Nachlese 55. Landespflegetage 2023
Zukunft braucht Vielfalt

Bildmontage: gelber Pfeilwegweiser "Zukunft braucht Vielfalt" vor gemischter Staudenpflenzung auf einer Kreisverkehrsinsel.

Zur 55. Auflage der Veitshöcheimer Landespflegetage hatten sich am 28.2. und 1.3. jeweils knapp 660 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Mainfrankensälen versammelt. Nach den beiden Jahren mit Online-Veranstaltungen sehen wir als Organisatoren dies als erfolgreichen Wiedereinstieg in das bewährte Präsenzformat an.

Bei der Eröffnung unserer GaLaBau-Fachtagung betonte Andreas Maier, der Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, dass am Standort Veitshöchheim schon seit über 20 Jahren zur Biodiversität und deren Erhaltung in Zeiten des Klimawandels geforscht werde. Für den Verband Garten,- Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. als Mitveranstalter erwähnte deren Präsident Gerhard Zäh in seinem Grußwort die jüngst vereinbarte Kooperation des Branchen- und Unternehmerverbandes mit dem Landesbund für Vogelschutz. Der Naturschutzverband empfiehlt seitdem bei entsprechenden Anfragen diejenigen GaLaBau-Unternehmen, deren Fachpersonal sich speziell für die Gestaltung vogelfreundlicher Gärten weitergebildet hat.

Klimawandel – Grün als Lösung?!

Im ersten Themenblock betonte Lutze von Wurmb, der Präsident des Bundesverbands Garten,- Landschafts- und Sportplatzbau e. V., dass es sein Ziel sei, die enorme und unverzichtbare Kompetenz der Brache für die Schaffung einer Klimaresilienz im Bewusstsein der Entscheidungsträger und der Bevölkerung zu verankern. „Sogar für den Nachwuchs ist es ein entscheidender Aspekt bei der Berufswahl, aktiv gegen den Klimawandel angehen zu können“, sagte der Verbandspräsident und verdeutlichte damit die Verbindung zwischen den beiden großen Herausforderungen der Brache – dem Fachkräftemangel einerseits und der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in Gärten und Städten andererseits.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit spielt auch bei den von Florian Demling bearbeiteten „Urban Gardening“-Projekten eine entscheidende Rolle. „Der GaLaBau braucht sich bei der Umsetzung derartiger Initiativen nicht allein auf die Ausführung der baulichen Maßnahmen zu beschränken“, appellierte der Gartenbauingenieur. Er empfahl, bereits bestehende örtliche Gruppierungen einzubeziehen, ein professionelles Kommunikationskonzept zu erstellen und große Sorgfalt auf die Standortauswahl zu legen.

In die Rolle eines beratungsbedürftigen Bürgermeisters schlüpfte Institutsleiter Jürgen Eppel, der sich wegen der starken Erwärmung seines neu gebauten Sitzungssaales die Ratschläge von LWG-Mitarbeiter Dr. Claus Prinz erläutern ließ. In plakativen Simulationen verwandelten sich das puristisch gestaltete Rathaus und der triste Vorplatz in eine üppig begrünte und mit allen Möglichkeiten der Klimamäßigung ausgestattete Oase. Ab dem 17. Mai können viele dieser Vorschläge im sogenannten „Klimawandel-Garten“ am Bayerischen Landwirtschaftsministerium in München besichtigt werden.

Noch wenig bekannt sind die von Dr. Jennifer Schulz vorgestellten urbanen Waldgärten. Durch die Kombination von beispielsweise Obstbäumen, Beerensträuchern und krautigen Gemüsekulturen kann eine Fläche in mehrere Ebenen genutzt werden, was nicht nur pflanzenbaulich eine enorme Herausforderung darstellt. Wie neben der Nahrungsmittelerzeugung hierbei auch stadtklimatische, soziale und bildungspolitische Ziele verfolgt werden können, wird von der Landschaftsplanerin als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam erforscht.

Mediterran gestaltete Gärten entwickeln sich zu einem Trend, mit dem man auf die zunehmende Trockenheit reagieren will. Allerdings warnte Maria Sansoni davor, einfach die Bepflanzung aus den südlichen Ländern zu kopieren. Doch trotz des Klimawandels sind vereinzelte Tiefsttemperaturen unter -20°C oder Spätfröste weiterhin möglich und für viele südländische Arten wie Hanfpalme, Oleander oder Olive tödlich. Die Empfehlungsliste der Gartenbauingenieurin enthält darum viele robuste Pflanzenarten, die das südländische Flair mit ausreichender Winterhärte kombinieren.

