Rebschutz-Projekt
Schwarzer Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus an Weinreben
Das Auftreten dieses Borkenkäfers an Weinreben in Europa wurde erstmalig im Jahr 2003 in Franken nachgewiesen.
In einer geschwächten Rebanlage wurde starker Borkenkäferbefall durch zwei Arten nachgewiesen: Ungleicher Holzbohrer (Xyleborus dispar) und Schwarzer Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus), der deutlich dominierte. Befallen waren ausschließlich geschwächte, aber keine abgestorbenen Reben. Bohrlöcher traten bevorzugt im Kopfbereich der Reben auf. Während Xyleborus dispar über Alkoholköderfallen quantitativ abgefangen werden konnte, hatten diese Fallen eine wesentlich geringere Attraktivität auf Xylosandrus germanus und eigneten sich lediglich zu seiner Flugüberwachung.
Borkenkäfer als Rebschädlinge
In der untersuchten Rebfläche wurde in befallenen Rebstöcken neben Xyleborus dispar eine weitere Borkenkäferart, der Schwarze Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus, gefunden.
Lebensweise
Material und Methoden
Untersuchungsfläche
Abb. 1
Die junge Anlage zeigt deutliche Merkmale der Überlastung. Neben geringer Wüchsigkeit und schlechter Holzreife waren durch verspätetes Ausbrechen verursachte Wundstellen an den Reben zu beobachten. Die Wurzeln wiesen bedingt durch starke Bodenverdichtung negativ geotropes Wachstum auf, so dass keine Wasseraufnahme aus tieferen Bodenschichten möglich war. Laut Aussage des Winzers traten in der Anlage keine Frostschäden auf.
Monitoring und Befallsbonituren
Neben der Erfassung der Flugaktivität kann bei Xyleborus dispar mit Rottafeln auch eine Befallsreduktion erzielt werden. Erfahrungen aus dem Obstbau zeigen, dass schon bei einer Fallendichte von acht Rottafeln pro Hektar ein beträchtlicher Teil der Ungleichen Holzbohrer quantitativ abgefangen werden kann, so dass die Zahl befallener Obstbäume im Verlauf mehrerer Jahre drastisch reduziert werden konnte (MANI ET AL. 1990). Bei der gewählten Dichte von fünf Tafeln auf 0,27 Hektar war somit ein deutlicher Rückgang des Befalls mit Xyleborus dispar zu erwarten.
Zur Überprüfung des tatsächlichen Befalls wurden vor Beginn des Monitorings im März eine befallene Rebe und nach Ende der Vegetationsperiode (Oktober) 17 weitere Reben auf Bohrlöcher bonitiert, längs aufgeschnitten und auf Borkenkäferbefall untersucht; darunter befanden sich auch drei abgestorbene Rebstämme. Zusätzlich wurde vor Beginn des Monitorings im März in drei Rebzeilen eine stockgenaue Bonitur auf Bohrlöcher durchgeführt (n = 231 Rebstöcke). In der am stärksten befallenen Rebzeile wurden weitere Bonituren Ende April und Anfang Juni durchgeführt, bei denen zusätzlich auf Blutungen und Bohrmehlauswurf an den Bohrlöchern geachtet wurde.
Ergebnisse
Befallsbonituren
Die Reben waren bevorzugt im Kopfbereich befallen (Tab.2).
Rebzeile (Zeilenabschnitt von oben) | Zeile 4 (n = 82 Stöcke) | Zeile 8 (n = 78 Stöcke) | Zeile 12 (n = 71 Stöcke) |
---|---|---|---|
1.Viertel | 25% | 11% | 6% |
2.Viertel | 38% | 81% | 11% |
3.Viertel | 40% | 72% | 33% |
4.Viertel | 52% | 85% | 29% |
Gesamt | 39% | 62% | 20% |
Stammhöhe (von oben) | Prozent der Bohrlöcher |
---|---|
1.Viertel | 50% |
2.Viertel | 19% |
3.Viertel | 19% |
4.Viertel | 12% |
Monitoring
Xyleborus dispar zeigte eine Hauptflugaktivität von Anfang April bis Mitte Mai, die Mitte April durch einen Kälteeinbruch unterbrochen wurde (Abb.3). Die Flugaktivität von (Xyleborus monographus) und Xylosandrus germanus setzte im Mai ein und hatte ihren Schwerpunkt Ende Mai bzw. im Juni (Abb.3).
