Jahresrückblick Franken
2014: Gewissheit gibt es erst mit dem Schlusspfiff
Mäusefraß und Essigfäule
Ein neuer Jahrgang beginnt mit dem Austrieb im Frühjahr. Das Ende der Rebblüte lässt erste Ausblicke auf den Erntebeginn zu, da eine Entwicklungsdauer von ca. 100 Tagen bis zum Lesebeginn benötigt wird. Hochgesteckte Erwartungen für den Jahrgang 2014 keimten daher schon früh im Jahr auf, bedingt durch den frühen Austrieb, nur geringen Frostschäden, einer frühen Blüte und vorwitzigen "Propheten", die aus diesen Vorgaben bereits einen Jahrhundertjahrgang zu kreieren wussten.
Doch die alte Fußballerweisheit von Sepp Herberger aus der Überschrift gilt genauso für den Weinbau. Ein guter Vorsprung muss auch bis zum Schlusspfiff gehalten werden. Die letzten Wochen, selbst die letzten Tage können über die Qualität eines Weinjahrgangs entscheiden, auch wenn mit besten Voraussetzungen in die Endreifezeit gestartet wurde.
Im Jahr 2014 rückte diese altbekannte Erfahrung, teils mit drastischer Schärfe, nicht nur den fränkischen und deutschen Winzern, sondern den Winzern in vielen Weinbaugebieten Europas, wieder ins Bewusstsein.
Witterung und Phänologie
Die monatlichen Druchschnittstemperaturen im Januar und Februar auf Märzniveau ergaben bayernweit den drittwärmsten Winter nach 1974 und 2007. Weiterhin überdurchschnittliche Temperaturen setzten sich auch in den Frühjahrsmonaten März und April fort. Das Temperaturmittel der ersten vier Monate lag dabei jeweils mehr als 3° über der langjährigen Norm (Abb. 1).
Dementsprechend frühzeitig setzte die Entwicklung bei den Reben ein. Das „Bluten“ wurde Anfang März und der „Knospenaufbruch“ bereits am 10. April, 18 Tage vor dem langjährigen Durchschnittswert, beobachtet (Tab. 1). Zusammen mit dem Jahr 1974 ist dies der früheste Termin des „Knospenaufbruchs“ seit Beginn der uns vorliegenden Aufzeichnungen im Jahr 1968.
Zwangsläufig ist die Angst vor Spätfrostereignissen dann immer präsent. Schon am 16. und 17. April war es soweit. Die Temperaturen fielen in der Nacht in ungünstigen Lagen bis auf -4,0°C ab. Überraschend war, dass auch in nicht durch Frostschutzmaßnahmen behandelten Anlagen Schäden, selbst bei nachgewiesenen Temperaturen um -3,5°C, nur in geringem Ausmaß auftraten. Als Ursache dürfen die sehr trockenen Bedingungen im Vorfeld und an den Frosttagen vermutet werden.
Nach diesem Schrecken ergrünten die Weinberge (2-Blattstadium) am 25. April, immerhin auch noch 15 Tage vor dem langjährigen Mittelwert.
Im Gegensatz zu Ackerkulturen bescherten die Trockenheit und der viele Sonnenschein ab März den Reben keine Probleme. Erst in den letzten Apriltagen fielen starke Niederschläge, so dass am Ende ein durchschnittliches Niederschlagssoll (Abb. 2) erreicht wurde.
Der große Vegetationsvorsprung schrumpfte im Mai beträchtlich zusammen. Überwiegend unterdurchschnittliche Temperaturen, wenig Sonnenschein und viele regnerische Tage waren einem „Wonnemonat“ nicht angemessen. Die hohen Niederschlagsmengen füllten allerdings das Defizit aus dem trockenen Frühjahr auf.
Entwicklungsstadium | BBCH | 2014 | Durchschnitt 1968-2013 |
---|---|---|---|
Austrieb-Knospenaufbruch | 09 | 10. Apr | 29. Apr |
2-Blatt-Stadium | 12 | 25. Apr | 10. Mai |
Blütebeginn 30 % Käppchen abgeworfen | 63 | 7. Jun | 18. Jun |
abgehende Blüte | 68 | 11. Jun | 25. Jun |
Beeren erbsengroß | 75 | 4. Jul | 15. Jul |
Hell werden der Beeren | 81 | 5. Aug | 10. Aug |
Im Juni lagen die Temperaturen meist im durchschnittlichen Bereich. Die Ausnahme bildeten die Pfingstfeiertage mit purzelnden Hitzerekorden. Der Spitzenreiter in Bayern war Kitzingen mit 37°C. Die zu diesem Zeitpunkt gute Wasserversorgung und die Wärme ließen auch das Wachstum der Reben explodieren. So waren erste blühende Gescheine in den ersten Junitagen zu sehen und bereits um den 12. Juni wurde das Stadium „abgehende Blüte“ in unserer langjährigen Beobachtungsfläche verzeichnet (Tab. 1). Somit lag das Blüteende zwei Wochen vor dem langjährigen Mittelwert.
