Rebschutz-Projekt
Schwarzer Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus an Weinreben

Bohrmehlauswurf an einem Bohrloch in einem Rebstamm
Das Auftreten dieses Borkenkäfers an Weinreben in Europa wurde erstmalig im Jahr 2003 in Franken nachgewiesen.
In einer geschwächten Rebanlage wurde starker Borkenkäferbefall durch zwei Arten nachgewiesen: Ungleicher Holzbohrer (Xyleborus dispar) und Schwarzer Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus), der deutlich dominierte. Befallen waren ausschließlich geschwächte, aber keine abgestorbenen Reben. Bohrlöcher traten bevorzugt im Kopfbereich der Reben auf. Während Xyleborus dispar über Alkoholköderfallen quantitativ abgefangen werden konnte, hatten diese Fallen eine wesentlich geringere Attraktivität auf Xylosandrus germanus und eigneten sich lediglich zu seiner Flugüberwachung.

Borkenkäfer als Rebschädlinge

Borkenkäfer treten in Europa an der Rebe als Gelegenheitsschädlinge auf. Seit langem bekannt ist der Ungleiche Holzbohrer Xyleborus dispar (STELLWAAG 1928), der ausschließlich geschwächte, vor allem durch Frost geschädigte Reben befällt. Die Weibchen bohren einen waagerechten Gang in das Splintholz, von dem rechtwinklig auf- und abwärts gerichtete Gänge abgehen, in denen die Eier abgelegt werden. Diese Gänge liegen typischerweise im Mark. Die Larven fressen kein Holz, sondern ernähren sich ausschließlich von dem Myzel des Ambrosiapilzes, der von den Weibchen bei der Eiablage in das Gangsystem eingebracht wird. Bei stärkerem Befall durch den Ungleichen Holzbohrer sterben die Reben langfristig ab (KAST 1988). Daneben tritt in Südeuropa sowie ganz Italien ein weiterer Sekundärschädling, der Rebendreher, Sinoxylon sexdentatum, auf, der sich in Knospennähe ins Markgewebe der Triebe bohrt und sich dort von der eingelagerten Stärke und Zucker ernährt (Menke 2003). Befallene Ruten brechen beim Rebschnitt oder Binden ab. Daraus entstehende wirtschaftliche Schäden sind jedoch vergleichsweise gering. Dasselbe Schadbild findet sich bei der bei uns sehr vereinzelt auftretenden Art Xylonites retusus (MÜLLER 1987). Ein weiterer seltener Gelegenheitsschädling ist der Kapuzenförmige Holzbohrkäfer Bostrychus capucinus, der jedoch ausschließlich totes Rebholz befällt (SCHRUFT 1964).
In der untersuchten Rebfläche wurde in befallenen Rebstöcken neben Xyleborus dispar eine weitere Borkenkäferart, der Schwarze Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus, gefunden.

Lebensweise

Xylosandrus germanus hat einen sehr ähnlichen Lebenszyklus wie Xyleborus dispar: Die deutlich kleineren Männchen sind ebenfalls flugunfähig und begatten die ♀♀ in den Brutgängen. Nach der Winterruhe schwärmen die ♀♀ aus und befallen neue Wirtspflanzen. Wie bei Xyleborus dispar beimpfen die Weibchen die Gangsysteme mit einem Ambrosia-Pilz, dessen Myzel den Larven ausschließlich als Nahrung dient. Im Sommer verpuppen sich die Larven und entwickeln sich bis zum Herbst zu Jungkäfern, die in den Bohrgängen überwintern.
Überwinternde Xylosandrus germanus im Holzquerschnitt

Überwinternde Jungkäfer

Holzbohrer - Bohrgang im Querschnitt mit Auskleidung der Gangwände mit Ambrosiapilz

