Fachartikel
Neue Materialien für wassergebundene Wegedecken
In einem gemeinsam mit der Stadt Würzburg durchgeführtem Forschungsprojekt werden seit Mai 2009 neun Wegebefestigungen unter einer bestehenden Lindenallee für eine Geh- und Radwegnutzung erprobt. Bei der Konzeption der rund 500 Meter langen Teststrecke war zu berücksichtigen, dass der Wegeaufbau dem anfallenden Verkehrsaufkommen mit jährlich rund 150.000 Radfahrern und 50.000 Fußgängern gewachsen ist. Gefragt waren ebenso Bauweisen, die die Vegetation ausreichend mit Wasser, Luft und Nährstoffen versorgen und somit einen geringeren Wurzeldruck entstehen lassen, um der Gefahr von Verwerfungen in den Belägen entgegenzuwirken.
2014, 12 Seiten
Neue Wege in der Technik und Erprobung
Nach vorab durchgeführten Marktrecherchen kamen etwa 25 verschiedene Bauweisen bzw. Produkte in die Vorauswahl. In Absprache mit der Stadt wurden daraus neun verschiedene Befestigungsvarianten für die Erprobung ausgewählt. Alle Wege bestehen aus einer ungebundenen mineralischen Tragschicht und einer verfestigten Deckschicht. Der Hauptunterschied liegt in der Art der Oberflächenverfestigung. Zur Stabilisierung der Deckschichten werden je nach Produkt organische, bitumen-, zement- oder kunststoffhaltige Bindemittel zugesetzt und mit Wasser und Verdichtungsarbeit vor Ort zu einer festen Wegedecke verarbeitet. Die eingesetzten Bauweisen und Beschreibung der Materialien sind im Fachartikel ausführlich beschrieben.
Die Anlage der Teststrecke erfolgte durch die Stadt Würzburg, Fachabteilung Tiefbau und das Gartenamt. Die wissenschaftliche Begleitung obliegt der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim, Abt. Landespflege. Jede Befestigungsvariante umfasst einen abgegrenzten Geh- und Radwegbereich, der umlaufend mit einer Pflasterzeile eingefasst ist. Die Länge der Versuchsabschnitte beträgt jeweils 50 m. Der Einbau der Beläge erfolgte durch die Herstellerfirmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, teils mit inländisch beauftragten Lizenznehmern. Schon damals zeichnete sich ab, dass es für einige Hersteller nicht ganz problemlos war, den Bauauftrag routinemäßig abzuwickeln.
Das „System Glorit“ konnten nur in Kooperation mit einem regionalem Betonmischwerk und einer ortsansässigen Baufirma verwirklicht werden, die bis dato noch keine Erfahrungen im Umgang mit dem Rezeptbeton hatten. Folglich wurde der Streckenabschnitt bis zur Abnahme quasi zweimal hergestellt. Auch die Bauabwicklung mit „Perma-Zyme 11 x“ aus Österreich gestaltete sich etwas schwierig. Trotz Plan mit Massenübersicht war zunächst zu wenig Material verfügbar, was zu Verzögerungen beim Einbau und wohl teilweise auch zu geringen Gesamtschichtdicken führte. Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass diese beiden Hersteller heute so gut wie keine Marktpräsenz mehr erfahren.
Da das Projekt von Anfang an auf Bürgerbeteiligung ausgelegt war, fand im September 2011 folgerichtig eine erste Nutzerbefragung statt. Bei der Befragung wurden nicht nur tagesaktuelle Eindrücke verarbeitet, sondern auch Langzeiterfahrungen bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen seitens der Nutzer berücksichtigt.
Wenn es ums Aussehen geht, überzeugte die Nutzer vor allem das Betonsteinpflaster und der kunststoffgebundene Belag „Terraway“. Jeder dritte Fußgänger präferiert diese beiden Befestigungsarten. Bei den Radfahrern ist die Zustimmung für das Pflaster mit fast 50 % positiven Bewertungen sogar noch größer. Wenig Gefallen finden die Nutzer an den zement- und wassergebundenen Bauweisen und dem Drän-Asphalt.
Etwas differenzierter fällt die Bewertung hinsichtlich des Geh- und Fahrkomforts aus. Bei den Fußgängern liegt die Variante „Terraway“ sowohl bei der Trittsicherheit als auch bei der Gelenkschonung mit deutlichem Abstand vor allen anderen Bauweisen.
Gradmesser für eine Beurteilung des Komforts durch Radwegbenutzer waren der für die Fortbewegung benötigte Kraftaufwand und die Verschmutzungsanfälligkeit der Belagsvarianten. Auch hier liegt die Variante „Terraway“ in der Nutzergunst ganz weit vorne. Was den Rollwiderstand betrifft, können allenfalls noch der Drän-Asphalt, das Pflaster und die zementgebundene Bauweise „Multipor-W“ einigermaßen mithalten. Alle anderen Bauweisen genügen den Radfahreransprüchen offensichtlich nicht. Wie nicht anders zu erwarten liegen die „harten“ Bauweisen auch in der Sauberkeit deutlich vor allen wassergebundenen Varianten, die bauartbedingt mit Staubentwicklung und Spritzwasser zu kämpfen haben.
