Rebphysiologie
Traubenqualität = umgesetzte Sonnenenergie
Welche Rolle spielen Einstrahlungsenergie und Lufttemperatur?
Die umfassende klimatologische und pedologische Bewertung von Weinbaulagen ist in Hinblick auf Rebsortenwahl, Bewirtschaftung und Qualitätsmanagement von hoher Bedeutung. Mittels des wärmebasierten Huglin-Indexes, der die Temperaturen über 10° C aufsummiert, sind gebietsbezogene Abschätzungen der Lagengüte möglich. Mit dem Huglin-Index wird die Länge der Vegetationsperiode erfasst und daraus der Rückschluss auf den Anbau von früh- oder spätreifenden Rebsorten gezogen. Eine umfassende lagenspezifische Bewertung ist allerdings nur über Zuhilfenahme weiterer Bezugsgrößen möglich. Unter den klimatischen Größen kommt der Einstrahlungsenergie in den qualitätsentscheidenden Reifemonaten die größte Bedeutung zu. Für die optimale Nutzung der Sonnenenergie spielen die Topographie mit Hangausrichtung, die Hangneigung sowie die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens eine wichtige Rolle.
Ziel des Projektes
Kann der „tatsächliche Einfluss“ von meteorologischen Größen auf eine Weinlage quantifiziert werden?
Die gelände-klimatologische Standortbewertung basiert nicht allein auf der Komponente „Klima“. Vielmehr definiert sich die Geländeklimatologie als Schnittmenge von Geologie / Topographie, Klima und Boden, wobei sich diese gegenseitig verstärken oder abschwächen können. Des Weiteren können aus einem großen Datenpool von meteorologischen Größen diverse Berechnungen durchgeführt werden, um zu einer statistischen und objektiven Standortbewertung zu gelangen. In der Gesamtbewertung einer Lage darf auch der Einfluss der klimatischen Veränderungen nicht außer Acht gelassen werden, der die derzeitigen Standortbedingungen im Laufe der Zeit verändern wird.
Sonneneinstrahlung in der Reifeperiode
Der Schwerpunkt liegt hier auf der Einstrahlungsenergie, die mittels der Globalstrahlung auf die Pflanzen trifft. Unter Globalstrahlung versteht man die Summe aus direkter Sonneneinstrahlung und diffuser Strahlung, die beispielsweise durch eine Wolkendecke fällt.
Für den Weinbau ist die Globalstrahlung insofern wichtig, da aus ihr die photosynthetisch aktive Strahlung (PAR) abgeleitet werden kann, die die Aufbauprozesse in der Pflanze bestimmt. Die PAR verhält sich proportional zur Globalstrahlung und ist als wichtiger Strahlungsparameter für das Rebwachstum und besonders in den Reifemonaten für die Assimilatbildung verantwortlich.
Wie groß sind die Lagenunterschiede mit Exposition, Hangneigung und Zeilenausrichtung bezüglich der empfangenen Einstrahlungsenergie in den Jahren?
In der Lagenbewertung (BayWeinLag) wird die berechnete maximal mögliche, direkte Sonneinstrahlungssumme auf Basis der topographischen Eigenschaften für Weinlagen zusammengestellt. Diese Berechnung basiert auf der maximal möglichen Sonnenscheindauer und einem Faktor, der den durchschnittlichen Wasserdampfgehalt der Luft in bestimmten Monaten berücksichtigt. Dieser Wert der maximal möglichen Sonneneinstrahlung berücksichtigt nicht die aktuell herrschenden Witterungsverhältnisse eines Jahres am spezifischen Standort, sondern beziffert davon unabhängig die potenziell mögliche Einstrahlungsenergie.