Bohrgang mit Ambrosiapilz, quer

Holzbohrer - Bohrgang mit Ambrosiapilz im Längsschnitt

Ambrosiapilz im Gang, längs

Material und Methoden

Untersuchungsfläche

Bei der Befallsfläche handelte es sich um eine 0,27 ha große Rebfläche im nordwestlichen Maindreieck, die im oberen Hangbereich liegt. Oberhalb der Fläche grenzt Laubmischwald an, weiter unten, im mittleren Hangbereich, befinden sich neben bewirtschafteten Rebflächen auch ganze Riegel offen gelassener, verbuschter Wein- und Obstgärten.
Die junge Anlage zeigt deutliche Merkmale der Überlastung. Neben geringer Wüchsigkeit und schlechter Holzreife waren durch verspätetes Ausbrechen verursachte Wundstellen an den Reben zu beobachten. Die Wurzeln wiesen bedingt durch starke Bodenverdichtung negativ geotropes Wachstum auf, so dass keine Wasseraufnahme aus tieferen Bodenschichten möglich war. Laut Aussage des Winzers traten in der Anlage keine Frostschäden auf.

Monitoring und Befallsbonituren

Zur Überwachung der Flugaktivität und –zahlen der auftretenden Borkenkäfer wurden im Versuchsjahr von Anfang April bis Ende Juni fünf Köderfallen (A – E) in der Befallsfläche ausgehängt (Abb.1). Diese bestanden jeweils aus einer roten, beleimten Kreuztafel und einer darunter hängenden Plastikflasche, die mit Köderflüssigkeit gefüllt war. MANI ET AL. (1990) haben gezeigt, dass als Köderflüssigkeit unvergällter Alkohol (50 Prozent), aber auch Obstbranntwein verwendet werden kann, während vergällter Alkohol zumindest auf Xyleborus dispar keine anziehende Wirkung hat. Unsere Köderflaschen wurden aus Kostengründen mit 42 prozentigem Obstbranntwein gefüllt, der je nach Witterung bis zu drei mal wöchentlich gewechselt wurde. Die Rottafeln wurden während des Untersuchungszeitraums ein mal wöchentlich gewechselt.
Neben der Erfassung der Flugaktivität kann bei Xyleborus dispar mit Rottafeln auch eine Befallsreduktion erzielt werden. Erfahrungen aus dem Obstbau zeigen, dass schon bei einer Fallendichte von acht Rottafeln pro Hektar ein beträchtlicher Teil der Ungleichen Holzbohrer quantitativ abgefangen werden kann, so dass die Zahl befallener Obstbäume im Verlauf mehrerer Jahre drastisch reduziert werden konnte (MANI ET AL. 1990). Bei der gewählten Dichte von fünf Tafeln auf 0,27 Hektar war somit ein deutlicher Rückgang des Befalls mit Xyleborus dispar zu erwarten.
Zur Überprüfung des tatsächlichen Befalls wurden vor Beginn des Monitorings im März eine befallene Rebe und nach Ende der Vegetationsperiode (Oktober) 17 weitere Reben auf Bohrlöcher bonitiert, längs aufgeschnitten und auf Borkenkäferbefall untersucht; darunter befanden sich auch drei abgestorbene Rebstämme. Zusätzlich wurde vor Beginn des Monitorings im März in drei Rebzeilen eine stockgenaue Bonitur auf Bohrlöcher durchgeführt (n = 231 Rebstöcke). In der am stärksten befallenen Rebzeile wurden weitere Bonituren Ende April und Anfang Juni durchgeführt, bei denen zusätzlich auf Blutungen und Bohrmehlauswurf an den Bohrlöchern geachtet wurde.
Bohrlöcher am Rebstamm

Bohrlöcher

Holzlängsschnitte durch Rebstamm

Holzlängsschnitte

Gangsystem im Holzlängsschnitt

Gangsystem

Xyleborus dispar im Holzquerschnitt

Xyleborus dispar

Xylosandrus germanus im Holzquerschnitt

Xylosandrus germanus

Ergebnisse

Befallsbonituren

Die Stockbonitur vor Beginn des Monitorings ergab, dass die mittlere Zeile am stärksten befallen war (Tab.1). Der Befall war hoch: 62 Prozent der Reben zeigten Bohrlöcher. Die Befallshäufigkeit war im oberen, waldnahen Bereich der Rebfläche am schwächsten ausgeprägt (Tab.1).

