Drosophila suzukii
Die Biologie der Kirschessigfliege mit Bildern

Die Biologie der Kirschessigfliege Drosophila suzukii bildet die Grundlage für die Erarbeitung von Gegenmaßnahmen. Anhand von Bildern lassen sich die typischen Merkmale der Kirschessigfliege erkennen. Die Fotos unten zeigen die Schäden, die durch die Kirschessigfliege verursacht werden können.

Merkmale der Kirschessigfliegen

Die Kirschessigfliege gehört zur großen Gruppe der Tau-, Obst- oder Essigfliegen (Diptera; Drosophilidae) und hat auch große Ähnlichkeiten mit diesen, wie rote Augen, hellbrauner Körper, ein Flügelpaar und eine Größe von 2,5 bis 3,5 mm.

Die charakteristischen Merkmale der Männchen von D. suzukii sind zum einen die Flügelflecke, die sich im Laufe der ersten beiden Lebenstage des Tieres ausfärben (Bild 1), zum anderen die schwarzen Kämme an den Vorderbeinen, die das Männchen bei der Begattung benötigt (Bild 2).

Die Weibchen dieser Art sind in der Regel größer als die Männchen, wobei die Größe der Tiere insgesamt sehr variabel und wohl von der Ernährung im Larvenstadium abhängig ist. Das besondere Kennzeichen der Weibchen (Bild 3) ist der Eilegeapparat am Hinterleib des Tieres. Bei Tieren, die in Essigfallen gefangen wurden, ist dieser in der Regel ausgestülpt und mit der Lupe zu sehen (Bild 4). Ob es sich um den Legebohrer der Kirschessigfliege oder einer anderen Fliege handelt, muss eine stärkere Vergrößerung zeigen. Der Legebohrer besteht aus zwei parallelen kräftigen „Sägen“ (Bild 5), die zwischen sich Platz für das austretende Ei lassen und deutlich kräftiger ausgebildet sind, als die der heimischen Essigfliegen (Bild 6). Dieser Eiablageapparat ermöglicht es den Kirschessigfliegen andere Habitate, nämlich unverletzte Früchte, zu besiedeln als die heimischen Essigfliegen, die für die Eiablage beschädigte Früchte benötigen.

Ein weiteres Merkmal, das bei der Bestimmung der Tiere hilft, ist die deutliche Bebänderung am Hinterleib (Bild 7), wobei diese Querstreifen durchgehend, also nicht unterbrochen, sind.
Bild 1 Das Männchen der Art Drosophila suzukii mit typischem Fleck auf dem Flügel

Bild 1: Männchen mit typischem Flügelfleck

Bild 2  Schwarze Kämme nach unten ausgerichtet an den Vorderbeinen des Männchens (etwa 50 fache Vergrößerung)

Bild 2: Schwarze Kämme an den Vorderbeinen der Männchen

Bild 3 Das Weibchen der Art Drosophila suzukii mit ausgestülptem Eiablegeapparat

Bild 3: Weibchen mit Eiablageapparat

Bild 4 Sägeartiger Eiablageapparat des Weibchens in Vergrößerung mit deutlich sichtbaren Sägezähnen

Bild 4: Eiablegeapparat in Vergrößerung

Bild 5 Eiablageapparat in schräger Ansicht zeigt eine Doppelsäge mit dazwischen liegender Rinne, durch die das Ei in die Frucht geschoben wird. Rechts ist das Ei zu sehen, während die Atemanhänge des Eies noch größtenteils in der Rinne liegen.

Bild 5: Eiablageapparat mit Ei von unten

Bild 6  Eiablageapparat einer anderen Drosophiliden-Art, deren Säge wesentlich kleiner und schwächer ausgebildet ist.

Bild 6: Eiablageapparat einer anderen Drosophiliden-Art

Bild 7 Eine Kirschessigfliege von oben gesehen, mit durchgehenden dunklen Bändern auf dem Hinterleib

Bild 7 Querbänder

Entwicklung vom Ei über Larve und Puppe zur Fliege

Bereits im Alter von einem Tag beginnt das Weibchen mit der Eiablage, in dem es die Fruchthaut aufsägt, um ein Ei in die bisher unbeschädigte Frucht legen zu können. Bevorzugt wird eine Traubenbeere im Bereich um das Beerenstielchen mit ein bis drei Eiern belegt. Der Bereich wird markiert, so dass kein anderes Weibchen seine Eier in allzu großer Nähe ablegt. Pro Tag kann ein Weibchen sieben bis 16 Eier und im Laufe seines Lebens rund 400 Eier ablegen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kirschessigfliege einen natürlichen Belag mit Hefen, Pilzen und/oder Bakterien auf der Beerenoberfläche erwartet, um ihre Eier abzulegen. Wurde diese natürliche Flora versuchsweise entfernt, legten die Weibchen keine Eier darauf ab. Dies könnte ein Ansatzpunkt sein, um durch Veränderung dieser Flora, die Tiere von den Früchten fernzuhalten.