Methoden des Projektes
Für die Lagenbewertung ist es wichtig, festzustellen um wie viel die tatsächlich gemessenen Einstrahlungswerte von den berechneten Werten abweichen. Da zur Zeit der Untersuchung keine ausreichenden Messergebnisse der direkten Sonneneinstrahlung für bestimmte Lagen vorlagen, wird die Messung der Globalstrahlung als Vergleich herangezogen und die beste Lage gleich Hundert gesetzt.
Die jahresspezifisch gemessenen Globalstrahlungsdaten von vier verschiedenen Klimamessstationen werden miteinander verglichen und auf Übereinstimmung mit der Berechnung der direkten Sonneneinstrahlung der jeweiligen Lage-Bewertung geprüft.
Zum Vergleich der Wärmesummen in der Reifeperiode werden diese für die einzelnen Standorte aufsummiert, um die Huglin-Index basierten Wärmesummen mit der gemessenen Einstrahlungsenergie zu vergleichen.
Für den klimatologischen Standortvergleich werden die tägliche Globalstrahlungssummen gebildet und über zwei unterschiedliche Zeitabschnitte innerhalb der Reifeperiode aufsummiert:
- Reifeperiode I : 15.Aug.-15.Sept.
- Reifeperiode II : 16.Sept.-15.Okt.
Die vier Messstationen befinden sich alle an der Volkacher Mainschleife in räumlicher Nähe zueinander, weisen aber deutliche Unterschiede hinsichtlich der topographischen Eigenschaften ihrer Standorte auf:
- Escherndorfer Fürstenberg: Osthang
- Gaibacher Kappellenberg: Süd-orientierte Flachlage
- Nordheimer Kreuzberg: Nord-West orientierter Steilhang
- Escherndorfer Lump: Süd-Südost-orientierten Steillage
Ergebnisse des Projekts
Die Weinlagen Escherndorfer Fürstenberg, Gaibacher Kappellenberg, Nordheimer Kreuzberg und Escherndorfer Lump zeigen folgende Ergebnisse hinsichtlich der gemessenen Globalstrahlungs- und Temperatursummen in den beiden Versuchsjahren:
- Die berechnete direkte Sonneneinstrahlung differiert zwischen den Standorten stärker als die gemessene Globalstrahlung in den Versuchsjahren.
- Mit fortschreitender Reifezeit wird die Lagendifferenzierung immer deutlicher.
- Die nach Ost oder Nord ausgerichteten Rebhänge erhalten in der späteren Reifephase 15 bzw. 30 % weniger Einstrahlungsenergie als die Süd-exponierte Lage Escherndorfer Lump.
- Die relativ flache und windoffene Lage Gaibacher Kappellenberg empfing in beiden Versuchsjahren in der gesamten Reifeperiode durchschnittlich 2-3% weniger an Globalstrahlung, da dort keine Abschattwirkung besteht.
- Die windgeschützte Nord-West-Lage in Nordheim weist wegen der Abschattwirkung deutlich geringere Einstrahlungswerte auf.
- Die Temperaturwerte sind in der abgeschatteten Ost-Lage am niedrigsten, während die Nord-West-Lage sowohl durch eine geringere Windbelastung als auch durch die geringere westliche Abschattung ein günstigeres Wärmeklima in der Reifezeit aufweist.
Diskussion
Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass die Hangneigung für den Strahlungshaushalt hinsichtlich der Globalstrahlung eine geringere Rolle spielt als die Hangausrichtung. Dieser Aspekt ist nicht überraschend, da die Rolle des Sonnenstandes besonders in der Reifezeit und die daraus resultierenden Abschattungsverhältnisse eine große Rolle spielen.
Überraschend ist der kaum messbare Unterschied zwischen der Steillage Escherndorf und der Flachlage Gaibach. Dies könnte auch mit der jeweils horizontale Ausrichtung des Meßsensors zusammenhängen, was im Weiteren noch zu überprüfen ist.
Wird die entsprechende Hangneigung mit erfasst, ist ein größerer Unterschied zwischen den Standorten Escherndorf und Gaibach (wie auch bei den anderen Standorten) zu erwarten.