Betriebsführung für die Zukunft

Viele Unternehmer versprechen sich durch die Digitalisierung Kosten- und Zeiteinsparung sowie ein besseres Image bei Kunden und Mitarbeitern. Matthias Brack, ein innovativer Handwerksmeister sieht das Potential der Digitalisierung in den vier Handlungsfeldern: Kundenbeziehungen, neue Geschäftsmodelle, Fachkräfte und – zur großen Überraschung – bei der persönlichen Beratung vor Ort. Er forderte, die gewonnene Zeit aus der Rationalisierung in den ersten drei Bereichen für das zu nutzen, was nicht angemessen digitalisiert werden kann – den persönlichen Kundenkontakt.

Zum Teil in die gleiche Kerbe schlug anschließend Helmut Haas, der seine 13 Maßnahmen der Mitarbeiterbindung vorstellte, mit deren Hilfe er sein GaLaBau-Unternehmen in Wangen im Allgäu als Arbeitgebermarke profilieren will. Dazu zählen unter anderem ein Intranet-Zugang für jeden Mitarbeiter, über den die wichtigsten Prozesse per Handy abgewickelt werden können – vom Urlaubsantrag über die Baumaterialbestellung bis hin zum Abruf der Baustelleneinteilung.

Umweltschutz – auch auf der Baustelle

Keinem aufmerksamen Beobachter bleibt verborgen, wie nachlässig auf vielen Baustellen mit den vorhandenen Bäumen umgegangen wird. Prof. Dr. Dirk Dujesiefken versuchte die Tagungsgäste für den richtigen Baumschutz zu sensibilisieren, denn die Umweltleistungen eines alten Baumes sind selbst durch 100 Neupflanzungen oft nicht vollständig zu ersetzen. Dabei kündigte er auch die demnächst bei der FGSV neu erscheinenden Richtlinien zum Schutz von Bäumen bei Baumaßnahmen (R SBB) als Nachfolgeregelung zur RAS-LP 4 an.

Eine Lanze für die Umwelt-Baubegleitung (UBB) brachen Miriam Glanz und Julian Metz, die diese Tätigkeit im Auftrag verschiedener Bauherren ausüben. Sie warnten die beauftragten Ökologen als Feinde zu betrachten und betonten: „Wir versuchen vorausschauend Umweltbeeinträchtigungen zu vermeiden, da diese oft zu massiven Imageschäden für den Auftraggeber und das ausführende Unternehmen führen können – von den Folgen einer Baueinstellung oder strafrechtlichen Konsequenzen ganz zu schweigen.“

Stehempfang

Wie sehr die Besucherinnen und Besucher unter der zweijährige „Durststrecke“ gelitten hatten, wurde besonders beim Stehempfang greifbar, der mit dem doppelten Andrang gegenüber 2020 aus allen Nähten zu platzen schien. Durch die Öffnung zusätzlicher Gebäudebereiche verteilten sich die Gäste jedoch so weit, dass eine entspannte Unterhaltung möglich war.

Vielfalt im Fokus

Durch das Stadtklima unterliegen Blühflächen im Siedlungsbereich speziellen Standortbedingungen, unter denen nichtheimische Arten sich anders entwickeln als gebietseigene bzw. heimische Arten. Ob sich Unterschiede in der Art und Dauer des Blütenangebots auf das Insektenvorkommen auswirken, hatte Dr. Elena Krimmer in den letzten beiden Jahren anhand von 9 Probeflächen in Würzburg untersucht. Die Empfehlung der Biologin lautete: „Durch die Kombination heimischer und ausgewählter nichtheimischer Arten lassen sich ausbalancierte, artenreiche und lange blühende Mischungen erzeugen“ – das Beste aus beiden Welten sozusagen.

Sobald das Straßenbegleitgrün seltener gemäht wird, um die Biodiversität zu fördern, kann man den Aufwuchs nicht mehr als Mulch auf den Flächen zurücklassen. Nach den Studien von Lennart Dittmer wird die Schadstoffproblematik jedoch oft überschätzt, zumal die relativ größten Mähgutmengen aufgrund ihres Anteils am Straßennetz entlang der wenig befahrenen Gemeindestraßen anfallen und die Belastung mit der Entfernung zur Fahrbahn rasch abnimmt.

Am 18. Oktober 2021 schlossen Ministerpräsident Markus Söder und einige Minister seines Kabinetts mit verschiedenen Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden den Bayerischen Streuobstpakt, mit dem Ziel, den derzeitigen Streuobstbestand zu erhalten und zu verbessern. Martin Degenbeck bilanzierte, welche Personal- und Finanzmittel seitdem mobilisiert und welche Maßnahmen entwickelt wurden.