Während Anfang des Monats noch eine gute Bodenwasserversorgung gegeben war, zeigten sich bis Ende Juni in manchen Regionen Trockenheitssymptome. Teils kräftige Gewitter mit regional hohen Niederschlagsmengen beendeten die Trockenphase und so hatten bereits Ende des Monats die meisten Anlagen das Stadium „Hängen der Trauben“ erreicht.
Die Witterung im Juli gestaltete sich sehr abwechslungsreich. Hohe Regenmengen, einige Hitzetage teils mit tropisch hoher Luftfeuchtigkeit, stellenweise Hagel und auch mal ein Kälteeinbruch führten im Schnitt zu einer deutlich erhöhten Niederschlagsmenge und eine leicht über dem Durchschnitt liegende Temperatur (Abb. 1).
In der letzten Julidekade begannen frühe Rotweinsorten bereits zu Färben und das Weichwerden erster Beeren setzte in den ersten Augusttagen ein. Ab Beginn der zweiten Dekade enttäuschte der August. Zwölf Nächte im einstelligen Temperaturbereich - es fehlte 1° zum Normwert der Temperatur; Niederschläge 180% über dem Soll und nur 80% der Sonnenscheinstunden des Durchschnittswertes ergaben einen Monat, der keine hochsommerliche Stimmung aufkommen ließ. Die Reifeentwicklung stockte und die beiden hohen Niederschlagsereignisse mit jeweils über 20 mm zum Monatsende setzten erstmals den reifenden Trauben zu.
Übergangslos setzte sich die „beerenhautschädigende“ Witterung im September fort. Zwar stiegen die Temperaturen an, doch die feuchte, oft schwüle Witterung mit warmen, feuchten Nächten und die kräftigen Niederschläge zum Ende der zweiten Septemberwoche waren für die bereits belasteten Beerenhäute in vielen Anlagen nicht mehr zu verkraften. Nur mit einer schnellen und selektiven Lese konnten Ertrags- und Qualitätsverluste vermieden werden.
Krankheiten und Schädlinge
Im zeitigen Frühjahr sorgten sich die Winzer neben dem Spätfrost über einen kräftigen Befall mit Knospenfressern. Fast überall und in manchen Lagen sehr stark fraßen sich vor allem Erdraupen an den austreibenden Knospen satt. Anschaulich wird dies durch die Meldung eines Rebschutzwartes über seine Absammelrgebnisse: 1350 Erdraupen, 150 Dickmaulrüssler und 15 Rhombenspannerraupen umgerechnet auf einen Hektar. Wer nicht aufpasste hatte bereits hier einen Teil seiner Ernte verloren.
Starker Befall mit Pockenmilben hemmte die Wuchsfreude der Triebe in Anlagen, die bereits Vorjahresbefall gezeigt hatten. Wurde rechtzeitig eine Behandlung mit Netzschwefel und Öl bis zum Wollestadium durchgeführt trat keine Schädigung auf.
Die Regenfälle zwischen dem 5. und 12. Mai setzten erste Primärinfektionen der Peronospora. Allerdings waren meist nur Stammaustriebe in Bodennähe betroffen, so dass es bei einer rechtzeitigen Entfernung dieser, nicht zu Sekundärinfektionen kommen konnte. Dieses ungewöhnlich frühe Auftreten für das fränkische Weinbaugebiet unterstreicht nochmals den vorgezogenen Vegetationsstart. Primärinfektionen, die zur Ausbreitung der Krankheit führten, fanden hauptsächlich zwischen dem 24.Mai und bis Anfang Juni statt, je nachdem wie die Niederschläge fielen. Durch die trockene zweite Junihälfte breitete sich die Peronospora meist erst im feuchten Juli und August aus. Massive Beereninfektionen waren zu diesem späten Zeitpunkt bei einigermaßen sachgerechtem Spritzmanagement nicht mehr gegeben. Infektionen an einzelnen Beeren waren aber häufig zu finden. Recht kräftig fiel dagegen der Befall der oberen Laubwand und der Geiztriebe aus. Durch die schwülwarme Witterung im September fanden selbst hier noch Infektionen statt, so dass die Rebreihen eine golden-braune Krone "schmückte".