Die Abstufung der Lagenbewertung gemäß der potentiell möglichen direkten Sonneneinstrahlung (BayWeinLag) kann trotz des unterschiedlichen Zeitraums und der stärken Ausprägung der Standortunterschiede zur vergleichenden Bewertung der vier Weinlagen Verwendung finden.
Für eine objektive Lagenbewertung hinsichtlich der erzielbaren Traubenqualität eignen sich die Temperatursummenwerte in den beiden Messperioden nicht.
Obwohl die Sonneneinstrahlung in der Reifeperiode den Hauptfaktor für die Zuckerbildung und die Traubenreife darstellt, wirken weitere Einflussgrößen wie Temperatur, Wind, Nebel, Niederschlag und die Bewirtschaftung auf die Traubenqualität ein.
Die Zusammenhänge und die Bedeutung der Einstrahlungsenergie sowie der PAR und der weiteren Faktoren auf die Qualität der Trauben und die Bewertung der Lagengüte werden in weiteren Arbeiten und Vergleichen mittels des fränkischen Klimaprojektes noch herausgearbeitet werden.
Zusammenfassung
Durch die Messung und den Vergleich der Globalstrahlung an vier unterschiedlich ausgerichteten Rebstandorten an der Volkacher Mainschleife konnte die bisherig vorliegende Standortbewertung, die auf die potentiell mögliche Direktstrahlung eines Rebstandortes fußt und im Bewertungswerk BayWeinLag der LWG zusammengestellt ist, bestätigt werden.
Die gemessenen Globalstrahlungswerte zeigen jedoch eine deutlich geringere Differenzierung als die berechnete direkte Sonneneinstrahlung, besonders in Bezug auf Flachlagen.
Für die lagenspezifische Traubenqualität zeigt sich die Exposition als wichtigster Reifefaktor in der Zeit der Traubenreife.
Bei der Bewertung der Hangneigung besteht noch Klärungsbedarf in welcher Größenordnung hier die Reife beeinflusst wird.
Die Aufsummierung der lagespezifischen Temperatursummen in den Reifephasen zeigt keine Übereinstimmung mit den Einstrahlungswerten.
Abschattwirkung und Windeinfluss üben auf die Temperatur einen starken Einfluss aus, so dass auf dieser Grundlage keine objektive Lagenbewertung durchführbar ist.
Mittels der Messung der Globalstrahlung können die Witterungsverhältnisse innerhalb einer Reifeperiode erfasst und mit der Traubenqualität korreliert werden. Zudem kann die Photosynthetische Aktive Strahlung (PAR) und somit die Zuckerproduktion oder der potentielle Zuckerertrag abgeschätzt und die direkte Lagenqualität damit besser bewertet werden, als mit dem temperaturbasierten Huglin-Index. Mittels der gemessenen Einstrahlungsenergie und dem langjährigen Ertragspotential lässt sich der potentielle Zuckerertrag einer Rebanlage berechnen und somit die Lagengüte genauer bestimmen.
Weitere geländespezifische Klimadaten die mittels eines weit gefächerten Messnetzes an Klimamesstationen in Franken derzeit erhoben werden, bilden die Grundlagen zur Erfassung lagespezifischer Einflussgrößen und werden die Standortbewertung weiter verbessern.
Weiterführende Literatur und Link
- Hoppmann, D. (2010): Terroir – Wetter.Klima.Boden, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 328 S.
- Maaß, U. und A. Schwab (2011): Klimawandel und Sortenwahl: der HUGLIN-Index, Rebe und Wein 4/2011, S. 20-23
- Michel, S., Königer, S. und A. Schwab (2002): Klimatische Klassifizierung von Weinbergsflächen, Rebe und Wein Nr. 7, S. 23-26
- BayWeinLag: Standortbewertung der fränkischen und bayerischen Rebflächen. Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. - derzeit im technischen Relaunch