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Biogas und Ökologie – geht das?

Blühende Wildpflanzenmischung (Biogas 1); Foto: A.Werner

Das Institut für Aquatische und Terrestrische Wildtierforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover hat an der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau die Studie „Wildbiologische Begleituntersuchungen bei artenreichen Energiepflanzen – Ansaaten mit Wildpflanzen“ durchgeführt. Der BJV ist Projektpartner. Ziel ist es, Wildpflanzensaatgutmischungen als „Futter“ für die Biogasanlage zu erproben, um eine ökologisch und ökonomische tragfähige Ergänzung zum Maisanbau zu schaffen.

Studie „Wildbiologische Begleituntersuchungen bei artenreichen Energiepflanzen – Ansaaten mit Wildpflanzen“
Die Studie des Instituts für Aquatische und Terrestrische Wildtierforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Rahmen der Forschungsarbeiten der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) zum Thema „Energie aus Wildpflanzen“ durchgeführt. Projektpartner ist der Bayerische Jagdverband. Ziel der Arbeiten der LWG ist es Saatgutmischungen (Wildpflanzenmischungen) für die Verwendung von Biogas hinsichtlich ihrer Ökonomie und Ökologie zu erproben, um dadurch eine ökologisch wertvolle und ökonomisch tragfähige Ergänzung zum Anbau von konventionellen Kulturen zur Biogasproduktion zu schaffen. Dadurch soll dem Verlust an Biodiversität in der Agrarlandschaft entgegen gewirkt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Niederwildpopulationen durch den Anbau von Wildpflanzenmischungen für die Biogasproduktion sogar wieder gestärkt werden können. Die Saatgutmischungen aus ein- und mehrjährigen Arten befinden sich noch in der Erprobungsphase und werden hierbei u. a. wildbiologisch begleitet, sprich die wildbiologischen Effekte auf die Wildtierpopulationen werden bewertet. Die wildbiologischen Untersuchungen finden dabei nur in der am weitesten entwickelten Saatmischungsvariante mit ausschließlich heimischen Wildstauden statt.
Die mehrjährigen Wildpflanzenmischungen haben klare Vorteile gegenüber Feldschlägen mit nur einer Kulturart, beispielsweise Maisschlägen. Die Standzeit der Mischungen beträgt mindestens 5 Jahre und genau darin wird ein großer Vorteil gesehen. Die jährliche Bodenbearbeitung ist somit nicht erforderlich, auf mineralischen Dünger und chemische Pflanzenschutzmittel kann weitgehend verzichtet werden, wodurch Arbeitszeit, Maschinenkosten und Betriebsmittel eingespart werden können.
Der bisher erzielte Ertrag der Wildpflanzenmischungen erreicht derzeit im Mittel rund 50% des Methanhektarertrags von Mais. Diese Ertragsminderung kann aber zum Teil durch den eingesparten Arbeits-, Spritzmittel- und Düngeeinsatz wieder ausgeglichen werden.
Die wildbiologischen Untersuchungen wurden methodisch zweigliedrig aufgebaut, da in Abhängigkeit von der Vegetationshöhe der Wildpflanzenkulturen unterschiedliche Methoden angewendet wurden. Während der vegetationsreichen Zeit (Mai-September) war es nur möglich die relative Habitatnutzungsfrequenz der Zielarten (Säugetiere, Vögel) über Fotofallen zu bestimmen. In der Zeit mit überwiegend niedriger Vegetation auf den Äckern wurden direkte Beobachtungsmethoden (Thermographie) angewendet, um darüber die winterliche Wildpflanzenstoppel als Lebensraum zu bewerten.

Fotofallen

Die Fotofallen wurden in fünf verschiedenen Wildpflanzenschlägen und in der angrenzenden Nachbarkultur während der Sommermonate aufgestellt.
Dafür wurden verschiedene Transekte, jeweils von der Schlagmitte über die Randstruktur bis in die Nachbarkultur hinein, gelegt. Vor den Kameras wurde eine Fläche von 2 x 4 m regelmäßig von Vegetation befreit, damit die Entdeckungswahrscheinlichkeit am Größten und Fehlauslösungen minimiert wurden. So konnten die unterschiedlichen Präsenszeiten der Tierarten (Hase, Fasan, Wildschwein, Reh etc.) an den verschiedenen Standorten verglichen werden. Ergänzend dazu wurde mittels Thermographie (Wärmebildkamera) die Feldhasendichte während der vegetationsarmen Zeit bestimmt. Durch die gleichzeitig erfolgte Flächennutzungskartierung wurde zudem die Nutzungspräferenz ermittelt. Alle miterfassten Tierarten, wie z. B. Reh, Rebhuhn oder Fuchs wurden ebenfalls notiert und die Dichten bestimmt.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der wildbiologischen Untersuchungen in den Landkreisen Straubing-Bogen und Würzburg von 2011-2013 zeigen, dass die Wildpflanzenbestände als Nahrungs-, Brut-, und Deckungshabitat wichtige und vielfach in der Feldflur fehlende Funktionen übernehmen können. Außerdem zeigen erste Ergebnisse, dass die Wildtiere (Feldhase, Reh, Fasan, Rebhuhn) die Wildpflanzen gegenüber den konventionellen Kulturen (Weizen¸ Raps, Mais) vorziehen. Entsprechend der ökologischen Ansprüche der einzelnen Wildtierarten werden die Wildpflanzen jedoch unterschiedlich häufig frequentiert, eine Meidung konnte aber bei keiner Tierart festgestellt werden.
Das Rehwild nutzt die Wildpflanzen besonders häufig während der Setz- und Aufzuchtzeit, wohingegen der Fasan besonders hohe Präsenzzeiten im Frühsommer hat. Für Feldhasen und Rebhühner sind die Randstrukturen von besonderer Bedeutung, außerdem ist das Rebhuhn vor allem tagsüber darin anzutreffen.
Bei der Entwicklung der Wildpflanzenmischungen wurde gezielt großer Wert darauf gelegt, den Schnittzeitpunkt, gegenüber den meisten anderen Feldfrüchten, später ins Jahr zu verlagern, um die Mähverluste, wie sie bei vielen anderen Kulturen auftreten, zu entschärfen. Mit dem jetzigen Erntezeitpunkt Mitte Juli bis Anfang August ab dem 2. Standjahr (im 1. Standjahr erfolgt die Ernte erst im August bis Mitte September) ist ein guter Kompromiss gefunden worden. Die Verschiebung des Schnittzeitpunktes noch weiter nach hinten (Anfang / Mitte August) ist allerdings nur mit fremdländischen Pflanzenarten denkbar, da ansonsten die Mindererträge zu gravierend wären. Werden die Wildpflanzen entsprechend der Empfehlung geerntet(Stoppel von ca. 25 cm stehen lassen, Termineinhaltung) kann die Fläche den Wildtieren zudem als winterlicher Lebensraum dienen. Durch den relativ neuen Ansatz, die Ökologie mit der Ökonomie in den Wildpflanzenmischungen zu vereinen, wird in der weitestgehend ausgeräumten und teilweise lebensfeindlichen Agrarlandschaft die Möglichkeit geschaffen den Lebensraum für Wildtiere wieder deutlich aufzuwerten.
Veröffentlicht in: Jagd in Bayern 10/2014, S. 22-23

Kontakt

M.Sc.-Biol. Heike Böhme
Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Bischofsholer Damm 15, 30173 Hannover
E-Mail: heike.boehme@tiho-hannover.de