Pressemitteilung - 04. August 2022
Die duale Berufsausbildung zum/zur Winzer/in wird zur festen Säule in Georgien

Seit 2015 unterstützt die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Georgien beim Aufbau einer dualen Berufsausbildung für angehende Winzerinnen und Winzer. Was mit Workshops für zukünftige Ausbilder begann, ist mittlerweile bei georgischen Jugendlichen ein stark nachgefragter Ausbildungsweg im Weinbau. Doch die Erfolgsgeschichte geht noch weiter. Die Errichtung einer „School of Viticulture“, die die bestehenden Ausbildungs-Colleges mit Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Weinbaubetreibende unterstützen soll, ist derzeit unter Mitwirkung der LWG in Planung.

Mutterland der Weinproduktion
Die Weinindustrie ist für Georgien aus wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht von großer Bedeutung. Wissenschaftliche Studien belegen, dass bereits vor 8.000 Jahren in Georgien Wein in Tonamphoren („Qvevri“) erzeugt wurde – früher als in jedem anderen Land. 2013 wurde diese traditionelle Herstellungsweise von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Allerdings wird der Weinausbau im traditionellen Qvevri heute nur noch von wenigen Winzern betrieben, da eine geordnete Ausbildung im Weinbau mit der Vermittlung des notwendigen Fachwissens und der Fertigkeiten nicht existierte. In Georgien sind landesweit ca. 55.000 Hektar mit Reben bestockt (vgl. Deutschland: ca. 103.000 ha). Dabei konzentriert sich der Weinbau auf die Kakheti-Region, in der fast 70 % der Rebflächen Georgiens liegen.

Weinsektor als Wirtschaftskraft
Der georgische Weinmarkt wächst beständig. In den letzten 10 Jahren verfünffachte sich die Menge an Weinbaubetrieben.Fast die Hälfte der in Georgien erzeugten Weine wird im Ausland getrunken. Um auf dem internationalen Markt weiter bestehen zu können, benötigt es qualitativ hochwertige Weine, die auch sämtliche Trends wie biologisch erzeugte Weine, Naturweine und Qvevri-Weine bedienen können. Unerlässlich hierfür ist gut ausgebildetes Fachpersonal, das Fachwissen und das erforderliche technische Know-how vorweisen kann.
Hier setzte 2016 die Unterstützung der LWG in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) an. Es wurde ein Konzept für eine duale Berufsausbildung in Georgien entworfen, das georgischen Jugendlichen einen qualifizierten Einstieg in die Arbeitswelt und gleichzeitig eine geregelte schulische Ausbildung ermöglicht.

2016 starteten die ersten Azubis
Nach gründlicher Einweisung der georgischen Ausbilder der beteiligten Betriebe durch Mitarbeiter des Instituts für Weinbau und Oenologie der LWG startete Ende 2016 der erste duale Ausbildungsjahrgang mit 22 Auszubildenden. Mittlerweile wird an drei Colleges (Aisi, Saguramo und Telavi) der theoretische Fachunterricht abgehalten und die Anzahl der Auszubildenden steigt stetig an. Erfolgreiche Absolventen der dualen Winzerausbildung bekommen in einer feierlichen Veranstaltung die Urkunden von hochrangigen Mitarbeitern aus dem Agrar- und Bildungsministerium überreicht – dies zeigt den hohen Stellenwert, den die duale Berufsausbildung in Georgien einnimmt. Doch wie Studien zeigen, reicht das Angebot an dualen Ausbildungsplätzen nicht aus: In den nächsten Jahren werden ca. 1.000 Bildungsempfänger erwartet; 68 von 99 Weinbaubetrieben fragten nach Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für ihr Personal.

Machbarkeitsstudie zur „School of Viticulture“
Unter Mitwirkung der LWG wurde eine Machbarkeitsstudie zu einer „School of Viticulture“ als nächste Bildungsstätte nach der dualen Ausbildung erstellt. Diese soll sowohl fachliche Unterstützung für die dualen Berufsschulen als auch Fortbildungsmaßnahmen in Form von Workshops und Seminaren zu weinbaulichen und oenologischen Themen bieten.. Angedacht sind u.a. Fortbildungskurse, z.B. zum Sommelier oder mehrwöchige Praxisseminare für einen speziellen Bereich im Weinbau oder der Oenologie (z.B. Weinbereitung im Qvevri) sowie Fortbildungsangebote für Berufsschullehrer und Ausbilder in den Betrieben. Die Realisierung wird derzeit mit möglichen Geldgebern geprüft.

Qvevri
Ein Qvevri ist eine Tonamphore, die bis heute in Georgien in reiner Handarbeit hergestellt wird. Nach dem Brennvorgang des Qvevris wird der Innenraum der Amphoren mit Bienenwachs beschichtet, um die Poren im Ton auszufüllen. Rund drei Monate vergehen, bis ein ca. 2.000 l fassender Qvevri hergestellt ist. Da die Wanddicken der Tongefäße mit ca. zwei bis sechs Zentimeter sehr gering sind, müssen die Qvevris vor der Befüllung im Boden vergraben werden, da sonst die Amphoren unter dem Flüssigkeitsdruck brechen würden. Sie werden im sogenannten Marani, einem überdachten Gebäude, vergraben. Traditionell werden Weißweine im Qvevri erzeugt. Dazu werden angequetschte Trauben (inklusive Stängel und Beerenschale) in den Qvevri gefüllt und verschlossen. Die Gärung erfolgt spontan ohne Zugabe von Reinzuchthefen. Bis zur Vollendung des Reifeprozesses bleibt der Wein im Qvevri. Weißweine, die im Qvevri ausgebaut werden, zeichnen sich durch einen hohen Tannin- und Polyphenolgehalt aus.