Sobald ein Weibchen die Eier gelegt und die Frucht wieder verlassen hat, kann die erfolgte Eiablage nur durch die aus der Frucht ragenden Atemanhänge der Eier nachgewiesen werden (Bild 8), mit bloßem Auge ist dies nicht zu erkennen (Bild 8a). Nur bei ausreichender Luftfeuchte und milden Temperaturen kann sich das Ei weiterentwickeln. Bei Weintrauben trocknen die Atemanhänge oft ein und das Ei stirbt ab. Häufig lässt sich bei Weintrauben auch eine Verschorfung der Eiablagestellen beobachten, die ebenfalls zum Absterben des Eies führt (Bild 9).

Kommt das Ei zur Entwicklung, schlüpft nach 24 bis 78 Stunden die junge Larve und beginnt zu fressen (Bild 10). Der Schlupf aus dem Ei wird meist von der Bildung eines kleinen Safttropfens auf der Beerenoberfläche begleitet (Bild 11). Dieser darf nicht mit der größeren Safttropfenbildung durch den Larvenfraß verwechselt werden (Bild 12). Die Larve entwickelt sich über zwei weitere Larvenstadien in fünf bis 13 Tagen bis zur Puppe, die meist halb in der Frucht sitzt (Bild 13). Dabei ernährt sich die Larve der Kirschessigfliege anders als die heimischen Essigfliegen nicht von mitgebrachten Essigbakterien. Dies zeigen auch Untersuchungen von Darminhalten der Larven.

Die gesamt Entwicklung vom Ei bis zum geflügelten, erwachsenen Tier dauert je nach Bedingungen zwischen acht und 25 Tagen, meist 14 bis 21 Tage. Da sich nicht alle Eier bis zum Adulttier weiterentwickeln, schlüpft nur ein Teil der insgesamt abgelegten Eier. So sind bisher im Weinbau Schlupfraten bis maximal 18 % der gelegten Eier nachgewiesen.

Der Zyklus der Entwicklung ist auf Bild 14 schematisch dargestellt.
Bild 8 Eiablage in einer Rotweinbeere; die langen dünnen Atemschläuche des Eies von Drosophila suzukii ragen aus der Beere (Vergrößerung 60fach)

Bild 8 Ei in Rotweinbeere, Atemanhänge sichtbar

Bild 8a Traubenbeere mit Eiablage, wobei diese nicht erkennbar ist

Bild 8a Eiablage ohne Vergrößerung

Bild 9 Eiablagestellen auf Trauben verschorfen sehr oft und die Eier sterben ab.

Bild 9: verschorfe Eiablagestelle

Bild 10 Eine frisch geschlüpfte Larve neben der zusammengefallenen Eihülle mit ihren Anhängen in einer Heidel-/Blaubeere.

Bild 10: frisch geschlüpfte Larve

Bild 11 Ein feiner Safttropfen bildet sich oft, wenn die Larve aus dem Ei schlüpft.

Bild 11: Safttropfen nach Larvenschlupf

Bild 12 Größere, gut sichtbare Tropfen an den Trauben bilden sich erst nach einiger Fraßtätigkeit der Larven

Bild 12: gut sichtbare Tropfen nach Fraß der Larve

Bild 13 Eine weißliche Larve kurz vor der Verpuppung bringt sich halb in der Frucht steckend in Position, daneben eine fertige goldbraune Puppe

Bild 13: Larve kurz vor der Verpuppung und Puppe (links)

Bild 14 schematische Darstellung des Lebenszyklus der Kirschessigfliege

Bild 14: Lebenszyklus der Kirschessigfliege

Lebensraum und Lebensweise

Der ursprüngliche Lebensraum der Kirschessigfliege liegt im gemäßigten Klima des südostasiatischen Raums, das unserem Klima annähernd entspricht. Voraussetzung für eine dauerhafte Anwesenheit des Schädlings ist eine frostfreie Überwinterung an geschützten Plätzen und nicht zu heiße Temperaturen im Sommer, sowie eine möglichst feuchte Witterung. Ausschlaggebend dabei ist das Mikroklima im unmittelbaren Umfeld des Tieres.
Aktiv ist D. suzukii bei Temperaturen zwischen 10° und 30°C, wobei 20° und 25°C optimal für ihre Vermehrung sind. Steigen die Werte jedoch auf über 25°C werden weniger Eier abgelegt, steigen die Werte weiter auf über 28°C so reduziert sich die Schlupfrate der Fliegen deutlich. Bei 32°C und mehr findet keine Fortpflanzung mehr statt. Im unteren Temperaturbereich zeigt sich, dass bei Werten unter 5°C die Sterblichkeit der Tiere zunimmt.