Die Reben waren bevorzugt im Kopfbereich befallen (Tab.2).

Tab 1: Prozentualer Anteil befallener Rebstöcke im oberen, waldnahen Bereich, in der Mitte und im unteren Bereich der ausgewählten Rebzeilen
Rebzeile (Zeilenabschnitt von oben)Zeile 4 (n = 82 Stöcke)Zeile 8 (n = 78 Stöcke)Zeile 12 (n = 71 Stöcke)
1.Viertel25%11%6%
2.Viertel38%81%11%
3.Viertel40%72%33%
4.Viertel52%85%29%
Gesamt39%62%20%
Tab 2: Befall der Reben in Abhängigkeit von der Stammhöhe (n = 14 Reben)
Stammhöhe (von oben)Prozent der Bohrlöcher
1.Viertel50%
2.Viertel19%
3.Viertel19%
4.Viertel12%

Monitoring

Auf den Rottafeln wurden im Untersuchungszeitraum insgesamt 3186 Ungleiche Holzbohrer Xyleborus dispar gefangen (Abb.2). Daneben traten noch verschiedene andere Borkenkäferarten auf, jedoch nur zwei dieser Arten in nennenswerter Anzahl: der Eichenholzbohrer (Xyleborus monographus) mit 600 Fängen und der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus) mit insgesamt 430 Tieren (Abb.2).

Xyleborus dispar zeigte eine Hauptflugaktivität von Anfang April bis Mitte Mai, die Mitte April durch einen Kälteeinbruch unterbrochen wurde (Abb.3). Die Flugaktivität von (Xyleborus monographus) und Xylosandrus germanus setzte im Mai ein und hatte ihren Schwerpunkt Ende Mai bzw. im Juni (Abb.3).

Zu Beginn der Flugaktivität war Xyleborus dispar am stärksten auf der Rottafel B vertreten, die im unteren Bereich der Rebfläche hing, wo auch die höchste Befallsdichte auftrat (Abb.4). Nach dem Kälteeinbruch zeigte Tafel D die höchste Fängigkeit, die sich in unmittelbarer Nähe zum Waldrand befand (Abb.4). (Xyleborus monographus) und Xylosandrus germanus (Abb.5) waren während der gesamten Flugphase am stärksten auf Tafel D in Waldrandnähe vertreten.
Grafik zur Gesamtanzahl der auf den Rottafeln gefangenen, häufigsten drei Borkenkäferarten

Abb 2

Grafik zur Flugaktivität der drei häufigsten Borkenkäferarten

Abb 3

Grafik zu Fangzahlen von Xyleborus dispar auf den einzelnen Rottafeln im Verlauf der Saison

Abb 4

Grafik zu Fangzahlen von Xylosandrus germanus auf den einzelnen Rottafeln im Verlauf der Saison

Abb 5

Stockbonituren

Die Stockbonituren wurden vor, während und gegen Ende der Flugphase von Xyleborus dispar durchgeführt. Der Anteil der Reben, der Bohrlöcher aufwies, blieb relativ unverändert (Tab.3).

Der Anteil der Rebstöcke, der Blutungen und/oder Bohrmehlauswurf aufwies, betrug 37 Prozent. Der Bohrmehlauswurf, der an befallenen Reben gefunden wurde, war typisch für Xyleborus dispar. Dagegen wurden keine für Xylosandrus germanus charakteristischen Bohrmehlstacheln beobachtet. In den benachbarten Rebflächen wurden bei stichprobenartigen Untersuchungen nur ganz vereinzelt Bohrlöcher an Rebstämmen gefunden
Tab 3: Anteil der Reben mit Bohrlöchern oder akuten Befallssymptomen in Zeile 8 (n = 78)
KalenderwocheBefallBlutungenBohrmehl- auswurf
13 (Anfang April)62%0%0%
17 (Ende April)67%19%0%
23 (Anfang Juni)58%0%19%

Befallsbonituren

In der im März untersuchten Rebe wurden zwei Borkenkäferarten gefunden: neben dem Ungleichen Holzbohrer trat der Schwarze Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus auf, der zudem deutlich dominierte (Abb.6).