Dr. Leoni Mack stellte die Versuchsergebnisse zur Wirkung einer Bauwerksbegrünung auf die Biodiversität der Insektenfauna vor. „Da viele der gefährdeten Wildbienen nur einen geringen Aktionsradius besitzen, sollten Nisthilfen direkt in die Gebäudebegrünung integriert werden“, betonte die Biologin. Dabei haben sich Holzblöcke mit Bohrlöchern oder Pakete aus Stroh- bzw. Papierhalmen besonders bewährt, wobei es an den Fassaden besonders wichtig ist, diese vor eindringendem Regen zu schützen. Dr. Naja Stingl-Sinn will beim Projekt „U-Green“ in Zusammenarbeit mit dem Center for Applied Energy Research (CAE) die Wirkung auf das Gebäudeklima über Kennwerte so quantifizieren, dass Gebäudeplaner diese aus einer Datenbank abrufbaren Zahlen für ihre Energiebilanzierungen nutzen können.

„Allergien sind kein neues Phänomen, aber der Klimawandel verschärft das Problem, da neue Arten einwandern oder als klimaresistente Alternativen gezielt angesiedelt werden“, sagte Frank Angermüller. Die Wahl allergiearmer Pflanzen schafft nur begrenzt Abhilfe, da der Pollenflug vom Nachbargrundstück laut Gerichtsentscheidungen als ortsüblich hinzunehmen ist. Eine gewisse Hilfe verspricht das elektronische Polleninformationsnetzwerk, das alle drei Stunden eine aktualisierte Pollenflugvorhersage liefert.

Bautechnik – so wird’s richtig!

„Fehler entstehen durch Unachtsamkeit, durch Stress, Routine, Zeitdruck oder auch durch Unkenntnis“ und das betrifft nach Aussage von Klaus Werner Rose sowohl die Vorleistungen anderer Unternehmer als auch die eigenen Leistungen. Der Projektsteuerer und erfahrene Bauleiter rät deshalb die Prüfpflicht nach §4 Abs. 3 VOB (B) als Instrument für einen fairen Umgang der Baubeteiligten zu sehen. Denn unnötiger Schriftverkehr, unproduktive Schuldzuweisungen und teure Rechtsstreitigkeiten lassen sich nur vermeiden, wenn Fehler frühzeitig erkannt und in einer Kooperation beseitigt werden, die alle als gerecht ansehen.

Als eine Grundlage für fachlich korrekte Fassadenanschlüsse stellte anschließend Wolf Meyer-Ricks die entsprechenden Empfehlungen der FLL vor, von denen in den nächsten Monaten eine Neuauflage im Gelbdruck erscheinen wird. Darüber hinaus erwähnte der Sachverständige viele weitere Regelwerke, betonte aber unter Zitierung des OLG Stuttgart auch, dass der (Hochbau-) Architekt die Abdichtung und die Wärmedämmung eines Gebäudes im Einzelfall detailliert zu planen habe. Die Abdichtung ist typisch ein Teil des Hochbaugewerks, aber den Landschaftsgärtner treffen beim Bau der Terrasse die zuvor thematisierten Prüfpflichten an dieser Vorleistung und so muss er sich zwangsläufig mit deren korrekter Ausführung auskennen.

Man mag es kaum glauben, aber bis August 2021 gab es kein Regelwerk zur technischen Ausführung von Außentreppen. Erst das Merkblatt des Betonverbands Straße Landschaft Garten, das uns Michael Fuchs als zuständiger Referent des SLG vorstellte, schloss diese Lücke. Neben vielen planerischen Vorgaben werden darin zwei Gründungsvarianten beschrieben: Die Fundamentierung auf Dränbeton unter Einsatz einer Haftbrücke und ein Normalbeton-Fundament, auf dem Blockstufen in streifenförmig aufgetragenen Dickbettmörtel versetzt werden.

Am Ende dankten die Moderatoren Angelika Eppel-Hotz und Andreas Adelsberger im Namen der Veranstalter allen Referenten, den Organisatoren Rainer Berger und Frank Angermüller sowie den vielen Helfern vor und hinter der Bühne, aber auch den Ausstellern der begleitenden Fachausstellung. Das Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V. sowie der Verband ehemaliger Veitshöchheimer e. V. zeigten sich als Veranstalter zufrieden mit dem Erfolg der Fachtagung. Alle freuen sich bereits auf die 56. Landespflegetage am 20. und 21. Februar 2024.

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