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„Klimabäume“ – welche Arten können in Zukunft gepflanzt werden?

Fachartikel "Klimabäume" – welche Arten können in Zukunft gepflanzt werden?

Der größte Teil deutscher Straßenbäume machen lediglich sechs Arten und deren Sorten aus. Die Vitalität dieser Arten wird zunehmend durch Krankheiten und Schädlinge sowie den Folgen des Klimawandels beeinträchtig. Eine Erweiterung der Artenauswahl ist unumgänglich. Verschiedene Versuchsanordnungen sowie Empfehlungen von deutschen als auch niederländischen Baumschulen geben dazu Empfehlungen, die in diesem Beitrag zusammengeführt werden.

2019, 9 Seiten

Straßenbäume an innerstädtischen Standorten stehen häufig unter Stress: zu kleine Baumscheiben, ungeeigneter und/oder verdichteter Boden, Luftmangel, Trockenstress, Schadstoffemissionen etc. Hinzu kommen die Folgen der Klimaveränderung mit erhöhten Lufttemperaturen, die in der Stadt noch mal 8–10 Grad höher liegen können als im Umland, immer länger andauernde Trockenperioden, mehr Starkregenereignisse und Stürme.
Auf die derart vorbelasteten Bäume treffen die altbekannten Schädlinge und Krankheiten sowie neue Arten, die vom Klimawandel profitieren. Verschärft wird die aktuelle Situation durch die Tatsache, dass rund 70 % der Straßenbäume in Deutschland auf lediglich sechs Baumarten bzw. -gattungen entfallen, die inzwischen alle von mehr als einer Krankheit oder Schädlingen befallen sind (siehe Tabelle 1). Ihre Verwendbarkeit zumindest an den Extremstandorten ist damit für die Zukunft stark eingeschränkt. Die Konsequenz aus dieser Entwicklung ist, dass ein tiefgreifender Wandel in der Baumartenwahl notwendig ist, wenn denn auch in Zukunft in unseren Städten ein gesunder und gut entwickelter Straßenbaumbestand gewünscht ist. Die Wohlfahrtswirkungen der Bäume sowohl auf das Stadtklima als auch auf die Psyche der Bewohner sind allgemein bekannt und spielen in den aktuellen Klimaanpassungsstrategien der Städte eine bedeutende Rolle. Die Frage nach den Baumarten der Zukunft wirft sowohl bei den verantwortlichen Planern als auch den Baumschulen viele Unsicherheiten hervor. Der Informations- und Beratungsbedarf sowohl bei den Produzenten als auch den Verwendern ist groß.

