Esca in der gesamte fränkischen Weinbauregion mit den entsprechenden Rückgangserscheinungen in den Rebanlagen.
Auch die Überträger von Krankheiten, sogenannte Vektoren können sich auf Grund der höheren Temperaturen schneller entwickeln, sich leichter ausbreiten und etablieren. Ein Beispiel dafür ist die Winden-Glasflügelzikade (Hyalesthes obsoletus), die von ihren Wirten Ackerwinde und Große Brennnessel Phytoplasmen auf die Rebe überträgt, die hier die Schwarzholzkrankheit verursachen. So konnte beginnend mit den 2000er Jahren eine Ausbreitung der Bois noir in Franken beobachtet werden.
Die wärmeren klimatischen Bedingungen bieten auch neuen Schaderregern die Möglichkeit, sich im Weinbaugebiet anzusiedeln und zu verbreiten. Daher ist es wichtig, nach unbekannten Schadsymptomen und neuen Schaderregern Ausschau zu halten, um mit entsprechenden Gegenmaßnahmen eine Etablierung zu vermeiden oder hinauszuzögern.
Veränderte Niederschlagsverteilung
Durch den Klimawandel kommt es nicht nur zu steigenden Temperaturen, auch die Niederschläge zeigen deutliche Veränderungen (Abb. 5). So nahmen in den letzten 30 Jahren vor allem im Winter und Frühjahr die Niederschlagswerte ab, nur zur Zeit des Austriebs und Wachstums im Mai leicht zu. In der Zeit des stärksten Wachstums im bislang regenreichsten Monat Juni sanken die Werte um rund 20 %. Die deutlich höheren Werte im Juli sind auf einzelne starke gewittrige Niederschläge zurückzuführen, die nur sehr lokal zu einer Verbesserung des Wasserhaushaltes beitragen. Die Niederschläge im August fallen ebenfalls als lokale Gewitter. Der Herbst fiel in den vergangenen 30 Jahren dafür feuchter aus als die 30 Jahre zuvor.
Die Wasserversorgung bzw. der Trockenstress (Abb. 6) in Rebanlagen sind hier nicht Thema. Aber aus einer Wasserüber- wie auch -unterversorgung entsteht jedoch Stress für die Rebe, der ihre Anfälligkeit für Schaderreger erhöht.
Die Niederschlagssituation und damit die Feuchtigkeit hat vor allem Auswirkungen auf die pilzlichen Schaderreger (Abb. 7). Die zunehmenden Starkregenereignisse führen zu einem extremen Infektionsgeschehen, das nur unter sehr großem Aufwand zu bewältigen ist.
Für den Pflanzenschutz entsteht das Problem, dass sich die alljährliche Ungewissheit, wann, wie und welche Schaderreger in Erscheinung treten, durch die klimatischen Schwankungen erweitert.
Durch extreme Wachstumsschübe (Abb. 8) entsteht empfindliches und ungeschütztes pflanzliches Gewebe. Dies ist sehr anfällig für die verschiedensten biotischen und abiotischen Schädigungen. Eine Infektion dieses jungen, schwachen Gewebes durch den Echten oder den Falschen Mehltau führt vor allem bei Gescheinen und jungen Trauben zu massiven Ertragsverlusten .
Rebenentwicklung startet früher
Die sich wandelnde Witterung hatte und hat nicht nur Auswirkungen auf die Schaderreger-Situation, sondern auch auf die Entwicklung der Reben. Unsere Beobachtungen der Sorte Müller-Thurgau am Veitshöchheimer Wölflein, einer ehemals mittleren inzwischen guten Müller-Thurgau–Lage, zeigt die folgenden Veränderungen (Tab. 1).
Entwicklungsstadium | Zeitraum 1968-1990 | Zeitraum 1991-2020 | Differenz zu 1968-1990 | Zeitraum 2011-2020 | Differenz zu 1968-1990 |
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Knospenaufbruch (09) | 1. Mai | 25. April | - 6 | 20. April | - 11 |
Ergrünen (12) | 15. Mai | 3. Mai | - 12 | 29. April | - 16 |
Blütebeginn (63) | 22. Juni | 13. Juni | -9 | 10. Juni | -12 |
Abgehende Blüte (68) | 30. Juni | 18. Juni | -12 | 14. Juni | -16 |
Reifebeginn (81) | 16. Aug. | 5. Aug. | - 11 | 4. Aug. | -12 |
Lese(„-reife“) (89) | 7. Okt. | 26. Sept. | - 11 | 19. Sept. | -18 |
Die Rebentwicklung hat sich im Durchschnitt der letzten 30 Jahre um rund 10 Tage im Vergleich zu den vorangegangenen 23 Jahren verfrüht. Vergleicht man nur die 10 Jahre von 2011 bis 2020 mit den Werten von 1968 bis 1990 wird die Tendenz noch deutlicher. Hier zeigen sich Verfrühungen von rund zwei Wochen.
Diese Verfrühung führten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Problemen. So treffen die Eisheiligen bzw. Spätfröste zunehmend auf bereits weit ausgetrieben Reben mit z. T. gravierenden Folgen (Abb. 9). Zusätzlich hat sich das Spätfrostgeschehen verändert. Während früher Strahlungsfröste überwogen und die gefährdeten Senken und Staulagen bekannt waren, nehmen in den letzten Jahren Windfröste zu. Dadurch sind inzwischen praktisch alle Lagen mehr oder weniger gefährdet.
Der Zeitraum der Blüte hat sich deutlich verkürzt und verfrüht. Die Auslese von ertragssicheren Klonen in der Vergangenheit, hat unter diesen Bedingungen kompakte Trauben zur Folge. Wird nicht mit Wachstumsregulatoren oder Trauben teilen gegengesteuert, führt dies zum Abquetschen von Beeren oder ganzen Traubenteilen (Abb. 10). Die entstehenden Wunden sind Eintrittspforten für die verschiedensten Fäulen wie Graufäule (Botrytis cineria), Essigfäule verursacht durch Essigfäulebakterien und Hefepilze übertragen von Essigfliegen (meist Drosophila melanogaster) und Grünfäule (Penicillium expansum).
Da die Reifephase deutlich früher beginnt und damit in einer Phase sommerlicher Temperaturen, steigt die Attraktivität für Wespen (Abb. 11), Vögel und andere Freunde der süß werdenden Trauben. Es entstehen nicht nur Fraßschäden sondern in der Folge Schäden durch verschiedene Fäulen.
Die reifenden Trauben bieten außerdem manchen Tieren wie Ohrwürmern (Abb. 12) oder Marienkäfern ein gutes Versteck. Die noch warme Witterung zum früheren Zeitpunkt der Lese hat sie noch nicht in ihre Winterquartiere vertrieben, so dass sie und ihr Kot in großen Mengen im Lesegut zu Problemen bei der Weinbereitung führen können
Rebschutz im Klimawandel - wie geht es weiter?
Wie die Entwicklung bei den uns bekannten Schaderregern weitergehen wird, ist schwer abzuschätzen. Sicher ist jedoch, dass unter den veränderten Bedingungen auch bisher unbekannte Krankheiten und Schädlinge neue Pflanzenschutzstrategien notwendig machen werden.