In den im Oktober untersuchten Reben waren in den drei abgestorbenen Reben keine Borkenkäfer zu finden. Die 14 lebenden Rebstämme waren fast ausschließlich von Xylosandrus germanus besiedelt (Abb.7). Die Gangsysteme waren dagegen untypisch für Xylosandrus germanus: Anders als erwartet waren sie nicht im Randbereich des Splintholzes angelegt, sondern führten überwiegend ins Mark, wie es für Xyleborus dispar üblich ist. Dort zeigte sich eine Mischform aus charakteristischen Gängen des Ungleichen Holzbohrers und erweiterten Bruthöhlen, wie sie von Xylosandrus germanus angelegt werden (Abb.8).
Grafik zur Anzahl der Borkenkäfer in einem befallenen Rebstamm im März

Abb 6

Grafik zur Anzahl der Borkenkäfer in 14 befallenen Rebstämmen im Oktober

Abb 7

Gangsystem von Xyleborus dispar

Abb 8a

untypisches Gangsystem, das auf eine sekundäre Besiedelung durch Xylosandrus germanus hinweist

Abb 8b

Diskussion

Fallentyp und Nachweis verschiedener Arten

Eine Vielzahl von Borkenkäferarten lässt sich mit Alkoholköderfallen anlocken (POLING & HEARBY 1975). Dies zeigte sich auch in der Befallsfläche, wobei jedoch im Nahbereich der Fallen die Fängigkeit der Rottafeln deutlich überwog: nur 3 Prozent der gefangenen Borkenkäfer – unabhängig von der Art – befanden sich in den Alkoholfallen, 97 Prozent dagegen auf den darüber angebrachten roten Kreuzleimtafeln.
Drei Arten traten auf den Rottafeln in nennenswerten Zahlen auf: Wie zu erwarten war der Ungleiche Holzbohrer Xyleborus dispar mit über 3000 gefangenen Tieren am stärksten vertreten, aber auch der Eichenholzbohrer (Xyleborus monographus) und der Schwarze Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus wurden in mehreren hundert Exemplaren gefangen. Der Eichenholzbohrer, der bevorzugt die Eiche, aber auch andere Laubholzarten befällt (ESCHERICH 1923), war in keinem der Rebaufschnitte zu finden und dürfte aus dem angrenzenden Laubmischwald angelockt worden sein. Unerwartet war der starke Befall der Reben mit Xylosandrus germanus, einer Art, die bisher nur in Nordamerika an Reben in Erscheinung trat (PFEIFFER & SHULTZ 1986, WEBER & MCPHERSON 1983). Diese ursprünglich aus Ostasien stammende Art trat 1952 erstmalig in Deutschland auf (GROSCHKE 1953). Sie befällt eine Vielzahl geschwächter oder geschlagener Laub- und Nadelholzbaumarten. In Europa ist dies der Erstnachweis, dass Xylosandrus germanus auch geschwächte Reben befällt.