Versuche und Studien

Um hier zu zuverlässigeren Angaben zu kommen finden seit einigen Jahren in verschiedenen Forschungs-Institutionen und Verbänden Versuchspflanzungen statt. Zu nennen ist hier das Projekt „Stadtgrün 2021“ des Instituts für Stadtgrün und Landschaftsbau der LWG Veitshöchheim (2009 bis 2021) mit 30 Baumarten an drei bayerischen Standorten. Klaus Körber führt am Institut für Erwerbs- und Freizeitgartenbau der LWG auf dem Versuchsgelände „Im Stutel“ mehrere Versuche zu dem Thema durch:
  • Im Zeitraum von 2013 bis 2016 wurde eine Versuchspflanzung innerhalb des „Netzwerk Zukunftsbäume“ mit 43 sämlingsvermehrten Baumarten an sechs Standorten in Deutschland durchgeführt.
  • In einem weiteren Praxisversuch wurde von 2013 bis 2015 die Eignung von 29 bisher relativ unbekannten aber vielversprechenden Baumarten und -sorten an der LWG sowie in sechs verschiedenen Baumschulen an klimatisch unterschiedlichen Standorten getestet.
  • Seit 2010 werden auf zwei Hektar über 160 verschiedene Baumarten und Sorten getestet um für zukünftige Entwicklungen möglichst breit aufgestellt zu sein. Diese Versuchsfläche wird regelmäßig bonitiert und laufend durch Neupflanzungen erweitert. Sie liefert wichtige Erkenntnisse und bietet gute Vergleichsmöglichkeiten zwischen den unterschiedlichen Arten und Sorten.
Die GALK begann 2005 in Ergänzung und Fortschreibung ihrer Straßenbaumliste mit dem Straßenbaumtest 2, der 2008 und 2014 um weitere Arten erweitert wurde und aktuell 35 Baumarten und -sorten umfasst. Elf deutsche Städte sowie Wien und Basel beteiligen sich diesem Test. Allerdings sind nicht alle Baumarten in allen Städten aufgepflanzt. Der aktuelle Stand der Bewertung kann auf der Homepage der GALK eingesehen werden http://galk.de/index.php/arbeitskreise/stadtbaeume/themenuebersicht/strassenbaumtest-2.
Neben den Praxisversuchen haben Roloff, Gillner und Bonn im Auftrag des BdB 2008 die „Forschungsstudien: Klimawandel und Gehölze“ erarbeitet. Unter den Bedingungen des Klimawandels stufen die Autoren eine breite Palette von Gehölzarten entsprechend ihrer Trockenstresstoleranz, Lebensbereich und Winterhärte in je eine der drei Listen „eher im Vorteil“, „indifferent“ oder „eher im Nachteil“ ein. In der KlimaArtenMatrix für Stadtbaumarten (KLAM-Stadt) wurden die Gehölzarten in einer Tabelle in vier verschiedene Kategorien der Trockentoleranz und Winterhärte eingestuft.
Die notwendigen Wechsel in der Baumartenwahl beschäftigen naturgemäß in ganz besonderem Maße die Baumschulen. Sie sind es, die die notwendigen Bäume kultivieren müssen ehe sie geplant und letztendlich gepflanzt werden können. Da es 10 bis 15 Jahre dauert bis ein Hochstamm mit einem Stammumfang von 20-25 cm produziert ist haben einige Baumschulen auf Grund ihrer praktischen Erfahrungen und Einschätzungen eigene Klimabaumlisten aufgestellt und veröffentlicht. Für die hier vorliegende Übersicht sind die Listen der Baumschulen Clasen, Ebben (NL), Lorberg, Lorenz von Ehren und Sander verwendet worden. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Ausblick

Die rund 43 Baumarten scheinen auf den ersten Blick ein umfangreiches Sortiment darzustellen. Aber nicht nur die Standortbedingungen sondern auch die Standortansprüche der Baumarten sind sehr unterschiedlich. Die so lange verwendeten wenigen „Allerweltsarten“ sind nur noch eingeschränkt einsetzbar. Eine differenzierte und standortangepasste Baumartenauswahl ist das Gebot der Stunde. Je größer das zur Verfügung stehende Sortiment ist, desto genauer kann die Artenauswahl nicht nur für einen bestimmten Standort, sondern auch in Hinblick auf die anderen geforderten Eigenschaften (Wuchshöhe, Kronenform etc.) erfolgen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zeigen, wie schnell mitunter eine bis dahin zuverlässige Art plötzlich ausfallen kann. Erinnert sei hier nur ganz aktuell das Eschentriebsterben. Deshalb muss es das Ziel sein, die Baumartenvielfalt in den Städten zu erhöhen, um das Risiko zu verringern, dass weitere neue Schädlinge und Krankheiten die Palette der uns zur Verfügung stehenden Arten und Sorten noch weiter verringern. Die Frage, ob diese Arten dann heimisch oder fremdländisch sind, ist vor diesem Hintergrund zweitrangig. Die Aufgaben und Anforderungen der Baumschulen werden damit nicht leichter, da sie ein größeres Sortiment als früher vorhalten müssen.
Die Suche nach neuen und widerstandsfähigen Baumarten muss also fortgesetzt werden und wird auch fortgesetzt. Dazu gehört, dass auch zunehmend sehr seltene und bisher kaum kultivierte Arten getestet werden. Zu nennen wären hier z. B. Celtis julianae, Eucommia ulmoides, Quercus x hispanica oder Tilia mongolica. Auf den Versuchsfeldern stehen noch weitere bisher kaum bekannte Arten, die zum Teil sehr vielversprechende Eigenschaften zeigen. Andere Arten hingegen erfüllen nicht die in sie gesetzten Hoffnungen und Erwartungen. Genau deswegen sind umfangreiche und zeitintensive Versuche notwendig. Das Potential an geeigneten Arten ist noch nicht ausgeschöpft. Sie müssen nur gefunden und in die Versuche mit aufgenommen werden. Der Weg vom Versuch bis zum pflanzfertigen Baum ist jedoch lang... Deshalb gilt es keine Zeit zu verlieren.
Weitere, detailliert aufgeführte Ergebnisse enthält der Fachartikel.