Pressemitteilung - 31. Juli 2023
Lebensraum und Abkühlung: Pflanzen an der Hauswand helfen Bienen und Menschen

Der Sommer legt aktuell eine kleine Verschnaufpause ein, was gut für die Natur ist. Hohe Temperaturen und anhaltende Trockenheit machen ihr bekanntermaßen sehr zu schaffen. In den Städten bilden sich Hitzeinseln, weil die Gebäude tagsüber Wärme speichern und nachts wieder an die Umgebung abgeben. Abhilfe schaffen können grüne Gebäudehüllen. Sie haben gleich mehrere Vorteile: Durch die Pflanzen wird die Umgebung abgekühlt, die Gebäude werden gedämmt, was den Energiebedarf senkt, und die Luftqualität steigt, weil die Pflanzen Feinstaub und Stickoxide binden. Begrünte Fassaden können mit den richtigen Mitteln auch noch die Artenvielfalt fördern und Bienen wichtige Nahrungsquellen und Lebensräume bieten.

Lebendige Fassaden deutlich kühler als unbegrünte
Eine Fassadenbegrünung kühlt das Umfeld mit Hilfe von zwei Mechanismen. Zum einen verschattet sie die Hausfassade, die sich somit nicht so stark erhitzt wie eine Fassade, die schutzlos der Sonne ausgeliefert ist. Zum anderen kühlen die Pflanzen durch ihre Transpirationsleistung ihre Umgebung aktiv ab. Das konnte bei Temperaturmessungen an der Klimaforschungsstation in Würzburg gezeigt werden: An einem warmen Tag im Juli 2022 (32°C Außentemperatur) erhitzte sich die unbegrünte Fassade auf bis zu 72°C. Gleichzeitig war vor der Pflanzendecke der begrünten Fassade eine Temperatur von 42°C zu messen, innerhalb der Pflanzen 38°C und hinter der Begrünung 34°C. Durch diese Kühlmechanismen kann die Umgebungsqualität in dicht bebauten Städten, die sich im Sommer auf ein unerträgliches Maß erhitzen, erheblich gesteigert werden.

Wildbienen sind unersetzliche Bestäuber
Wildbienen bilden als wichtige Bestäuber die Basis der terrestrischen Nahrungskette. Die wilden Verwandten der Honigbiene leben meist nicht in Staaten, sondern solitär und kümmern sich allein um Nahrungssuche und Nestbau. Dabei sind einige der über 580 verschiedenen Arten hoch spezialisiert. Mit Körpergrößen zwischen 4 und 28 mm und unterschiedlichen Färbungen unterscheiden sie sich stark in ihrem Aussehen. Generalisten besuchen ein breites Spektrum an Blühpflanzen, während Spezialisten den Pollen und Nektar nur an bestimmten Pflanzenfamilien sammeln können (Abb. 1). Wildbienen bauen ihre Nester in Erd- und Sandböden, Totholz, Pflanzenstängeln oder vorhandenen Hohlräumen. Es gibt aber auch parasitische Arten, die ihre Eier in fremde Nester legen. Die Aktivitätszeiten der Wildbienen von jeweils wenigen Wochen pro Art verteilen sich über das ganze Jahr. Aufgrund dieser Vielfalt an Lebensweisen werden in Deutschland etwa 80 % aller Blühpflanzen durch Wildbienen bestäubt, was sie unentbehrlich für unser Ökosystem macht.

Forschungsprojekt „Artenreiche grüne Gebäudehüllen“
Eine wildbienenfreundliche Gestaltung von wandgebundenen Fassadenbegrünungen ist Gegenstand unseres Forschungsprojekts "Artenreiche grüne Gebäudehüllen", mit denen wir neuen urbanen Lebensraum für Wildbienen schaffen möchten. Kernpunkte sind die Integration von Nisthilfen und eine geeignete Pflanzenauswahl. Verschiedene Nisthilfen wie Sandlinsen, Totholz oder Pflanzenstängel eignen sich für Wildbienen. Sie werden für die Brut, aber auch als Unterschlupf in der Nacht oder bei schlechtem Wetter gerne angenommen. Allerdings steht in Fassadenbegrünungen nur begrenzt Platz zur Verfügung. Darüber hinaus erfordern wandgebundene Systeme eine regelmäßige Bewässerung, wobei Feuchtigkeit eine ernsthafte Gefahr für die Brut darstellt.

Vier unterschiedliche Nisthilfen
Wir haben vier verschiedene Arten von kompakten Nisthilfen entwickelt, die sich leicht in die untersuchten Begrünungssysteme integrieren lassen. Die Module bilden Hohlräume in Totholz und Pflanzenstängeln sowie Lösssteilwände nach. Ein Aluminium-Vierkantrohr mit Vordach bietet Schutz vor Feuchtigkeit (Abb. 2, linke Seite). Auch die Bepflanzung muss bestimmte Kriterien erfüllen, um als Nahrungsquelle in den artenreichen Fassaden zu dienen. Die verschiedenen Pflanzenarten sollten eine große Vielfalt an Blütenformen aufweisen, um sowohl Generalisten als auch Spezialisten mit Pollen und Nektar zu versorgen. Sich abwechselnde Blütezeiten sind notwendig, um das ganze Jahr über Nahrung zu bieten. Die Pflanzenauswahl umfasst Arten von trockenen Standorten, die wir an Südfassaden gepflanzt haben, und Arten von frischen Standorten, die wir an Westfassaden testen. Bislang wurden 44 Staudenarten gepflanzt, die laut Literatur besonders für Wildbienen geeignet sind.

Akzeptanz der Begrünungen durch Wildbienen
Um die Akzeptanz von Nisthilfen zu testen, haben wir regelmäßig die Anzahl der neu besetzten und verlassenen Nistgänge ermittelt. Nisthilfen aus Papier-/Strohhalmen oder Holzblöcken mit Löchern wurden stark zum Brüten genutzt (Abb. 2, rechte Seite), während die anderen Module nur selten aufgesucht wurden. Die Dynamik aus neu verschlossenen und verlassenen Nistgängen zeigt, dass die Wildbienen am Versuchsstandort von März bis Oktober aktiv sind. Auch Vitalität, Wachstum und Blütenbildung der Stauden wurden geprüft, um ihre Eignung zu beurteilen. Nach den ersten zwei Jahren der Projektlaufzeit können wir eine Vorauswahl von Pflanzenarten treffen, die an den Fassaden gedeihen und über den gesamten Aktivitätszeitraum der Wildbienen Blüten liefern. Im Jahr 2022 konnten wir an fünf Terminen (zwischen Mai und Oktober) 73 Wildbienenarten an den Fassaden beobachten. Darunter befanden sich 17 gefährdete Arten, sowie Bienen und ihre Gegenspieler. Außerdem konnten wir feststellen, dass mindestens elf Wildbienenarten die Nisthilfen zur Vermehrung nutzen. Diese Beobachtungen zeigen, dass Wildbienen die grünen Gebäudehüllen als Futter- und Nistplatz durchaus akzeptieren. Der Großteil der Wildbienen benötigt für die Fortpflanzung aber intakte natürliche Lebensräume wie Magerrasen, Auwälder, Moore, oder Sand- und Lehmgruben, sodass der Schutz dieser unerlässlich für den Fortbestand der heimischen Wildbienenarten ist.

Eine Biene ist auf einer gelben Blüte

Dr. Katja Ritz-Arand
© LWG Veitshöchheim

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Nisthilfen aus Röhren für Wildbienen

Dr. Katja Ritz-Arand
© LWG Veitshöchheim

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