Flugphasen

Xylosandrus germanus ist deutlich wärmeliebender als Xyleborus dispar: Während die ersten ♀♀ von Xyleborus dispar schon mit Beginn der ersten warmen Frühlingstage Ende März auszuschwärmen begannen und ihre Flugphase Ende Mai beendeten, setzte bei Xylosandrus germanus die Flugaktivität erst Ende April ein, hatte Anfang Juni ihren Höhepunkt und endete Ende Juni. Wie auch bei BUSSLER & MÜLLER (2004) beschrieben, produzierten beide Arten nur eine Generation.
Xyleborus dispar trat zu Beginn der Flugphase am stärksten im unteren Bereich der Rebanlage auf, wo auch der höchste Befall an den Reben beobachtet worden war, während im weiteren Verlauf der Flugaktivität die meisten Tiere in Waldrandnähe gefangen wurden. Dies deutet daraufhin, dass die Schwärmphase des Ungleichen Holzbohrers in der sich schneller erwärmenden Rebfläche früher begann als der Einflug aus dem kühleren Wald.
Xylosandrus germanus war dagegen wie (Xyleborus monographus) durchgängig am stärksten auf den Rottafeln in Waldrandnähe vertreten. Jedoch lassen seine sehr schlechte Fängigkeit (s.u.) und geringe Wirtspflanzenspezifität keine gesicherten Aussagen über seine Herkunft zu.

Geschwächte Reben als Wirt

Beide Schädlingsarten befallen nur geschwächte Reben, da bei gesunden Reben starker Saftfluss Einbohrversuche der ♀♀ verhindert (KAST 1988, PFEIFFER & SHULTZ 1986). Dies bestätigte sich sowohl in den Rebholzaufschnitten als auch bei den Stockbonituren: nicht jedes äußere Bohrloch führte zu einem verzweigten Gangsystem, und nur 1 von 30 Reben wies bei aufeinander folgenden Bonituren sowohl Blutungen als auch Bohrmehlauswurf auf. Daher sollten, anders als von MANI ET AL. (1990) postuliert, Bohrlöcher mit Saftfluss nicht als Indikator für akuten Befall herangezogen und zur Bonitur verwendet werden. Die Reben wurden bevorzugt im Kopfbereich befallen, während im untersten Viertel der Rebstämme der geringste Befall auftrat (Tab.1). Neues und zweijähriges Holz wies keinerlei Befall auf. In Übereinstimmung mit der Literatur wurde kein akuter Befall an den drei abgestorbenen Reben gefunden (PFEIFFER & SCHULTZ 1986).

Neubefall und Fallenfängigkeit

Wie die Rebholzaufschnitte im Oktober nach Abschluss des Generationszyklus zeigten, war nur ein sehr geringer Neubefall mit Xyleborus dispar zu verzeichnen: es wurde lediglich ein einziges Exemplar des Ungleichen Holzbohrers gefunden. Im Gegensatz dazu stehen die hohen Fangzahlen auf den Leimtafeln, die deutlich machen, dass Rottafeln auch im Weinbau nicht nur zur Überwachung, sondern auch zum quantitativen Abfangen des Ungleichen Holzbohrers geeignet sind. Im Obstbau gilt bereits eine wesentlich geringere Dichte von acht Rottafeln pro Hektar als ausreichend, um eine deutliche Befallsreduktion zu erzielen (MANI ET AL. 1990).
Für den Schwarzen Nutzholzborkenkäfer zeichnet sich ein anderes Bild ab: Die Attraktivität des verwendeten Alkohols war bei dieser Art weitaus geringer als bei Xyleborus dispar, wenn man die Leimtafelfänge und den Grad des Auftretens von Xylosandrus germanus in den Reben gegenüberstellt. Auch OLIVER & MANNION (2001) haben eine schlechte Alkoholfängigkeit dieser Art beobachtet, so dass sich die Köderfallenmethode lediglich zur Flugüberwachung, nicht aber zur Befallsreduktion des Schwarzen Nutzholzborkenkäfers zu eignen scheint. FIORENTINO (1985) gibt dagegen eine gute Alkoholfängigkeit für Xylosandrus germanus an, wobei die Ethanolkonzentration allerdings mindestens 50% betragen sollte. Er vermutet, dass sich Xylosandrus germanus durch hohe, Xyleborus dispar dagegen durch niedrige Alkoholkonzentrationen anlocken lässt.