Interview mit Tatiana Jaiani von der Georgian Wine Association
Tatiana Jaiani ist „Communication und Business Development Manager“ bei der Georgian Wine Association und war mit ihrer Kollegin Vera Kapanadze (Marketing Manager) im Juli zum Job Shadowing an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim. Sie haben sich unter anderem die Prüfungen der Winzerinnen und Winzer angesehen.
Fr. Jaiani, wie kamen Sie zum Wein?
Das ist eine lange Geschichte, ich habe erst in einer deutschen Entwicklungshilfe gearbeitet – bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ. Darunter sind Projekte gewesen, die den Weinbau in Georgien unterstützen. Das war 2005. Dort habe ich als Projektassistentin angefangen und habe dann meine Liebe zum Wein entdeckt. Meine Hauptaufgaben damals waren, den Weinbereich zu unterstützen – so habe ich mich langsam zur Expertin in dem Bereich entwickelt, aber in Sachen Vermarktung und Ausbildung.

Wie fanden Sie die Prüfungen zum/zur Winzer/in bei uns?
Meine Kollegin und ich waren begeistert von dem Niveau, dass die Azubis haben, und wie gut sie ausgebildet sind. Beeindruckend war auch, wie selbstständig sie arbeiten können. Allgemein haben alle Prüfer gesagt, dass sie zufrieden sind mit dem Niveau.

Inwieweit unterscheiden sich die Modelle in Deutschland und Georgien?
Verglichen mit Georgien haben wir noch aufzuholen in Sachen Ausbildung. Die duale Ausbildung bei uns ist im Unterschied zu Deutschland noch sehr neu. Wir haben zusammen mit der LWG erst 2016 damit begonnen, das deutsche Modell in Georgien zu verankern. Wir haben uns auch andere Modelle in anderen Ländern angeschaut – etwa in der Schweiz, Österreich und Dänemark. Aber das deutsche Modell passte am besten – nicht zuletzt wegen der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Georgien und Deutschland seit rund 250 Jahren. Es gibt z.B. viele deutsche Siedlungen in Georgien und das hat dann einfach sehr gut gepasst. Die Kollegen der LWG waren dann auch einige Male in Georgien und haben die Ausbildung für Lehrer und die Praxisanleiter angeboten und bei den Abschlussprüfungen geholfen, was z.B. die Unterlagen und Abläufe etc. angeht. Uns war dabei wichtig, zu sehen, wie das wirklich in der Praxis umgesetzt wird. Wir haben mit den Vorbereitungen dafür schon vor zwei Jahren angefangen, mussten das aber immer wieder wegen der Corona-Pandemie verschieben. Es ist toll, dass wir diese Möglichkeit hier geboten bekommen haben und wir nehmen sehr viel mit – in der Hoffnung, das auch in Georgien umsetzen zu können.

Was ist das Besondere an georgischem Wein?
Die Kultur und die Geschichte von georgischem Wein ist sehr alt – wir haben das vor zwei Jahren auch wissenschaftlich bestätigt bekommen. Was die Rebsorten angeht, haben wir etwa 500 autochthone Sorten in Georgien. Davon werden aktuell etwa 50 Sorten im kommerziellen Gebrauch verwendet. Es finden aber ständig Untersuchungen statt, damit wir künftig noch mehr Sorten im kommerziellen Gebrauch nutzen können. Wir versuchen schon seit Jahren, uns auf verschiedenen Märkten zu etablieren: Georgien ist ein relativ kleines Land, in etwa so groß wie Bayern, und viele wissen nicht, wo Georgien liegt. Früher hatten wir viel Aufklärungsarbeit zu leisten, aber inzwischen kommen z.B. bei Messen die Menschen gezielt auf uns zu. Sie fragen sogar direkt nach bestimmten Rebsorten wie Saperavi, Rkaziteli oder Kisi, um sie zu probieren. Dann geht es um die Qvevri, die Tonamphoren, in denen wir Wein herstellen. Sie möchten die Weine vergleichen – also die Technologien und Aromen der klassischen Herstellung mit dem Verfahren in Qvevri. Das freut uns natürlich! Die Qvevri haben eine lange Tradition – 2013 wurde diese Methode in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Das war für uns wichtig – auch für die Vermarktung. Qvevri-Wein wird aber nicht nur in Georgien hergestellt, sondern auch in anderen Ländern in Deutschland, Slowenien und der Schweiz.

Was hat sich seit der Zusammenarbeit mit der LWG getan in Georgien?
Es hat sich viel getan – und war daher eine sehr gute Sache! Alles, was wir in der dualen Ausbildung erreicht haben, beruht auf der Kooperation. Das betrifft nicht nur den Wein. Wir schauen uns dabei immer die Erfahrung an, die die LWG schon hat. Da kommt sehr viel Unterstützung. So konnten wir Konzepte für die Zwischen- und Abschlussprüfungen entwickeln. Das Modell aus Deutschland haben wir in Georgien etwas angepasst, wo nötig. Wichtig ist auch, dass inzwischen schon andere Branchen auf uns zukommen und Interesse an Beratung haben.

    Die Qvevri sind Tonamphoren zur Weinherstellung und stammen aus Georgien

    Georg Bätz
    © LWG Veitshöchheim

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    Tatiana Jaiani und Vera Kapanadze von der Georgian Wine Association

    Jeannine Gaudszuhn
    © LWG Veitshöchheim

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