Zu Beginn der Flugaktivität war Xyleborus dispar am stärksten auf der Rottafel B vertreten, die im unteren Bereich der Rebfläche hing, wo auch die höchste Befallsdichte auftrat (Abb.4). Nach dem Kälteeinbruch zeigte Tafel D die höchste Fängigkeit, die sich in unmittelbarer Nähe zum Waldrand befand (Abb.4). (Xyleborus monographus) und Xylosandrus germanus (Abb.5) waren während der gesamten Flugphase am stärksten auf Tafel D in Waldrandnähe vertreten.
Stockbonituren
Der Anteil der Rebstöcke, der Blutungen und/oder Bohrmehlauswurf aufwies, betrug 37 Prozent. Der Bohrmehlauswurf, der an befallenen Reben gefunden wurde, war typisch für Xyleborus dispar. Dagegen wurden keine für Xylosandrus germanus charakteristischen Bohrmehlstacheln beobachtet. In den benachbarten Rebflächen wurden bei stichprobenartigen Untersuchungen nur ganz vereinzelt Bohrlöcher an Rebstämmen gefunden
Kalenderwoche | Befall | Blutungen | Bohrmehl- auswurf |
---|---|---|---|
13 (Anfang April) | 62% | 0% | 0% |
17 (Ende April) | 67% | 19% | 0% |
23 (Anfang Juni) | 58% | 0% | 19% |
Befallsbonituren
In den im Oktober untersuchten Reben waren in den drei abgestorbenen Reben keine Borkenkäfer zu finden. Die 14 lebenden Rebstämme waren fast ausschließlich von Xylosandrus germanus besiedelt (Abb.7). Die Gangsysteme waren dagegen untypisch für Xylosandrus germanus: Anders als erwartet waren sie nicht im Randbereich des Splintholzes angelegt, sondern führten überwiegend ins Mark, wie es für Xyleborus dispar üblich ist. Dort zeigte sich eine Mischform aus charakteristischen Gängen des Ungleichen Holzbohrers und erweiterten Bruthöhlen, wie sie von Xylosandrus germanus angelegt werden (Abb.8).
Diskussion
Fallentyp und Nachweis verschiedener Arten
Drei Arten traten auf den Rottafeln in nennenswerten Zahlen auf: Wie zu erwarten war der Ungleiche Holzbohrer Xyleborus dispar mit über 3000 gefangenen Tieren am stärksten vertreten, aber auch der Eichenholzbohrer (Xyleborus monographus) und der Schwarze Nutzholzborkenkäfer Xylosandrus germanus wurden in mehreren hundert Exemplaren gefangen. Der Eichenholzbohrer, der bevorzugt die Eiche, aber auch andere Laubholzarten befällt (ESCHERICH 1923), war in keinem der Rebaufschnitte zu finden und dürfte aus dem angrenzenden Laubmischwald angelockt worden sein. Unerwartet war der starke Befall der Reben mit Xylosandrus germanus, einer Art, die bisher nur in Nordamerika an Reben in Erscheinung trat (PFEIFFER & SHULTZ 1986, WEBER & MCPHERSON 1983). Diese ursprünglich aus Ostasien stammende Art trat 1952 erstmalig in Deutschland auf (GROSCHKE 1953). Sie befällt eine Vielzahl geschwächter oder geschlagener Laub- und Nadelholzbaumarten. In Europa ist dies der Erstnachweis, dass Xylosandrus germanus auch geschwächte Reben befällt.
Flugphasen
Xyleborus dispar trat zu Beginn der Flugphase am stärksten im unteren Bereich der Rebanlage auf, wo auch der höchste Befall an den Reben beobachtet worden war, während im weiteren Verlauf der Flugaktivität die meisten Tiere in Waldrandnähe gefangen wurden. Dies deutet daraufhin, dass die Schwärmphase des Ungleichen Holzbohrers in der sich schneller erwärmenden Rebfläche früher begann als der Einflug aus dem kühleren Wald.
Xylosandrus germanus war dagegen wie (Xyleborus monographus) durchgängig am stärksten auf den Rottafeln in Waldrandnähe vertreten. Jedoch lassen seine sehr schlechte Fängigkeit (s.u.) und geringe Wirtspflanzenspezifität keine gesicherten Aussagen über seine Herkunft zu.