Primärbefall oder Sekundärschädling?

Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer gilt ursprünglich als reiner Sekundärschädling, tritt aber zunehmend auch als Primärschädling auf (GRÉGOIRE ET AL. 2001, PMBD WALDSCHUTZ AKTUELL 2002). Dies betrifft insbesondere Anpflanzungen von Junganlagen (OLIVER & MANNION 2001, PMBD WALDSCHUTZ AKTUELL 2002). In der untersuchten Rebanlage ist ein Primärbefall durch Xylosandrus germanus allerdings wenig wahrscheinlich. Die Schwachwüchsigkeit der Anlage, die hohe Anzahl alter Wundstellen an den Rebstämmen sowie das stark eingeschränkte, negativ geotrope Wurzelwachstum zeigen, dass es sich um eine dauerhaft geschwächte Anlage handelt. Es ist bekannt, dass Pflanzen, die einem anaeroben Stoffwechsel unterliegen, wie er bei starken Bodenverdichtungen auftreten kann, Ethanol abgeben (KIMMERER & STRINGER 1988). Derart gestresste Pflanzen haben ein erhöhtes Befallsrisiko durch Borkenkäfer (KÜHNHOLZ ET AL. 2001). Vertorfte Holzteile im verdichteten Bodenhorizont der Untersuchungsfläche zeigen deutlich, dass wiederholt bzw. längerfristig anaerobe Bedingungen im Wurzelbereich geherrscht haben müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine dadurch bedingte Ethanolbildung ursprünglich Xyleborus dispar in die Befallsfläche gelockt hat, zumal in den angrenzenden Rebflächen so gut wie kein Befall festgestellt werden konnte.

Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, dass es sich bei Xylosandrus germanus nicht nur um einen Sekundärbefall, sondern mehr noch, um eine Sekundärbesiedelung handelt: Der gefundene Bohrmehlauswurf an befallenen Reben ist typisch für Xyleborus dispar, während keine für Xylosandrus germanus charakteristischen Bohrmehlstacheln an befallenen Reben beobachtet wurden. Darüber hinaus waren in den Holzaufschnitten untypische Gangsysteme zu sehen, die wie eine Erweiterung der Gangsysteme von Xyleborus dispar aussahen: Während Xylosandrus germanus normalerweise im Randbereich des Splintholzes bleibt und Bruthöhlen anlegt (GROSCHKE 1953, FIORENTINO 1985), führte der überwiegende Teil der untersuchten Gangsysteme bis ins Mark, wie es für Xyleborus dispar typisch ist (Abb.8). Dort wurden neben den für Xyleborus dispar charakteristischen Gängen auch erweiterte Bruthöhlen gefunden, die auf eine Sekundärbesiedelung durch den Schwarzen Nutzholzborkenkäfer hindeuten. Es ist nicht auszuschließen, dass in dem im März untersuchten Stammaufschnitt beide Arten in gemeinsamen Gangsystemen vorkamen. Das Einzelexemplar von Xyleborus dispar, das im Herbst gefunden wurde, befand sich zusammen mit Xylosandrus germanus in einem Bruthöhlensystem. Interessanterweise sind beide Arten mit demselben Ambrosia-Pilz, Ambrosiella hartigii, vergesellschaftet, von dem sich ihre Larven ernähren (Weber 1982), so dass eine Sekundärbesiedelung für Xylosandrus germanus vorteilhaft sein könnte.
Unklar bleibt, welches Gefahrenpotenzial von Xylosandrus germanus für die Rebe ausgeht, und inwieweit unzureichende Bodenpflege zu Borkenkäferbefall gestresster Reben führen kann.