Lebensweise im Winter

Die erwachsenen Tiere überwintern, die Weibchen sind dann bereits begattet. Diese Wintertiere unterscheiden sich durch ihre dunklere Färbung von den Tieren aus dem Sommer und ihre längere Lebensdauer von bis zu 234 Tagen, je nach Studie. Auf jeden Fall müssen die Tiere, um sich an einem Standort zu etablieren, die Zeit von November bis zu den ersten Früchten im Frühjahr überstehen.

Bei Temperaturen über 5° bis 6°C werden die Tiere aktiv und gehen auf Nahrungssuche. Zu ihrer Nahrung zählen neben Ausscheidungen von Blättern, Nadeln und Bäumen, auch Hefen und Bakterien von Blattoberflächen, sowie Honigtau und Pollen.

Überwinterung

Die Überwinterungsorte sind noch nicht bekannt. Bisherige Beobachtungen deuten darauf hin, dass frostfreie Nischen im Bereich des Waldes, der Laubstreu, aber auch an Gebäude, zu finden sind.

Im Frühjahr beginnt die Reifung der Eier im Weibchen, das bei passenden Temperaturen mit der Eiablage beginnt. Welche Früchte werden im Jahreslauf als erstes belegt? Haben die Wintertiere bis zur ersten Beobachtung im Jahr überlebt, oder hatten sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits an anderer Stelle vermehrt? Diese Fragen konnten auch in anderen Regionen noch nicht geklärt werden.

Mobilität

Da die Kirschessigfliege für die Eiablage andere Plätze als für die Nahrungsaufnahme aufsucht, stellt sich immer wieder die Frage: Woher kommt die Fliege gerade? Ist es die Hecke gleich nebenan? Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass diese Tiere sehr mobil sind. So ist ein Aktivitätsradius von einem Kilometer wahrscheinlich, aber auch Strecken von bis zu zwei Kilometern wurden schon beobachtet. Der Einflug in die Weinberge kann also von weit her erfolgen.

Lebensweise im Sommer

Während des Sommers erreicht die hellere Sommerform der Fliege ein Alter von drei bis neun Wochen und ernährt sich von denselben Nahrungsquellen wie im Winter, jedoch zusätzlich von Nektar und frischen oder gärenden Fruchtsäften. Dies führt dazu, dass die Kirschessigfliege zur Nahrungsaufnahme auch in Anlagen mit beschädigtem, faulendem Traubenmaterial einfliegt. Der größte Bestand an Kirschessigfliegen ist in den Monaten August bis Oktober zu beobachten, also zur Zeit der Reifung und Lese der Trauben.
Wohl fühlt sie sich vor allem in Anlagen, in welchen sie ein günstiges Mikroklima vorfindet, also gemäßigte Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit (Bild 15). Um dieses Mikroklima nicht entstehen zu lassen, empfiehlt es sich für eine gut belüftete und lockere Laubwand zu sorgen, die Traubenzone rechtzeitig zu entblättern und zur Reifezeit Begrünungen nicht zu hoch wachsen zu lassen (Bild 16). All diese Maßnahmen dienen insgesamt der Traubengesundheit und damit der späteren Weinqualität.

Bild 15: Rebzeile nicht entblättert und Begrünung sehr hoch

Bild 15: gut für die Kirschessigfliege

Bild 16: Luftig lockere Traubenzone, kurze Begrünung

Bild 16: kein guter Lebensraum für die Kirschessigfliege

Wirtspflanzen

Im späten Frühjahr und Sommer stehen den Weibchen zahlreiche Wirtspflanzen für die Eiablage zur Verfügung. Dies sind neben den Kulturen der namensgebenden Kirschen, das Beerenobst wie Erdbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren und Blaubeeren, das Steinobst wie Pflaume, Pfirsich, Nektarine und Aprikose, auch Exoten wie Sharonfrucht (Persimonen), Feige und winterharte Kiwi, oder auch Holunderkulturen und eine sehr große Zahl an Wildfrüchten.