Geschwächte Reben als Wirt
Neubefall und Fallenfängigkeit
Für den Schwarzen Nutzholzborkenkäfer zeichnet sich ein anderes Bild ab: Die Attraktivität des verwendeten Alkohols war bei dieser Art weitaus geringer als bei Xyleborus dispar, wenn man die Leimtafelfänge und den Grad des Auftretens von Xylosandrus germanus in den Reben gegenüberstellt. Auch OLIVER & MANNION (2001) haben eine schlechte Alkoholfängigkeit dieser Art beobachtet, so dass sich die Köderfallenmethode lediglich zur Flugüberwachung, nicht aber zur Befallsreduktion des Schwarzen Nutzholzborkenkäfers zu eignen scheint. FIORENTINO (1985) gibt dagegen eine gute Alkoholfängigkeit für Xylosandrus germanus an, wobei die Ethanolkonzentration allerdings mindestens 50% betragen sollte. Er vermutet, dass sich Xylosandrus germanus durch hohe, Xyleborus dispar dagegen durch niedrige Alkoholkonzentrationen anlocken lässt.
Primärbefall oder Sekundärschädling?
Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, dass es sich bei Xylosandrus germanus nicht nur um einen Sekundärbefall, sondern mehr noch, um eine Sekundärbesiedelung handelt: Der gefundene Bohrmehlauswurf an befallenen Reben ist typisch für Xyleborus dispar, während keine für Xylosandrus germanus charakteristischen Bohrmehlstacheln an befallenen Reben beobachtet wurden. Darüber hinaus waren in den Holzaufschnitten untypische Gangsysteme zu sehen, die wie eine Erweiterung der Gangsysteme von Xyleborus dispar aussahen: Während Xylosandrus germanus normalerweise im Randbereich des Splintholzes bleibt und Bruthöhlen anlegt (GROSCHKE 1953, FIORENTINO 1985), führte der überwiegende Teil der untersuchten Gangsysteme bis ins Mark, wie es für Xyleborus dispar typisch ist (Abb.8). Dort wurden neben den für Xyleborus dispar charakteristischen Gängen auch erweiterte Bruthöhlen gefunden, die auf eine Sekundärbesiedelung durch den Schwarzen Nutzholzborkenkäfer hindeuten. Es ist nicht auszuschließen, dass in dem im März untersuchten Stammaufschnitt beide Arten in gemeinsamen Gangsystemen vorkamen. Das Einzelexemplar von Xyleborus dispar, das im Herbst gefunden wurde, befand sich zusammen mit Xylosandrus germanus in einem Bruthöhlensystem. Interessanterweise sind beide Arten mit demselben Ambrosia-Pilz, Ambrosiella hartigii, vergesellschaftet, von dem sich ihre Larven ernähren (Weber 1982), so dass eine Sekundärbesiedelung für Xylosandrus germanus vorteilhaft sein könnte.
Unklar bleibt, welches Gefahrenpotenzial von Xylosandrus germanus für die Rebe ausgeht, und inwieweit unzureichende Bodenpflege zu Borkenkäferbefall gestresster Reben führen kann.
Literatur
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- FIORENTINO, D. C., 1985: Ökologie des Ambrosia-Käfers Xylosandrus germanus Bldf. (Coleoptera: Scolytidae) unter besonderer Berücksichtigung des Schwärmverhaltens. Inaug. Diss., Albert-Ludwig Universität Freiburg, 164 S.
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- MANI, E., REMUND, U., SCHWALLER, F., 1990: Der Ungleiche Holz-bohrer, Xyleborus dispar F. (Coleoptera: Scolytidae), im Obst- und Weinbau. Landwirtschaft Schweiz Bd.3, 105-112.
- MENKE, F., 2003: Der Rebendreher – ein Holzschädling in unseren Weinbergen. Obstbau Weinbau 40 (2), 35.
- MÜLLER, E., 1987: Ein neuer Rebschädling in unseren Weinber-gen? Die Winzer-Zeitschrift 2 (3), 24.
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- POLING, M. P., KEARBY W. H., 1975: Seasonal flight and vertical distribution of scolytidae attracted to ethanol in an oak-hickory forest in Missouri. Can. Ent. 107, 1315-1320.
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- STELLWAAG, F.: Die Weinbauinsekten der Kulturländer. Paul Parey Verlag, Berlin. 1928, 884 S.
- WEBER, B. C., 1982: The Biology of the Ambrosia Beetle Xylosandrus germanus (Blandford) (Coleoptera: Scolytidae) and its Effects on Black Walnut. Inaug. Diss. The Graduate School Southern Illinois, Univ. Carbondale, 222 S.
- WEBER, B. C., MCPHERSON, J. E., 1983 : World list of host plants of the ambrosia beetle Xylosandrus germanus (Blanford) (Coleoptera: Scolytidae). Coleopts Bull. 37, 114-134.
Projektinformation
Projektleitung: Peter Schwappach
Projektbearbeiter: Dr. Susanne Böll
Laufzeit: 1.4.2003 - 31.10.2005
Finanzierung: Eigenmittel