Literatur

  • BUSSLER, H., MÜLLER, J., 2004: Borkenkäferzönosen in wärmegetönten Eichenmischwäldern Nordbayerns. Forst und Holz 5, 175-178.
  • ESCHERICH, K.: Die Forstinsekten Mitteleuropas. Bd.II. Paul Parey Verlag, Berlin, 1923, 659 S.
  • FIORENTINO, D. C., 1985: Ökologie des Ambrosia-Käfers Xylosandrus germanus Bldf. (Coleoptera: Scolytidae) unter besonderer Berücksichtigung des Schwärmverhaltens. Inaug. Diss., Albert-Ludwig Universität Freiburg, 164 S.
  • GRÉGOIRE, J.-C., PIEL, F., DE PROFT, M., GILBERT, M., 2001: Spatial distribution of ambrosia-beetle catches : a possible useful knowledge to improve mass-trapping. Integrated Pest Management Reviews 6, 237-242.
  • GROSCHKE, F., 1953: Der „Schwarze Nutzholzborkenkäfer“, eine neue Gefahr für Forstwirtschaft, Obst- und Weinbau. Anzeiger für Schädlingskunde 26, 81-84.
  • KAST, W. K.., 1988: Verstärktes Auftreten des Ungleichen Holzbohrers. Der Deutsche Weinbau 10, 492.
  • KIMMERER, T. W., STRINGER, M. A., 1988: Alcohol dehydrogenase and ethanol in stems of trees. Plant Physiol. 87, 693-697.
  • KÜHNHOLZ, S., BORDEN, J. H., UZUNOVIC, A., 2001: Secondary ambrosia beetles in apparently healthy trees: Adaptations, potential causes and suggested research. Integrated Pest Management Reviews 6, 209-219.
  • MANI, E., REMUND, U., SCHWALLER, F., 1990: Der Ungleiche Holz-bohrer, Xyleborus dispar F. (Coleoptera: Scolytidae), im Obst- und Weinbau. Landwirtschaft Schweiz Bd.3, 105-112.
  • MENKE, F., 2003: Der Rebendreher – ein Holzschädling in unseren Weinbergen. Obstbau Weinbau 40 (2), 35.
  • MÜLLER, E., 1987: Ein neuer Rebschädling in unseren Weinber-gen? Die Winzer-Zeitschrift 2 (3), 24.
  • OLIVER, J. B., MANNION, C., 2001: Ambrosia beetles collected from ethanol-baited traps and chinese Chestnut in middle Ten-nessee. SNA Research Conference Vol.46, 213-218.
  • PFEIFFER, D. G., SCHULTZ, P. B., 1986: Major insect and mite pests of grape in Virginia. VA. Coop. Ext. Serv., 444-567.
  • PBMD WALDSCHUTZ AKTUELL – 2/2002. Eidg. Forschungsanstalt WSL.
  • POLING, M. P., KEARBY W. H., 1975: Seasonal flight and vertical distribution of scolytidae attracted to ethanol in an oak-hickory forest in Missouri. Can. Ent. 107, 1315-1320.
  • SCHRUFT, G., 1964: Beobachtungen zum Auftreten und zur Biologie des Kapuzenförmigen Holzbohrkäfers Bostrychus capucinus Fab., einem Gelegenheitsschädling an Reben. Wein-Wissenschaft 19, 279-283.
  • STELLWAAG, F.: Die Weinbauinsekten der Kulturländer. Paul Parey Verlag, Berlin. 1928, 884 S.
  • WEBER, B. C., 1982: The Biology of the Ambrosia Beetle Xylosandrus germanus (Blandford) (Coleoptera: Scolytidae) and its Effects on Black Walnut. Inaug. Diss. The Graduate School Southern Illinois, Univ. Carbondale, 222 S.
  • WEBER, B. C., MCPHERSON, J. E., 1983 : World list of host plants of the ambrosia beetle Xylosandrus germanus (Blanford) (Coleoptera: Scolytidae). Coleopts Bull. 37, 114-134.
Projektinformation
Projektleitung: Peter Schwappach
Projektbearbeiter: Dr. Susanne Böll
Laufzeit: 1.4.2003 - 31.10.2005
Finanzierung: Eigenmittel