Die Reben, als weitere Kultur mit Tafel- und Keltertrauben, zeigen recht große Unterschiede bei den Sorten, wobei offensichtlich nur manche roten Sorten der Keltertrauben für die Kirschessigfliege interessant sind. So kann eine Präferenz der Kirschessigfliege für die Sorten Acolon, Cabernet Dorsa, Regent und Trollinger sowie Dornfelder und Portugieser, gefolgt vom Blauen Silvaner, festgestellt werden. Domina und Spätburgunder zeigen auch bei hohen Flugaktivitäten der Tiere im Bestand nur geringe Eiablagen. Aus der Literatur wird auch der Traminer als Wirt für die Kirschessigfliege beschrieben, was in Franken jedoch nicht bestätigt werden konnte.

Immer wieder werden die Fliegen der Kirschessigfliegen auch in Weißweinflächen beobachtet. In diese fliegen sie zur Nahrungsaufnahme ein, vor allem wenn die Anlagen durch Oidiumbefall, Mäuse- oder Wespenfraß, Aufplatzen oder Abquetschen der Beeren vorgeschädigt sind. Die Flugaktivität darf aber nicht mit einer Eiablage gleich gesetzt werden. So waren im Fäulnisjahr 2014 auch in Weißweinanlagen Kirschessigfliegen zu beobachten, jedoch keine Schäden, die ursächlich von der Kirschessigfliege stammten. In solchen Anlagen treffen sie auf ihre Verwandten, die heimischen Essigfliegen, die bevorzugt an diesen Orten ihre Eier ablegen.

Die Schlupfraten der Kirschessigfliegen aus den Früchten der verschiedenen Wirtspflanzen sind sehr unterschiedlich, auch in Abhängigkeit vom vorherrschenden Mikroklima. Kriterien für die Eiablage und Entwicklung auf den verschiedenen Wirtspflanzen sind zum einen reifende und reife, unbeschädigte Früchte. Ein Farbumschlag nach rot oder rotblau gilt als weiteres Signal für die Eiablage, wobei nicht klar ist, warum auch grüne Minikiwis gerne angenommen werden. Dabei muss man davon ausgehen, dass die Farbwahrnehmung bei den Drosophiliden anderes ist als die des Menschen. Ein weiterer Faktor ist der Zuckergehalt der Frucht, wobei ab rund 60° Öchsle Eiablagen beobachtet werden. Wie diese Kriterien zusammenwirken und welche weiteren Faktoren noch eine Rolle für die Eiablage spielen, ist momentan noch unklar.

Schadbilder an Trauben

Die Kirschessigfliege bringt, anders als die heimische Essigfliege, keine Essigbakterien in die Frucht mit. Dies konnten Fachleute aus verschiedenen Weinanbaugebieten bestätigen. Die Eiablage öffnet die Frucht jedoch für erste Sekundärschädlinge. Durch den Larvenfraß kommt es zum Saftaustritt aus der Beere, was Schädlinge wie die Essigfliegen anlocken kannund einen guten Nährboden für Fäulnis bietet. Der Fraß der Larven und das Abtropfen von Fruchtsaft in größerem Umfang führen zu Mengen- und damit Ertragsverlust. Um weitere Probleme zu vermeiden, muss vorgezogen gelesen werden, so dass das Reifepotential nicht voll ausgenutzt werden kann. Mögliche Probleme bei der (Spontan-)Gärung, die allein durch die Kirschessigfliege verursacht werden, sind noch weitgehend unbekannt.
dunkelrote Safttropfen treten aus punktuellen Schäden an einer blauen Traube

Saftaustritt durch Fraß

Ausschnitt aus Rotweintraube mit ablaufenden Safttropfen und zwei Drosophiliden

Saft lockt alle Essigfliegen

Grauer Schimmelpilz an punktueller Stelle auf einer blauen Traube

Botrytis an Eiablagestelle

Eingefallene Beerren und Mengenverlust durch Fraß der Larven

Mengenverlust durch Fraß der Larven

Einzelbeere stark eingedellt und eingefallen, nass glänzend von Traubensaft

Zusammengefallene Beere mit Saftaustritt

Eingedellte rötlich blaue Beere in Nahaufnahme

Eingesunkene Beerenhaut durch Larvenfraß

Roter Traubensaft läuft an blauer Traube herunter

Saftende Traube durch Larvenfraß

Beeren eingedellt und blaue Beeren mit rötlicher Tönung

Traube mit Larvenfraß ohne Saftaustritt

Fazit

Zur Biologie der Kirschessigfliege Drosophila suzukii gibt es noch viele offene Fragen. Diese werden unter anderem in einem vom Bayer. StMELF geförderten Projekt untersucht. Entsprechend gilt es daraus Regulierungs- und Bekämpfungsmöglichkeiten für den fränkischen Weinbau zu erarbeiten und zu testen.

Flyer