Ebenfalls früh trat der Oidiumpilz in Erscheinung. Stark im Vorjahr befallene Minimalschnittanlagen zeigten bereits Anfang Mai teils massives Auftreten von Zeigertrieben. Spalieranlagen folgten mit zeitlicher Verzögerung. Die kühle und nasse Maiwitterung verhinderte zunächst die Ausbreitung. Ab Ende Mai bis Mitte Juni waren aber alle Register zu ziehen, um Neubefälle zu verhindern.
Bei der Planung und Durchführung der Behandlungen mussten der Zuwachs, das Resistenzmangement, die Applikationstechnik, der Vorjahresbefall, die Mittelwahl und die genaue Überwachung der Anlagen richtig kalkuliert werden, um Befälle zu verhindern. Wer „schluderte“ bekam die Quittung im Lauf des Monats Juli serviert. Die Behandlungen mussten konsequent weitergeführt werden, da auch leichterer Spätbefall die Traubenhaut perforierte und solchermaßen geschwächten Stellen oft die Ausgangspunkte für die Fäulnis der Trauben im September waren.
Der größte Schreck des Jahres stellte sich ab Mitte August ein. Zwar zeigte die seit 2011 laufende Überwachung der Neozoe Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) keine höheren Flugzahlen als in den vergangenen Jahren an, aber durch Befälle aus dem Obstbau vorgewarnt, wurde das Monitoring gegen die Kirschessigfliege intensiviert. Das Ausmaß der Verbreitung und der Populationshöhe überraschte dann doch. Vor allen bei den Sorten Regent, Acolon, Dornfelder und Portugieser wurden stellenweise kräftige Eiablagen gezählt. In solchen Fällen musste mit chemischem Pflanzenschutz weiterer Schaden eingedämmt werden. Schaden durch Kirschessigfliege siehe Abb.3.
Doch auch ein gewisses Maß an Hysterie machte sich breit. Plötzlich waren alle Schäden (Abb. 3), auch in weißen Sorten, durch die Kirschessigfliege verursacht (Abb. 4). Bei kritischer und differenzierter Betrachtung waren in den meisten Fällen andere Ursachen ausfindig zu machen:
- Verletzungen der Beerenhaut durch Witterungseinflüsse, wie späte Hagelereignissen, Starkniederschläge oder Pilzbefälle (Oidium).
- Ende August und Anfang September schädigten tierische Schädlinge durch Mäuse-, Wespen-, Ameisen- und Vogelfraß die Beerenhäute
- Offenen Wunden und einsetzende Gärungsvorgänge lockten natürlicherweise die bekannten, heimischen Essigfliegen ( u.a. Drosophila melanogaster) an. Bei der Eiablage geben diese ihrer Nachkommenschaft Essigbakterien mit, von denen sich die später schlüpfenden Larven hauptsächlich ernähren.
- Viele Fäulnisnester waren auf den Zusammenbruch der Stielgerüste zurückzuführen. Der hauptsächliche Auslöser dürfte die andauerned hohe Bodenfeuchtigkeit ab Juli gewesen sein. Die Beeren unterhalb der kollabierten Stielgerüste gingen sehr schnell in Essigfäule über. Als Gründe dürfen die geringe Abtrocknung, wegen mangelnder Sonnenscheindauer, trotz überdurchschnittlicher Temperaturen (Abb.1) verbunden mit den oft warmen Nächten gelten. Innerhalb weniger Tage brachen dann oft die Anlagen zusammen.
Wohl auch des Namens und des Rufes wegen, der ihr als Neozoe voraneilte, wurde die starke Essigfäule der Kirschessigfliege zugeschoben, obwohl die oben genannten Ursachen auschlaggebend waren.
Dennoch wird in den kommenden Jahren der Kirschessigfliege erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken sein, da sie intakte Früchte schädigen kann. Aber Pflanzenschutzmaßnahmen, umso mehr, wenn sie unmittelbar vor der Ernte stattfinden, werden nur dann Akzeptanz finden, wenn Sie unbedingt notwendig sind.
Viele Anlagen mussten schnell unter hohem Selektionsaufwand wegen der essigfaulen Traubenteile gelesen werden. Ein Ausreizen noch schöner Tage im Oktober und das Warten auf optimale Ausreife war nur in ganzjährig top gemanagten Anlagen und mit oft mehrmaligen Lesedurchgängen zu erreichen.