Wenn es um die Optik geht, liegen Experten und Nutzer in ihrer Sichtweise nicht weit auseinander. Auch die Experten sehen im Jahr 2012 die Variante „Terraway“ und das Pflaster im Erscheinungsbild ganz weit vorne. Im Gegensatz zu den Nutzern gefällt der Drän-Asphalt aber gleichrangig gut.
Nach mehr als vier Jahren sind bei allen Befestigungsarten vorwiegend im Radwegebereich mittlerweile mehr oder weniger gravierende Mängel auszumachen. Am besten mit der Belastung zurecht kommt die Pflasterdecke, der kunststoffgebundene Belag „Terraway“ und der Drän-Asphalt. Hier treten so gut wie keine Beschädigungen in Form von Kratzern, Rissen und Ausbrüchen auf. Einzig im Übergang zur Randbefestigung bzw. beim Anschluss an Bauteilen (z. B. Kabelschächte) innerhalb der Fahrbahn zeigen sich bei „Terraway“ ganz vereinzelt Setzungs- bzw. Spannungsrisse, die aber den Gebrauchswert der Fahrbahn bis jetzt in keiner Weise beeinträchtigen.
Was die Schmutzanfälligkeit betrifft, sind die zementgebundenen Bauweisen je nach verwendeter Korngrößenzusammensetzung dem Asphalt bzw. Pflaster gleichzusetzen. Die gravierendsten baulichen Mängel weisen eindeutig die wassergebundenen Decken auf.
Bei allen Varianten zeigen sich mittlerweile deutliche Fahrspuren in Folge von nutzungsabhängiger Kornzertrümmerung bzw. Kornverlagerung. Im Extremfall sind die Deckschichten dort bereits komplett abgetragen und grobkörniges Tragschichtmaterial bildet die Belagsoberfläche. Dieser Mangel zeigt sich unabhängig von der Art des Bindemittelzusatzes bei allen wassergebundenen Bauweisen. Keine der eingebauten Varianten genügt mittlerweile den Ansprüchen eines Radwegs.
In einer Bewertung des notwendigen Pflegeaufwands, werden seitens des Pflegepersonals des Gartenamts Würzburg die „harten“ Befestigungen ohne Differenzierung eindeutig präferiert. Auf diesen Flächen waren bisher noch keine Sanierungsmaßnahmen erforderlich und die Reinigung gestaltet sich in der Regel problemlos. Am schlechtesten weg kommen bei den Stadtgärtnern die wassergebundenen Decken. Laut Auskunft des Personals waren hier unabhängig von der Bauweise in den vergangenen vier Jahren schon Nachstreugänge mit Splitt erforderlich, um Unebenheiten in der Fahrbahndecke auszugleichen.
Der Winterdienst gestaltet sich bisher auf allen Flächen unproblematisch. Da die Geh- und Radwege ausnahmslos mittels Räumfahrzeug mit Schneeschild knapp über der Belagsdecke geräumt wurden, ergab sich bei den einzelnen Befestigungsvarianten bisher kein Unterschied im Zeitaufwand.
Wassergebundene Bauweisen bei viel Fahrradverkehr problematisch
Rückblickend auf die Erfahrungen der ersten vier Betriebsjahre ergibt sich vor allem bei der Radwegnutzung schon jetzt eine deutliche Differenzierung bei den Befestigungsvarianten. Bei Nutzungsintensitäten mit über 2.000 Radfahrern pro Tag sind wassergebundene Bauweisen den Anforderungen auf Dauer nicht gewachsen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob eine Rezeptur mit organischen Bindemittelzusätzen oder eine traditionelle Bauweise in Anlehnung an die FLL-Empfehlung gewählt wird. In dieser Einschätzung sind sich Nutzer, Experten und Pflegepersonal einig. Zementgebundene Decken liegen in der Gunst von Nutzern und Experten zwar noch vor den wassergebundenen Bauweisen, wissen insgesamt aber auch nicht zu überzeugen.
Bedingt durch den feuchten regenreichen Winter 2013/14 hat die Oberflächenbeschaffenheit und damit auch die Schmutzanfälligkeit der wassergebundenen Bauweisen weiter gelitten. Nachdem in den Folgemonaten massive Beschwerden von Nutzern und Anrainern publik wurden, sah sich die Stadt Würzburg zum Handeln gezwungen. Die drei vorhandenen wassergebundenen Befestigungsarten wurden als Geh- und Radweg durch zwei Asphaltbauweisen unterschiedlicher Farbe und Kornzusammensetzung (Possehl-EP-Harz Grip ASK und bam COLOUR Asphalt) sowie durch einen Pflasterbelag (Tavolo-Mix, Fa. FCN) ersetzt. Das Kapitel wassergebundener Decken scheint damit bei hohen Nutzungsansprüchen unter Würzburger Klimabedingungen fürs Erste beendet zu sein.